| # taz.de -- Aus dem Labor: Schöne neue Gen-Tierwelt | |
| > Der Streit über ethische, gesundheitliche und ökologische Folgen der | |
| > Gentechnik erhält neue Nahrung. Genmanipulation ist viel leichter | |
| > geworden. | |
| Bild: Der AquAdvantage Lachs wächst schnell, frisst wenig und erfreut die Akti… | |
| Berlin taz | Es ist ein Durchbruch für die Gentechnik-Industrie: Vor Kurzem | |
| hat die US-Lebensmittelbehörde FDA einen gentechnisch veränderten Lachs | |
| zugelassen. Nach Gentech-Pflanzen dürfen nun erstmals auch Produkte von | |
| Gentech-Tieren auf den Teller kommen. | |
| Wie viel die Technik kann, zeigen die Texte auf dieser Seite: Schon seit | |
| Jahren basteln Wissenschaftler am Erbgut zahlreicher Tiere herum – nicht | |
| nur, um Nahrungsmittel herzustellen, sondern auch für Medikamente. Da neue | |
| Methoden die Genmanipulation erheblich erleichtern, ist in den kommenden | |
| Jahren mit noch mehr Geschöpfen aus dem Labor zu rechnen. | |
| Gegner der Branche argumentieren, nicht alles, was möglich ist, sei auch | |
| legitim. Die Kritik an gentechnisch veränderten Tieren gleicht in vielem | |
| der an Gentech-Pflanzen. | |
| So lautet ein ethisch begründeter Einwand: Der Mensch dürfe Tiere zwar | |
| durch Kreuzen züchten – aber nicht durch gentechnische Eingriffe, bei denen | |
| die natürlichen Artgrenzen übersprungen werden können. | |
| ## Gesundheitsrisiken und Wachstumsprobleme | |
| Verbraucherschützer befürchten Risiken für die Gesundheit, zum Beispiel | |
| Allergien durch Gentech-Lebensmittel. Wie im Fall gentechnisch veränderter | |
| Pflanzen gibt es auch Kritik daran, dass gentechnisch veränderte Tiere | |
| patentrechtlich geschützt sind. So könnten Konzerne ihre Macht über unsere | |
| Ernährung ausweiten. | |
| Darüber hinaus kritisieren Tierschützer, bei der Entwicklung von | |
| gentechnisch veränderten Rassen würden oftmals Tiere sterben oder | |
| deformiert geboren. Das schnelle Wachstum mancher Gentech-Geschöpfe mache | |
| krank und verursache Schmerzen. Die Ausbreitung gentechnisch veränderter | |
| Tiere ist zudem schwieriger zu kontrollieren als die von Gentech-Pflanzen. | |
| Eine Fliege etwa lässt sich nicht so leicht von Pufferzonen aufhalten wie | |
| Pollen. | |
| Auf der anderen Seite sagen Wissenschaftler, Gentechnik verändere kleinere | |
| Teile des Erbguts als konventionelle Züchtung. Außerdem würden sie | |
| keinesfalls immer artfremde Gene in die Tiere einbauen. | |
| Wachstumsprobleme gebe es auch bei konventionell gezüchteten Arten. Bevor | |
| die Behörden gentechnisch veränderte Tiere zulassen, würden | |
| Gesundheitsrisiken in Untersuchungen ausgeschlossen. Und Tierversuche seien | |
| nur bei der Entwicklung der Tierlinien nötig, ihre Nachkommen so gesund wie | |
| andere Tiere. | |
| ## Starker Widerstand | |
| Zumindest in Deutschland dürften Züchter auch patentierte Tiere | |
| weiterzüchten ohne Genehmigung des Patentinhabers. Außerdem verweisen die | |
| Forscher auf den mutmaßlichen Nutzen ihrer Geschöpfe für die Menschheit: | |
| den wirtschaftlichen, aber auch ökologischen und medizinischen. | |
| In Europa werden Nutztier-Techniker es dennoch schwer haben. Zwar gibt es | |
| auch hier schon Medikamente von Gentech-Tieren, aber die EU hat bislang | |
| kein Gentech-Tier für die Lebensmittelsproduktion zugelassen. | |
| Sollte sie es tun, müssten die Nahrungsmittel entsprechend gekennzeichnet | |
| werden. Da die Mehrheit der Bevölkerung, „Gen-Food“ ablehnt, wird sich das | |
| kaum ein Hersteller oder Händler trauen – zumindest solange sich der Wind | |
| nicht dreht und der Widerstand stark bleibt. | |
| ## Der Leuchtfisch | |
| Für 5,59 Dollar kann in den USA jeder ein gentechnisch verändertes Tier | |
| kaufen: einen fluoreszierenden Fisch fürs Aquarium. Dank Genen aus einer | |
| Qualle oder einer Koralle leuchten die Tiere in jeweils einer von sechs | |
| Farben. Für die Firmen, die die Geschöpfe unter dem Markennamen „GloFish“ | |
| für „jedes Zuhause, Büro oder Klassenzimmer“ vermarkten, ist das ein gutes | |
| Geschäft. Auch in Deutschland wurde der Zierfisch schon von den Behörden | |
| entdeckt – obwohl er hier verboten ist. | |
| ## Das Rind ohne Hörner | |
| Die meisten Milchviehrassen haben Hörner, mit denen sie andere Tiere oder | |
| Menschen verletzen könnten. Züchter enthornen die Kälber – etwa mit einer | |
| Ätzpaste, was Schmerzen und Infektionen verursachen kann. Die US-Firma | |
| Recombinetics hat deshalb das Erbgut der Holstein-Friesian-Kuh in einem | |
| Punkt an das einer hornlosen Fleischrinderrasse angeglichen – mit Hilfe | |
| einer neuen, TALEN genannten Methode gentechnischer Eingriffe, die relativ | |
| präzise Ergebnisse ermöglicht. Konventionell gezüchtete Kühe ohne Hörner | |
| gibt es schon, aber diese geben oft nicht so viel Milch. Neue Züchtungen | |
| dauern Jahrzehnte. | |
| ## Der Turbo-Lachs | |
| Der gentechnisch veränderte Lachs der US-Firma AquaBounty wächst schneller | |
| als konventionelle Artgenossen. Gleichzeitig soll er 25 Prozent weniger | |
| Futter fressen als herkömmlicher Atlantischer Lachs in Aquakulturen. Das | |
| spart den Fischfarmern Zeit und Geld. Die Umwelt soll entlastet werden, | |
| weil weniger Fische als Futter für die Lachse gefangen werden müssen. | |
| Kritiker sagen, das Tier sei nicht ausreichend auf mögliche | |
| Gesundheitsrisiken überprüft worden. Demnach wurden für den Allergietest | |
| nur 6 Lachse pro Gruppe untersucht. Die US-Lebensmittelbehörde FDA wies das | |
| zurück: Alles entspreche den Vorschriften. | |
| ## Die allergiearme Kuh | |
| Kuhmilch enthält das Protein Beta-Lactoglobulin, gegen das manche Säuglinge | |
| allergisch sind. Damit diese Babys dennoch Kuhmilch trinken können, haben | |
| Forscher in Neuseeland das gentechnisch veränderte Kalb „Daisy“ geschaffen, | |
| das kein Beta-Lactoglobulin produziert. Das gilt auch für ihre Nachkommen, | |
| die – anders als Daisy – nun auch einen Schwanz haben. Kritiker werfen den | |
| Gentechnikern vor allem vor, Tieren wie Daisy Leid zuzufügen, unter anderem | |
| durch klonen, wobei regelmäßig Tiere sterben. | |
| ## Die Pharma-Ziege | |
| Die Gentech-Ziegen des US-amerikanischen Unternehmens rEVO Biologics geben | |
| Milch, aus der ein Medikament zur Verhinderung von Thrombosen gewonnen | |
| wird. Wissenschaftler haben ein menschliches Gen in das Erbgut der Tiere | |
| eingeschleust. Das Präparat namens Atryn ist das weltweit erste | |
| Arzneimittel, das gentechnisch veränderte Tiere produzieren. Die | |
| Europäische Union hat es bereits im Jahr 2006 zugelassen. Kritik gibt es | |
| weniger von Gentechnik-Gegnern als von Tierrechtlern. Sie argumentieren, | |
| Tiere dürften „keine Medikamentenmaschinen“ sein. | |
| ## Die Anti-Motten-Motte | |
| Das britische Unternehmen Oxitec hat das Erbgut der Kohlmotte so verändert, | |
| dass ihre weiblichen Nachkommen sterben, bevor sie geschlechtsreif werden. | |
| Am Ende würden fast nur Männchen übrig bleiben, die Population dieses | |
| Schädlings wäre drastisch reduziert. Die Motte frisst den Bauern weltweit | |
| Kohl, Rüben, Raps und andere Kreuzblütler im Wert von mehreren Milliarden | |
| Euro von den Feldern und wird bisher zum Beispiel mit Insektiziden | |
| bekämpft. Kritiker wenden ein, die Gentech-Motte sei nicht genügend | |
| getestet auf Gefahren für Menschen und Tiere. Dennoch werde das Insekt | |
| bereits bei Feldversuchen in den USA freigesetzt. Oxitec dagegen verweist | |
| auf Experimente, in denen die Motte etwa Spinnen und Käfern nicht geschadet | |
| habe. Die Firma hat das „Selbstbegrenzungsgen“ ebenfalls in die Schädlinge | |
| Olivenfliege und Fruchtfliege sowie in eine Mückeart eingebaut, die das | |
| Dengue-Fieber überträgt. | |
| ## Das Vogelgrippen-Huhn | |
| Wenn die Vogelgrippe grassiert, werden oft Hundertausende Hühner getötet, | |
| um eine Epidemie zu stoppen. Gen-Forscher der Universität Edinburgh haben | |
| nun ein Huhn entwickelt, das sich zwar anstecken, aber den Virus nicht | |
| weiter geben kann. Um es von anderen Hühnern unterscheiden zu können, hat | |
| das Tier auch ein fluoreszierendes Protein, sodass es unter ultraviolettem | |
| Licht leuchtet. Der niedersächsische Zuchtkonzern EW Group gehört zu den | |
| Geldgebern des Projekts. Die Wissenschaftler arbeiten nun daran, dass das | |
| Huhn immun gegen Vogelgrippe wird. | |
| ## Die Krebs-Maus | |
| Bei Tierversuchen werden schon seit Jahren gentechnisch veränderte Mäuse | |
| eingesetzt. Ihr Erbgut macht sie zum Beispiel besonders anfällig für Krebs, | |
| sodass an ihnen leichter Medikamente gegen diese Krankheit getestet werden | |
| können. Die Gentechnik-kritische Organisation Testbiotech moniert, dass vor | |
| allem US-Firmen solche Tiere „zu Discountpreisen“ und mit Werbegeschenken | |
| wie „Kaffeemaschinen oder Apple-Gutscheinen“verkaufen. „Der kommerzielle | |
| Anreiz ist so groß, dass unnötig Tierversuche durchgeführt werden“, sagt | |
| Testbiotech-Chef Christoph Then. Wissenschaftler verweisen auf die | |
| Therapieerfolge, die Gentech-Tiere ermöglicht hätten. | |
| ## | |
| 23 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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