# taz.de -- Kommentar Angriff auf Obdachlosen: Perfide Anteilnahme | |
> Der Übergriff auf einen Obdachlosen sei „nicht normal“, beklagt die AfD. | |
> Unsinn. In der Rechten sind Angriffe auf die Schwächsten genau das: | |
> Normalität. | |
Bild: Obdachlose in der Frankfurter Hauptwache (Symbolbild) | |
Nach Schlägen mit einem Holzpflock und Tritten gegen den Kopf war der | |
Obdachlose Andreas Pietrzak bereits bewusstlos. Doch der Täter hörte nicht | |
auf. Er überschüttete sein wehrloses Opfer mit Spiritus, dann zündete er es | |
an. Pietrzak starb im Alter von 41 Jahren. Dieses Verbrechen im bayerischen | |
Plattling liegt bereits mehr als zehn Jahre zurück. Die Hemmungslosigkeit | |
und Menschenverachtung, mit der es ausgeübt wurde, ist vergleichbar mit dem | |
[1][Fall, der sich am frühen Sonntagmorgen am Berliner U-Bahnhof | |
Schönleinstraße ereignete] – hier glücklicherweise mit einem glimpflichen | |
Ausgang. | |
Bei den Tätern in Berlin handelt es sich um heranwachsende Flüchtlinge. | |
Sechs stammen aus Syrien, einer aus Libyen. Für die Bewertung ihrer Tat ist | |
das völlig irrelevant, könnte man meinen – doch die nächste Debatte um | |
Gewalt von Flüchtlingen hat bereits begonnen. Der AfD-Politiker Marc | |
Vallender, Mitglied des Abgeordnetenhauses, sieht die Sache so: Man möge | |
ihm nicht mit der Aussage kommen, „das hätte genausogut ein Deutscher | |
machen können“. Stattdessen gäbe es „schlicht und einfach fundamentale | |
kulturelle Unterschiede zwischen Europa und dem Nahen Osten“. | |
Vallenders Argumentation, genauso wie die der NPD-Jugend, die sich | |
ebenfalls via Facebook echauffiert, und all der anderen rechten | |
Rattenfänger ist so falsch wie perfide. Sich an Obdachlosen, also den | |
Schwächsten der Gesellschaft zu vergehen, ist in Deutschland vor allem ein | |
Privileg von Rechtsextremen. So war der Täter in Plattling ein 19-Jähriger | |
Neonazi. Und nicht nur dort: Die Liste der [2][Opfer rechter Gewalt] weist | |
seit 1990 mindestens [3][28 ermordete Obdachlose] aus. | |
„Wir haben nicht genug Sozialarbeiter um jeden dieser Tausenden von | |
‚Einzelfällen‘ an die Hand zu nehmen und ihm beizubringen, dass solch ein | |
Verhalten hier nicht ‚normal‘ ist“, schreibt Vallender im Bezug auf die | |
Flüchtlinge. Doch für die extreme Rechte ist die Abwertung Obdachloser, | |
sind Angriffe auf sie seit jeher „normal“, trotz aller Versuche von | |
Sozialarbeitern. | |
Das fatale Zusammenspiel von genereller Menschenverachtung und | |
Aufstachelung von Rechtsaußen zeigt einer der letzten dokumentierten Fälle | |
von 2008. Nachdem ein Leipziger Neonazi eine Mahnwache unter dem Motto | |
„Todesstrafe für Kinderschänder“ besucht hatte, trat und schlug er auf | |
seinem Heimweg den Obdachlosen Karl-Heinz Teichmann tot. Dahinter steht die | |
Ideologie von „lebensunwertem Leben“ und „Sozialhygiene“, in historisch… | |
Kontinuität vom deutschen Faschismus bis in die Gegenwart. | |
Dass in jüngster Zeit die extreme Rechte immer mal wieder mit | |
„Hilfsaktionen“ für Obdachlose in Erscheinung getreten ist, ändert daran | |
nichts. Tatsächlich beruht der „Sinneswandel“ einzig auf dem Motiv, noch | |
erbarmungsloser gegen Flüchtlinge hetzen zu können. So lange Deutsche auf | |
der Straße landen, dürfe man keinen Fremden helfen, so die simple | |
Botschaft. Versuche von rechts, den Angriff von Berlin nun für sich zu | |
missbrauchen, sind daher infam. Getauscht wird eine Opfer-Zielgruppe gegen | |
eine andere. | |
27 Dec 2016 | |
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[2] http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/182-todesopfer-rechtsextremer-und-ra… | |
[3] http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/marginalisiert-leben-und-tod-wohnung… | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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