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# taz.de -- Gewalt in U-Bahnhof: Eine unterirdische Tat
> Die Tatverdächtigen, die versucht haben sollen, einen schlafenden
> Obdachlosen in einem U-Bahnhof anzuzünden, sind gefasst. Es handelt sich
> um Geflüchtete.
Bild: Im U-Bahnhof Schönleinstraße übernachten oft Obdachlose
Berlin taz | Die sieben jungen Männer, die in der Nacht von Heiligabend auf
den ersten Weihnachtsfeiertag im U-Bahnhof Schönleinstraße versucht haben
sollen, einen Obdachlosen in Brand zu stecken, sind festgenommen. Bei allen
sieben handelt es sich nach Polizeiangaben um Flüchtlinge im Asylverfahren.
Sechs der 15- bis 21-Jährigen sind demnach in Syrien geboren und syrische
Staatsbürger, einer ist in Libyen geboren und unbekannter
Staatsangehörigkeit.
Die Polizei hatte am Montagnachmittag Bilder und Videos der Tatverdächtigen
veröffentlicht. Die hatten BVG-Überwachungskameras in einem Waggon der U8
aufgezeichnet, mit der die sieben jungen Männer den Tatort verlassen
hatten. Die mutmaßlichen Täter sind auf den Bildern deutlich zu erkennen.
Die Aufnahmen wurden in sozialen Netzwerken im Internet vielfach geteilt.
Sechs der Tatverdächtigen stellten sich laut Polizei dann noch am
Montagabend bei verschiedenen Polizeidienststellen, einer wurde von
Zivilfahndern auf der Straße festgenommen.
Die Verdächtigen sollen gegen 2 Uhr am Morgen des 25. Dezember in dem
U-Bahnhof am Kottbusser Damm zwischen Kreuzberg und Neukölln versucht
haben, einen dort schlafenden Obdachlosen anzuzünden, indem sie eine
Zeitung in Brand setzten, mit der der polnischen Medienberichten zufolge
aus Polen stammende Mann sich zugedeckt hatte. Weil Zeugen die Flammen
löschen konnten und ein U-Bahnfahrer mit einem Feuerlöscher zu Hilfe kam,
blieb das 37-jährige Opfer unverletzt.
Die Ermittlungen hat eine Mordkommission übernommen. Die Polizei wertet die
Tat als versuchtes Tötungsdelikt.
## Video schnell veröffentlicht
Anders als bei einer anderen brutalen Gewalttat, die Ende Oktober aus einer
Gruppe junger Männer heraus im U-Bahnhof Hermannstraße verübt wurde,
veröffentlichte die Polizei die Videoaufnahmen diesmal sehr schnell. Damals
hatte ein Mann eine junge Frau so heftig in den Rücken getreten, dass sie
eine Treppe hinab stürzte und sich verletzte. Videoaufzeichnungen der Tat
und der Gruppe, der der Täter angehörte, wurden erst Wochen später von der
Polizei veröffentlicht, nachdem die von BVG-Kameras aufgezeichneten Bilder
anonym der Presse zugespielt worden waren. Kurz darauf wurde der Täter
festgenommen.
Im aktuellen Fall habe der schwere Tatverdacht des versuchten Mordes
ermöglicht, die Videobilder bereits Stunden nach der Tat zu
veröffentlichen, so Neuendorf.
Die BVG überwacht bereits seit mehreren Jahren alle ihre Züge und Bahnhöfe
mit Videokameras. Seither ist die Zahl von Gewalttaten auf BVG-Gelände von
880 im Jahr 2011 auf 484 im Jahr 2015 zurückgegangen. BVG-Sprecherin Petra
Reetz führt das auch darauf zurück, dass sich die Videoüberwachung wohl
„herumgesprochen habe“.
Laut Polizeisprecher Neuendorf gibt es auch von der Tat selbst
Videoaufzeichnungen. Die Polizei wisse deshalb, dass ein 21-Jähriger der
Hauptverdächtige sei. Nun müsse die genaue Tatbeteiligung der einzelnen
Verdächtigen geprüft werden und „wer dann dem Haftrichter vorgeführt wird�…
so der Polizeisprecher. Das sollte noch im Laufe des frühen Dienstagabends
geschehen. Der Haftrichter entscheidet dann, ob die Vorwürfe gegen die
einzelnen Verdächtigen ausreichen, sie in Untersuchungshaft zu behalten.
## Auch unbegleitete Minderjährige
Unter den Tatverdächtigen befinden sich laut Neuendorf auch unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind.
Andere seien mit ihren Familien oder Angehörigen geflüchtet. Alle sieben
befänden sich noch im laufenden Asylverfahren, über ihre Anträge wurde also
noch nicht entschieden. Der erste sei seit 2014 in Deutschland, die anderen
später gekommen. Ob die Festgenommenen in Flüchtlingsunterkünften leben,
konnte der Polizeisprecher nicht sagen. Sie seien jedoch unter
verschiedenen Wohnadressen gemeldet.
Den schnellen Fahndungserfolg führt Neuendorf auf die Veröffentlichung der
Bilder und deren gute Qualität zurück: Die Verdächtigen seien darauf
zweifelsfrei zu identifizieren. Ob die sieben ihre Tatbeteiligung in den
bisherigen Vernehmungen jeweils zugegeben haben, sagt die Polizei nicht.
„Aber sie sind hergekommen und haben gesagt: Wir sind die auf den Bildern“,
so der Polizeisprecher.
Auf Facebook und in Kommentarspalten von Online-Medien wird dennoch bereits
die Abschiebung der Festgenommenen gefordert – von Deutschen wie von
geflüchteten Syrern.
27 Dec 2016
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Obdachlosigkeit
Schwerpunkt taz.meinland
Gewalt
Videoüberwachung
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
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