# taz.de -- Manipulierte Mücken gegen Zika-Virus: Das fliegende Selbstmordkomm… | |
> Forscher haben im Kampf gegen Krankheiten Mücken gentechnisch so | |
> umgebaut, dass deren Nachkommen sterben. Doch Gegner sind skeptisch. | |
Bild: Keine Lust? Manipulierte Moskitos sollen sich kaum fortpflanzen. | |
BERLIN taz | Die britische Firma Oxitec will das Zika-Virus mit | |
gentechnisch veränderten Mücken bekämpfen. „Wir können die Population des | |
wichtigsten Krankheitsüberträgers, der Stechmückenart Aedes aegypti, auf | |
ein Niveau senken, bei dem man keine Ansteckungen mehr erwartet“, sagte | |
Oxitec-Chef Hadyn Parry der taz. Denn das Oxforder Unternehmen hat ins | |
Erbgut der Männchen ein Gen eingefügt, das seine Nachkommen bereits als | |
Larve oder Puppe sterben lässt. | |
Oxitec will diese Insekten etwa in Städten freilassen, damit sie sich mit | |
normalen Weibchen paaren, so ihr „Selbstbegrenzungs-Gen“ weitergeben und | |
die Population einbrechen lassen. Die Männchen sind keine Gefahr für den | |
Menschen, weil nur die weiblichen Mücken stechen. Doch Gentechnik-Kritiker | |
warnen vor unkalkulierbaren Risiken des Projekts. | |
Zika grassiert derzeit vor allem in Lateinamerika und hat allein [1][in | |
Brasilien 500.000 bis 1,5 Millionen Menschen infiziert]. Das Virus steht im | |
Verdacht, bei Föten Hirnfehlbildungen zu verursachen. Aedes aegypti | |
überträgt aber auch teils tödliche Viren wie Gelbfieber, Dengue und | |
Chikungunya. Für keine der Krankheiten gibt es Therapien, impfen kann man | |
nur gegen Gelbfieber. | |
Deshalb bekämpfen die betroffenen Länder die Überträger-Mücken: Potenzielle | |
Brutplätze wie Eimer, Blumentöpfe oder nicht benutzte Reifen werden | |
geleert, damit dort kein Wasser steht, in dem die Mücke ihre Eier ablegen | |
kann. Zudem sprühen Helfer Insektengift. | |
## Mücken könnten langfristig resistent werden | |
Doch oft sind solche Maßnahmen schwer flächendeckend durchzusetzen. | |
Umstritten ist auch, wie die Insektengifte auf Gesundheit und Umwelt | |
wirken. Zudem können die Mücken langfristig resistent werden gegen die | |
Chemikalien. | |
Das sind auch Argumente, die Oxitec für seine Gentech-Mücken anführt. Die | |
Methode ist vergleichsweise weit entwickelt: Es gab bereits | |
[2][Feldversuche in freier Wildbahn auf der Karibikinsel Grand Cayman, in | |
Malaysia und in Brasilien]. Jetzt fehlt nur noch eine Vermarktungserlaubnis | |
der brasilianischen Behörden. | |
Gentechnik-Gegner sehen den Oxitec-Vorschlag sehr kritisch. Zum Beispiel | |
der Chef des in der Bewegung sehr einflussreichen Vereins Testbiotech, | |
Christoph Then. Oxitec wolle „die Notlage der Bevölkerung vor Ort für ihre | |
Geschäftsinteressen nutzen“, schreibt er der taz. Dabei sei noch zu | |
unsicher, ob Zika die Missbildungen bei Kindern verursacht. Ob das Virus | |
also überhaupt so gefährlich ist, dass man die Risiken eingehen sollte, die | |
mit einer neuen Technik immer verbunden sind. | |
Es sei zudem „nicht klar, welche Erfolge Oxitec mit seinen Mücken erzielen | |
kann“. Es gebe nur eine wissenschaftliche Publikation, die zeigt, dass die | |
Mückenlarven in den Einsatzregionen weniger werden. „Dafür steigen die | |
Zahlen in der benachbarten Vergleichsregion aber an – es könnte sich also | |
auch nur um vorübergehende Verdrängungseffekte handeln.“ | |
## Oxitec hält Kritik für „Gruselgeschichten“ | |
Der Aktivist warnt auch vor möglichen Nebenwirkungen. Denn für einen | |
flächendeckenden Einsatz müssten Milliarden der Mücken gezüchtet und | |
freigesetzt werden. „Die Wahrscheinlichkeit, dass da unerwünschte Mutanten | |
dabei sein dürften, ist statistisch schwer von der Hand zu weisen.“ Es sei | |
denkbar, dass diese noch leichter Krankheiten übertragen. | |
Oxitec-Chef Parry hält solche Einwände für „Gruselgeschichten“. Keine | |
Aufsichtsbehörde habe „bedeutende Risiken“ festgestellt. Bei seinen | |
Feldversuchen analysierte Oxitec auch die Mückenpopulation in benachbarten | |
Gebieten. Die Zahl der Insekten dort sei nicht gestiegen, widerspricht | |
Parry Kritikern. In den „behandelten“ Regionen jedoch „haben wir die | |
Aedes-aegypti-Population in sechs Monaten um über 90 Prozent reduziert.“ | |
Das sei auch in mehr als einem Fachartikel beschrieben worden. Mit | |
Insektengiften liege die Erfolgsrate in der Regel nicht über 30 bis 50 | |
Prozent. Unerwünschte Mutationen schließt Parry aus. | |
Auch Parry weiß, dass bislang kein hinreichender Beleg vorliegt, dass Zika | |
die Mikrozephalie verursacht. Aber die [3][Hinweise darauf nehmen laut | |
Weltgesundheitsorganisation zu]. Und Parrys Mücken wirken ja auch gegen die | |
Übertragung etwa von [4][Dengue, das nachweislich rund 22.000 Menschen pro | |
Jahr tötet]. Dennoch kommt das Mücken-Projekt seit Mitte 2014 kaum voran. | |
Damals beantragte Oxitec nach eigenen Angaben in Brasilien, die | |
Gentech-Insekten zu vermarkten. Doch die zuständige Behörde hat bislang | |
nicht entschieden. | |
## Radioaktiv bestrahlte Mückenmännchen | |
Das ist Zeit, die die Konkurrenz nutzt. Die Atomenergiebehörde (IAEO) und | |
die Agrarorganisation der Vereinten Nationen [5][fördern Projekte, um | |
männliche Mücken durch radioaktive Bestrahlung zu sterilisieren]. „Wir | |
haben zahlreiche Studien durchgeführt, die zeigen, dass bestrahlte Männchen | |
mit fruchtbaren Männchen konkurrieren können, um sich mit Weibchen zu | |
paaren“, teilte die IAEO der taz mit. Oxitec-Chef Parry jedoch wendet ein, | |
die IAEO habe mit den sterilen Aedes aegypti keine Feldversuche im Freien | |
gemacht. Deshalb sei unklar, ob die bestrahlten Mücken wirklich fit genug | |
seien, um sich gegen normale Männchen durchzusetzen. „Wir dagegen machen | |
seit 2009 Tests im Freien“, so Parry. | |
Die IAEO-Lösung hat aber einen Vorteil: Die Behörde bietet ihre Technologie | |
gratis an – Oxitec dagegen will sich die Nutzung seiner Patente versilbern | |
lassen. Berater der Weltgesundheitsorganisation wollen im März beide | |
Strategien prüfen. | |
23 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://who.int/emergencies/zika-virus/strategic-response-framework.pdf?ua=1 | |
[2] http://www.oxitec.com/health/our-products/aedes-agypti-ox513a/ | |
[3] http://www.who.int/emergencies/zika-virus/situation-report/19-february-2016… | |
[4] http://www.who.int/csr/disease/dengue/impact/en/ | |
[5] https://www.iaea.org/newscenter/news/nuclear-technique-can-help-control-dis… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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