# taz.de -- Bundestag über sichere Herkunftsstaaten: Viel Empörung, wenig Hei… | |
> Der Bundestag hat für die Einstufung Marokkos, Tunesiens und Algeriens | |
> als sichere Herkunftsländer gestimmt. Es geht um Abschreckung. | |
Bild: Erntete Gelächter: Bundesinnenminister Thomas de Maiziére am Freitag im… | |
BERLIN taz | Mit der 80-Prozent-Mehrheit der Koalitionsfraktionen SPD und | |
Union hat der Bundestag am Freitagvormittag beschlossen, Marokko, Tunesien | |
und Algerien als sichere Herkunftsländer einzustufen. Damit gelten für | |
AsylbewerberInnen aus diesen Länder beschleunigte Verfahren, sie dürfen | |
nicht arbeiten oder außerhalb der Auffanglager wohnen. Einer raschen | |
Abschiebung steht so nichts mehr im Wege. | |
Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU), der zuerst das Wort ergriff, | |
machte in seiner Begründung deutlich, dass es der Regierung mit dem Gesetz | |
primär darum gehe, „die Anreize zu senken, hier einen erfolglosen | |
Asylantrag zu stellen.“ Schon allein die Diskussion über das Gesetz habe im | |
Vorfeld zu einem spürbaren Rückgang von Flüchtlingen aus diesen Ländern | |
geführt. Im Januar waren noch 3.000 Asylsuchende aus Tunesien, Marokko und | |
Algerien registriert, einen Monat später sank deren Zahl auf 500. Nicht | |
einmal ein Prozent der Anträge ist erfolgreich. | |
Sowohl Linke als auch Grüne machten darauf aufmerksam, dass in allen drei | |
Ländern Homosexualität unter Strafe steht, dass alle drei Staaten an der | |
Todesstrafe festhalten und Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt | |
sind. | |
Diese Argumente, die auch Pro Asyl, Amnesty International und die Kirchen | |
zur Ablehnung des Vorhabens bewogen haben, bemühte sich de Maiziére gleich | |
zu Beginn seiner Rede zu entkräften: „Durch die abstrakte Androhung der | |
Todesstrafe und die abstrakte Strafbarkeit von Homosexualität allein ergibt | |
sich noch kein Asylgrund.“ | |
## Gelächter im Bundestag | |
Nur kurz schlug die Empörung in den Oppositionbänken in Heiterkeit um, als | |
der Innenminister sich auf außenpolitisches Glatteis begab: „Die drei | |
Länder selbst wollen ja als sichere Herkunftsländer eingestuft werden.“ | |
Hohngelächter schallte ihm entgegen, denn vermutlich wären auch Nordkorea, | |
China und Russland für das Prädikat „sicheres Herkunftsland“ dankbar. | |
Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, warf der Regierung | |
denn auch vor, die Regierungen in den sogenannten sicheren Herkunftsländern | |
zu Menschenrechtsverletzungen zu ermutigen. | |
Neben den außenpolitischen Rauchzeichen senden Union und SPD mit dem | |
Gesetzentwurf auch Signale nach innen, wie der innenpolitische Sprecher der | |
SPD Burkhard Lischka deutlich machte: Wer die Aufnahmebereitschaft erhalten | |
wolle, dürfe sie nicht überstrapazieren. „Begrenzung und klare Regeln | |
sorgen für Akzeptanz, sonst überlassen wir das Feld den Rechtspopulisten.“ | |
Die Regierung hatte das Gesetz gleich nach den Übergriffen auf Frauen in | |
der Sylvesternacht in Köln erarbeiten lassen, bei denen vor allem Männer | |
aus Nordafrika als Tatverdächtige angezeigt worden waren. | |
Grüne sind das Zünglein an der Waage | |
Im Übrigen versicherten die Redner von Union und SPD, dass sich ja nichts | |
ändere: Wer Tatsachen vorbringen könne, dass er oder sie politisch verfolgt | |
werde, bekomme weiterhin Asyl. | |
Nur dass eben die umgekehrte Beweislast gilt, wie Luise Amtsberg, | |
Sprecherin für Flüchtlingspolitik bei den Grünen deutlich macht: Es werde | |
schwieriger sein, Verfolgung glaubhaft nachzuweisen, wenn von der Vermutung | |
einer sicheren Situation ausgegangen werde. | |
Die Grünen sind in einer verzwickten Lage. Im Bundestag lehnen sie eine | |
weitere Aushöhlung des Asylrechts ab, doch [1][in der Länderkammer, dem | |
Bundesrat, werden die Stimmen der Grünen im Juni vermutlich dafür sorgen, | |
dass das Gesetz durchkommt]. | |
Die grün-schwarze Regierung in Baden-Württemberg hat sich bereits per | |
Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die Erweiterung des Kreises der sicheren | |
Herkunftsstaaten zu unterstützen und Hessen, wo die Grünen als | |
Juniorpartner der CDU regieren, scheint ebenfalls kompromissbereit. | |
Der Linksparteiabgeordnete Andrej Hunko appellierte daher vor allem an die | |
Grünen: „Wir diskutieren hier, aber es steht ohnehin alles fest. Im | |
Bundesrat hätten wir die Möglichkeit, dieses Gesetz noch zu stoppen.“ | |
13 May 2016 | |
## LINKS | |
[1] /Fluechtlingspolitik-im-Bundesrat/!5274334/ | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
sichere Herkunftsländer | |
Marokko | |
Algerien | |
Tunesien | |
Asyl | |
Tunesien | |
Polizei | |
Maghreb | |
Schwerpunkt Flucht | |
sichere Herkunftsländer | |
Thomas de Maizière | |
sichere Herkunftsländer | |
Maghreb | |
sichere Herkunftsländer | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
sichere Herkunftsländer | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
sichere Herkunftsländer | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Homosexualität in Tunesien: Acht Monate Haft für zwei „Schwule“ | |
Aufgrund ihrer behaupteten Homosexualität sollen zwei junge Männer in | |
Sousse ins Gefängnis. Das Urteil ist kein Einzelfall in Tunesien. | |
Massenproteste in Marokko: Tod eines Verkäufers löst Unruhen aus | |
Ein Fischverkäufer wird bei einer Auseinandersetzung mit der Polizei | |
getötet. Der Fall weckt Erinnerungen an den Ursprung der tunesischen | |
Revolution. | |
Grüne und „sichere Herkunftsländer“: Zankapfel Menschlichkeit | |
Der Streit um die Haltung zu den Maghreb-Staaten geht weiter. Winfried | |
Kretschmann passt sich an die Regierung an, Anton Hofreiter distanziert | |
sich von ihm. | |
Bundesrat zu sicheren Herkunftsstaaten: Abstimmung wird verschoben | |
Die Grünen äußern Bedenken gegen die Einstufung. Die Verfolgung von | |
Homosexuellen in den Maghreb-Staaten werde mit dem Gesetz außer Acht | |
gelassen. | |
Kommentar Sichere Herkunftsstaaten: Schmutziger Unfug | |
Hetze gegen Rechtspopulismus: Koalitionspolitiker verteidigen das Gesetz | |
für mehr sichere Herkunftsländer mit unlauteren Mitteln. | |
Innenminister kritisiert ärztliche Atteste: Flüchtlinge sind de Maizière zu … | |
Der Innenminister wirft Medizinern vor, falsche Krankschreibungen für | |
Flüchtlinge auszustellen. Viele Menschen könnten deshalb nicht abgeschoben | |
werden. | |
Streit um sichere Herkunftsstaaten: Grüne in Gewissensnöten | |
Die Regierung lockt die Grünen mit Kompromissen, Kretschmann soll zum Ja | |
tendieren. Özdemir glaubt nicht an eine schnelle Einigung. | |
Grüne lehnen sichere Herkunftsländer ab: Die Zweifel überwiegen | |
Die meisten Grünen meinen, dass es für Menschen aus den Maghreb-Staaten | |
gute Gründe gibt, politisches Asyl in Deutschland zu beantragen. | |
Sichere Herkunftsstaaten: Ein bisschen Folter ist okay | |
Die Bundesregierung gibt zu, dass es in Tunesien Fälle von Folter gibt. | |
Trotzdem will sie das Land als „sicher“ deklarieren. Wie geht das? | |
BaWü-Grüne und sichere Herkunftsländer: Ende der Symbolpolitik? | |
Ministerpräsident Kretschmann will das Konzept der „sicheren | |
Herkunftsstaaten“ aufgeben – und den Grünen damit schwierige Entscheidungen | |
ersparen. | |
Sichere Herkunftsstaaten: Die Tücken des Rechtsstaates | |
Die Regierung ignoriert mit ihrem Gesetz Vorgaben des Verfassungsgerichts, | |
sagen Flüchtlingsexperten. Doch der Weg nach Karlsruhe ist verbaut. | |
Marokko, Algerien und Tunesien: Besonders viele tote „Terroristen“ | |
Der Bundestag stimmt für die Einstufung der drei Länder als sichere | |
Herkunftstaaten. Dort laufen derzeit größere Antiterroroperationen. | |
Grün-Schwarz in Baden-Württemberg: Kretschmann wiedergewählt | |
Der Grüne Winfried Kretschmann ist weitere fünf Jahre Ministerpräsident von | |
Baden-Württemberg. Zuvor hatte er Kanzlerin Merkels Asylpolitik kritisiert. | |
Kommentar Sichere Herkunftsländer: Moralische Bankrotterklärung | |
Die Regierung schert sich nicht um die Diskriminierung Homosexueller im | |
Maghreb. Sie gibt aus Angst vor der AfD Minderheiten preis. | |
Bamf-Zahlen über Ankommende: Weniger Flüchtlinge aus Nordafrika | |
Die Zahl der Flüchtlinge aus Algerien, Marokko und Tunesien ist gesunken. | |
Das Bundesamt nennt das geplante Gesetz zu sicheren Herkunftstaaten als | |
Grund. | |
Geflüchtete in Deutschland: Die Folgen der Abschottung | |
Im vergangenen Monat kamen nur noch rund 20.000 Geflüchtete nach | |
Deutschland. Für eine Jahresprognose sei es aber noch zu früh, so der | |
Bundesinnenminister. |