# taz.de -- Pro und Contra manipulierte Mücken: Mit Gen-Tech das Zika-Virus st… | |
> Für den Kampf gegen das Zika könnten Mücken gentechnisch verändert | |
> werden. Doch Nutzen und Risiken sind umstritten - auch in der taz. | |
Bild: Kleine Biester. Sind manipulierte Mücken hilfreich oder gefährlich? | |
## Ja. Lasst sie fliegen! | |
Sie haben etwas gegen Gentechnik? Dann werden Sie vielleicht instinktiv | |
auch das Vorhaben ablehnen, mit einer gentechnisch veränderten Mücke | |
Seuchen wie die Zikavirus-Infektion oder das Denguefieber zu bekämpfen. | |
Aber damit tun Sie den Moskitos aus dem Labor unrecht. Denn diese Insekten | |
haben wenig mit den Gentechnik-Anwendungen in der Landwirtschaft gemein. | |
Anders als das Gros der Gentechpflanzen hat die Mücke humanitären Nutzen. | |
Die Pflanzen sind gegen bestimmte Pestizide oder Schädlinge resistent, | |
damit die Landwirte in umweltschädlichen Monokulturen jedes Jahr die | |
gleiche Frucht anbauen und so mehr Gewinn machen können. | |
Die Mücke dagegen kann Menschenleben retten. Schließlich schrumpft sie die | |
Population der Moskitos, die zum Beispiel das Denguefieber übertragen. Wenn | |
die Labormücke nur einen der [1][jährlich etwa 22.000 Dengue-Todesfälle] | |
verhindern kann, dann ist der Einsatz der Gentechnik hier nicht nur ethisch | |
zu rechtfertigen, sondern sogar geboten. | |
In diesem Fall überwiegt der Nutzen die Risiken. Die der Mücke sind | |
übrigens geringer als die der Agrargentechnik. Im Gegensatz zu den | |
künstlich in Pflanzen eingesetzten Genen bleiben die fremden | |
Erbinformationen der Mücke nur so lange in der Umwelt, wie man sie dort | |
braucht. Schließlich sorgen ihre neuen Gene dafür, dass die manipulierten | |
Insekten nach kurzer Zeit sterben. Und während Pollen einige Kilometer weit | |
fliegen, bringen es Mücken nur auf wenige Meter. | |
Das sind Gründe, weshalb das Risiko einer unkontrollierbaren Ausbreitung | |
von Genen aus dem Labor bei den Mücken im Vergleich zum Nutzen dieser | |
Technik minimal ist. Gering ist auch die Gefahr, dass dieses nützliche | |
Gentechniktier den Weg für zig andere Laborlebewesen ohne humanitären | |
Nutzen bereiten könnte. [2][Schon seit 2006 darf in der EU ein Medikament | |
gegen Thrombose verkauft werden], das aus der Milch von Gentechziegen | |
gewonnen wird. Wenn das nicht den Dammbruch für die „Frankenstein“-Tiere | |
gebracht hat, warum sollte das jetzt die Antiseuchenmücke tun? Dieser | |
Moskito sollte also fliegen – damit Menschen leben können. Jost Maurin | |
## *** | |
## Nein. Wir wissen zu wenig über die Folgen | |
Im Kampf gegen das Zika-Virus massenhaft gentechnisch veränderte Mücken | |
freizusetzen ist keine gute Idee. Seit Jahren gibt es immer wieder Kritik | |
an den Gentech-Experimenten der Firma Oxitec – unter anderem wegen | |
fehlender Transparenz und zu wenig Information für die betroffene | |
Bevölkerung. | |
Auf den Kaimaninseln, in Malaysia, Panama und Brasilien wurden bereits | |
Millionen genmanipulierter Tigermücken freigesetzt, um die Population zu | |
begrenzen. Nach Aussagen von Oxitec seien keine unvorhersehbaren Ereignisse | |
eingetreten. Das allein kann jedoch nicht die Grundlage sein, um jetzt | |
großflächig Abermilliarden genmanipulierter Mücken auszusetzen. | |
Denn fraglich ist, ob die Oxitec-Mücken – selbst, wenn alles wie gewünscht | |
verläuft – ihre in freier Wildbahn lebenden Artgenossen jemals vollständig | |
ausrotten werden. Damit die reduzierten Mückenpopulationen nicht wieder | |
anwachsen, müssten auch weiterhin Freisetzungen erfolgen. | |
Was fehlt, sind unabhängige Studien über die Folgen der Massenfreisetzung. | |
Sterben die gentechnisch veränderten Mücken wirklich alle nach kurzer Zeit | |
wieder ab? Ist ausgeschlossen, dass durch natürlich vorkommende | |
Rückmutationen nicht doch plötzlich überlebensfähige Gentech-Mücken | |
entstehen? Und, falls dieser Fall eintreten sollte: Welche Folgen hat das | |
für Mensch und Natur? | |
Wir wissen noch immer wenig darüber, wie sich DNA-Schnipsel innerhalb einer | |
Population ausbreiten können. Ein Beispiel: das „springende Gen“ bei | |
Fruchtfliegen. Seit den 30er Jahren ist es in fast alle freilebenden | |
Fruchtfliegenpopulationen weltweit eingewandert. Viele Fragen über dieses | |
Phänomen und seine Rolle bei der Evolution sind noch unbeantwortet. Die | |
Ausbreitung des manipulierten Erbguts der Mücken können wir also kaum | |
kontrollieren. | |
All dies muss in eine glaubwürdige Abschätzung möglicher Folgen dieses | |
Experiments einfließen. Solange das nicht geschehen ist, besteht die | |
Gefahr, dass wir mit Gentech-Mücken ein Übel durch ein anderes ersetzen. | |
Wolfgang Löhr | |
23 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.who.int/csr/disease/dengue/impact/en/ | |
[2] /!5259923/ | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
Wolfgang Löhr | |
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