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# taz.de -- Angriff auf schlafenden Obdachlosen: Nach unten getreten
> Ein Drogenabhängiger soll einem schlafenden Obachlosen in Hannovers
> Fußgängerzone ins Gesicht gesprungen sein – doch eine Verurteilung ist
> fraglich
Bild: Gefährdet: Schlafender Obdachloser auf einer Parkbank
Hannover taz | Das Video ist nur wenige Sekunden lang – doch es schockiert
durch brutale Gewalt: In Kickbox-Manier springt ein junger Mann
unvermittelt auf einen Obdachlosen zu, der in der Dunkelheit auf einer Bank
in Hannovers Bahnhofstraße schläft. Mitten in der Fußgängerzone der
niedersächsischen Landeshauptstadt tritt er dem völlig Wehrlosen nach unten
ins Gesicht, reißt zur Verstärkung des Angriffs die Arme herunter. Der Kopf
des Wohnungslosen, der ein Stück über die Bank herausragt, schleudert
herum. Danach laufen mindestens zwei Beteiligte wie nach einem dummen
Streich weg.
Wegen gefährlicher Körperverletzung muss sich ein heute 22-Jähriger vor dem
Amtsgericht Hannover verantworten – medizinische Gutachten über die
möglichen Folgen des Tritts erhärteten den zunächst verfolgten Verdacht auf
versuchten Mord nicht. PolizistInnen fanden das Video auf dem Mobiltelefon
des Mannes mit deutschem und spanischem Pass, als sie wegen Drogenhandels
und Motorradfahrens ohne Führerschein und ohne Helm gegen ihn ermittelten.
## Ließ sich der Angeklagte „zur Selbstinszenierung“ filmen?
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er die Tat „zur
Selbstinszenierung“ von einem Begleiter filmen ließ, der ihm das Video dann
per Whatsapp geschickt haben soll.
In Saal 3014 des Amtsgerichts versucht der mit grauem Pulli, Jeans und
weißen Chucks bekleidete Kampfsportler sein Gesicht vor den Kameras der
Journalisten hinter einer roten Aktenmappe zu verbergen. An die
hinterhältige Attacke will er sich wegen massiven Drogenkonsums nicht
einmal in Ansätzen erinnern können. „Locker drei Ecstasy-Tabletten“ will …
jeden Abend konsumiert haben, dazu Amphetamine und Alkohol. „Das
rechtfertigt nichts, ich weiß“, sagt er. Trotz seiner Erinnerungslücken
geht der 22-Jährige offenbar auch selbst davon aus, der Täter zu sein.
Als das Gewaltvideo zur Beweisaufnahme mehrmals gezeigt wird, schaut der
Angeklagte immer wieder weg. Der Tatzeitpunkt, der nur grob auf das
Frühjahr 2015 eingegrenzt werden kann, sei „die schlimmste Zeit“ seines
Lebens gewesen, sagt der Angeklagte.Arbeitslos habe er den ganzen Tag
herumgehangen. „Es tut mir mega leid“, sagt er zum Tatvorwurf.
Doch ob der 22-Jährige schuldig gesprochen wird, bleibt fraglich. Zwar
drohen ihm selbst bei einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht zwei bis
drei Jahre Haft. Auf dem Video aber ist der Täter nur von hinten und der
Seite zu sehen und damit schwierig zu erkennen – und auch das mit viel
Polizeiarbeit ermittelte mutmaßliche Opfer, ein 56-jähriger Obdachloser,
hat gegenüber den Beamten ausgesagt, sich an den Angriff überhaupt nicht
erinnern zu können.
Am Mittwoch erscheint der ehemalige BWL-Student nicht vor Gericht – und
macht damit deutlich, wie schwierig es ist, auch massive Gewalt in der
Obdachlosen- und Drogenszene zu ahnden: Seit Jahren lebe der Mann mal in
Hilfseinrichtungen, mal auf der Straße, sagt seine gesetzliche Vertreterin,
die Sozialpädagogin Fiona Ziegler. Der Wohnungslose sei zwar „hoch
intelligent“, lebe aber „oft in der Vergangenheit“ – und habe offenbar
Angst, dem mutmaßlichen Täter auch nur im geschützten Umfeld des Gerichts
zu begegnen.
Er müsse „aufpassen, nicht noch einmal aufs Maul“ zu bekommen, habe er
gemeint, berichtet die Sozialarbeiterin. Ihr gegenüber habe er sich jedoch
an den Angriff erinnert: „Das war schon ein schlimmer Schlag“, habe der
56-Jährige gesagt. „Ich dachte, ich hätte eine Gehirnerschütterung.“ Der
Prozess wird im Februar fortgesetzt.
28 Jan 2017
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Gewalt
Hannover
Obdachlosigkeit
Obdachlosigkeit
Schwerpunkt Flucht
Polizei
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