# taz.de -- Klage gegen Polizeieinsatz in Rigaer94: Rechtsstaat auch für Poliz… | |
> Die Bewohner des Berliner Hausprojekts machen Innensenator Henkel weiter | |
> Druck. Sie wollen einen Polizeieinsatz für rechtswidrig erklären lassen. | |
Bild: Haben sie die Falschen geschützt? | |
BERLIN taz | Der umstrittene Polizeieinsatz gegen das linksalternative | |
Hausprojekt Rigaer Straße 94 hat ein juristisches Nachspiel. Der | |
Bewohnerverein „Freunde der Kadterschmiede – Kultur im Kiez e.V.“ hat am | |
Donnerstag Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Mit der so genannten | |
Fortsetzungsfeststellungsklage soll der Polizeieinsatz am 22. Juni, der die | |
Räumung der Vereinsräume ermöglichte, für rechtswidrig erklärt werden. | |
Weil Innensenator Frank Henkel (CDU) und Polizeipräsident Klaus Kandt den | |
Einsatz – etwa bei der [1][Sondersitzung des Innenausschusses] am 21. Juli | |
– nachdrücklich verteidigten und diesen als geboten und rechtmäßig | |
bezeichneten, sehen die Kläger eine „Wiederholungsgefahr“. Diese soll durch | |
ein Urteil abgewendet werden. | |
Laut der Klageschrift, die der taz vorliegt, dient die Klage zudem dem | |
„Rehabilitationsinteresse“ der [2][Bewohner der Rigaer94], von denen ein | |
Bild gezeichnet worden sei, „das nicht den realen Gegebenheiten entspricht“ | |
sowie „zur Vorbereitung eines beabsichtigten Entschädigungsprozesses“. | |
## Klägeranwalt: „Besorgniserregend“ | |
Klägeranwalt Ralph Monneck sagte der taz, dass auch geklärt werden soll, | |
wie es zu dem Einsatz kam: „Derzeit steht im Raum, dass der Polizeieinsatz | |
entweder vom Innensenator direkt angeordnet wurde und politisch motiviert | |
war oder aber, dass sich der Polizeiapparat verselbständigt hat und aus | |
eigener Motivation heraus handelte.“ Beide Optionen, so Monneck, seien | |
„besorgniserregend und erschreckend“. Monneck beantragt eine umfassende | |
Akteneinsicht, die sowohl den Einsatzbefehl als auch Einsatzberichte sowie | |
sämtliches polizeiliches Video- und Bildmaterial umfasst. | |
In einem ersten Verfahren zu dem Sachverhalt hatte das [3][Landgericht | |
Mitte Juli entschieden], dass sich der Eigentümer des Hauses – zum | |
damaligen Zeitpunkt die auf den Britischen Jungferninseln gemeldete Firma | |
Lafone Investment Ltd. – die Räumlichkeiten widerrechtlich angeeignet hat, | |
weil kein Räumungstitel vorlag. Gegen das ergangene Versäumnisurteil hat | |
der neue Eigentümeranwalt Einspruch eingelegt. Am 14. September kommt es | |
daher vor dem Landgericht erneut zu einer Verhandlung, der rechtlich jedoch | |
keine Chancen eingeräumt werden. | |
In dem nun angestrengten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht steht dagegen | |
die Polizei im Visier. Sie unterstützte den Eigentümer, obwohl sie wusste, | |
dass dieser keinen Räumungstitel hatte – das macht die Klageschrift | |
deutlich. Demnach hätten die Polizisten nicht gegen die Hausbewohner | |
vorgehen dürfen, sondern die von dem Eigentümer beauftragten Bauarbeiter | |
und Security-Mitarbeiter abhalten müssen. | |
Zudem habe die Polizei das gesetzliche Recht der Bewohner, sich gegen die | |
Räumung zu wehren, unmöglich gemacht. Als Straftatbestände, an denen eine | |
Beteiligung der Polizei zu prüfen ist, kommen laut der Klageschrift | |
Hausfriedensbruch, Nötigung und Sachbeschädigung in Betracht. Monneck dazu: | |
„Politik und Polizei haben unter eklatanter Missachtung ihrer Befugnisse | |
Grund- und Bürgerrechte in der Rigaer Straße außer Kraft gesetzt und mit | |
Füßen getreten.“ | |
Die Innenverwaltung hatte sich am Donnerstagmittag noch nicht zu der | |
erhobenen Klage geäußert. In der Vergangenheit hatten Henkel und die | |
Polizeiführung stets argumentiert, der Einsatz habe lediglich der | |
„Gefahrenabwehr“ nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz | |
(ASOG) gedient. Die Rechtsauffassung dahinter: Die Polizei war vor Ort, um | |
mögliche Straftaten der Bewohner bei einer Inbesitznahme durch die | |
Eigentümer zu unterbinden. | |
Vor dem Innenausschuss hatte Henkel [4][gesagt], „eine Räumung durch die | |
Polizei hat nicht stattgefunden.“ Monneck erwidert in der Klage, es sei | |
„unerheblich, ob die Räumung, konkret durch Polizeibeamte durchgeführt wird | |
oder durch Dritte und die Polizei ‚nur‘ Unterstützung oder Hilfe leistet�… | |
In einem Statement der Rigaer94-Bewohner am Donnerstagmittag hieß es indes, | |
man wolle den Prozess auch dazu nutzen, „das Vorgehen der Polizei weiter | |
skandalisieren und eine öffentliche Debatte herbeiführen“ – auf dass der | |
Polizei „in künftigen Auseinandersetzungen kleinere Handlungsspielräume zur | |
Verfügung stehen“. | |
In der Vergangenheit waren Räumungen der Berliner Polizei im Nachhinein | |
[5][immer wieder von Gerichten kassiert worden], etwa im Fall der 1997 | |
geräumten Rigaer Straße 80 oder der Yorckstraße 59 im Jahr 2005. Das | |
Vorgehen im aktuellen Fall, die Polizei als passiven Part darzustellen, | |
kann als Reaktion auf diese Fälle gewertet werden. Sollte das Gericht | |
feststellen, dass Henkels Rechtsauffassung dennoch nicht zu halten sei, | |
wäre er als Innensenator kaumzu halten. Doch bis zu einer | |
Gerichtsentscheidung vergehen meist Jahre – mit den Konsequenzen eines | |
Urteils wird sich dann wohl ein anderer Senator beschäftigen müssen. | |
Für Monneck bleibt jedoch entscheidend, dass die Polizei „den | |
widerrechtlichen Besitzentzug überhaupt erst ermöglichte.“ Sein Fazit: „M… | |
dem vom Innensenator Frank Henkel in diesem Zusammenhang gebetsmühlenartig | |
angeführten Rechtsstaat hat das wenig zu tun.“ | |
18 Aug 2016 | |
## LINKS | |
[1] /!5321104/ | |
[2] /Bewohner-ueber-Rigaer94-in-Berlin/!5318818;beta/ | |
[3] /Hausprojekt-Rigaer-Strasse-94-in-Berlin/!5323199;beta/ | |
[4] http://www.parlament-berlin.de/ados/17/InnSichO/protokoll/iso17-082-wp.pdf | |
[5] /Archiv-Suche/!5323389&xs=Asmuth;beta/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
## TAGS | |
Rigaer94 | |
Räumung | |
Polizeieinsatz | |
Frank Henkel | |
Berlin | |
Rigaer94 | |
Frank Henkel | |
Grüne Berlin | |
Rigaer94 | |
Wochenvorschau | |
Taser | |
Rigaer94 | |
Rigaer Straße | |
Polizei Berlin | |
Rigaer Straße | |
Rigaer Straße | |
Rigaer Straße | |
Abgeordnetenhaus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Konflikt um Rigaer94: Einbruch beim Anwalt | |
Unbekannte haben Unterlagen zum Räumungsverfahren gestohlen – vermutlich um | |
die Identität des noch unbekannten Hauseigentümers zu klären. | |
Frank Henkels Abschiedsgeschenk: Razzia in linken Hausprojekten | |
Kurz bevor der Berliner Innensenator aus dem Amt scheidet, durchsucht die | |
Polizei linke Hausprojekte. Es geht mal wieder um die Rigaer Straße. | |
Grün-Rot-Rot in Friedrichshain-Kreuzberg: Gutmensch gewinnt | |
Nur ein kleiner Dämpfer: Monika Herrmann, Bürgermeisterin von | |
Friedrichshain-Kreuzberg, wird klar im Amt bestätigt. | |
Urteil zu Rigaer94-Räumung in Berlin: Lehrstunde für die Hauseigentümer | |
Die Räumung des Hausprojekts bleibt illegal. Die Hauseigentümer scheitern | |
vor Gericht. Das ist auch für Innensenator Henkel ein Problem. | |
Die Wochenvorschau von Anna Klöpper: Dank MacGyver im Wahllokal | |
Die Wahlleiterin wartet auf den Wahlsonntag, der Showdown um die Rigaer | |
Straße geht weiter und am Samstag marschieren die „Lebensschützer“. | |
Taser für die Berliner Schutzpolizei: Frank Henkels letzter Schuss | |
Premiere auf Länderebene: Der Innensenator will die Polizei mit der | |
Elektrowaffe ausrüsten – ohne Beschluss des Parlaments. Das riecht nach | |
Wahlkampf. | |
Rechte Wahlwerber in der Rigaer Straße: Stress mit Ansage | |
Unterstützer der Partei „Pro Deutschland“ hängen Plakate vor dem | |
Hausprojekt Rigaer94 auf. Dabei werden sie von Linken attackiert. | |
Das war die Woche in Berlin I: Heimlicher Aufruf zur Gewalt | |
Die SPD schlägt vor, dass das Land das Haus Rigaer Straße 94 kaufen soll. | |
Man muss kein Law-and-Order-Mann sein, um den Deal kritisch zu sehen. | |
Streit um Rigaer94: Wieder vor Gericht | |
Der Eigentümer klagt nun doch auf Räumung. Dafür wehren sich die | |
BewohnerInnen juristisch gegen den Polizeieinsatz. | |
Streit um die Rigaer Straße 94 in Berlin: Bewohner klagen gegen Polizeieinsatz | |
Die Kneipenbetreiber im Haus zweifeln die Rechtsmäßigkeit des Einsatzes an. | |
Die Polizei behauptet, sie habe nicht geräumt, sondern Bauarbeiter | |
geschützt. | |
Hausprojekt Rigaer94 in Berlin: Polizei macht, was sie will | |
Im Innenausschuss verteidigt Senator Henkel den Einsatz. Ein | |
Polizeijustiziar erklärt, dass er den Hausverwalter der Rigaer94 beraten | |
hat. | |
Kommentar Henkel und Rigaer Straße: Am Ende dem Feindbild erlegen | |
Henkel ist blass geblieben als Berliner Innensenator. Dank des Einsatzes in | |
der Rigaer Straße wird er auch noch als Rechtsbrecher in Erinnerung | |
bleiben. | |
Innenausschuss zur Rigaer Straße 94: Platzt die Henkel-Blase? | |
Innensenator Frank Henkel muss sich für die illegale Räumung rechtfertigen. | |
Wichtige Fragen im Check – und Henkels Antworten. |