# taz.de -- Star-Gentechnikerin über Regulierung: „Europa ist gut geschützt… | |
> Emmanuelle Charpentier sagt, dass Deutschland mit der Gentechnik zu | |
> streng ist. Man sollte Restriktionen spezifischer ausarbeiten als bisher. | |
Bild: „Wir können keine Wunder vollbringen“, sagt Emmanuelle Charpentier | |
Emmanuelle Charpentier ist ein globaler Wissenschaftsstar. Sie hat der | |
Gentechnik neue Türen geöffnet, ihre Entdeckung bringt jährlich Milliarden | |
Euro Investitionen aus der Wirtschaft in das neue Spezialgebiet. Nicht nur | |
Tiere und Agrarpflanzen lassen sich damit verändern. Die Rede ist gar vom | |
„Ende der genetisch verursachten Krankheiten“ beim Menschen. | |
Zusammen mit der US-Biochemikerin Jennifer Doudna von der Universität in | |
Berkeley, Kalifornien, veröffentlichte Charpentier 2012 einen Mechanismus, | |
wie sich Gensequenzen genau dort einsetzen lassen, wo man sie haben will. | |
Mit einem Verfahren, das schnell, einfach und billig ist. Dafür hat sie | |
eine Technik aus dem Immunsystem von Bakterien nutzbar gemacht, vor allem | |
ein Eiweißstoff mit dem Namen Cas9. | |
Gar nicht so einfach, die umtriebige Wissenschaftlerin für ein Interview zu | |
erwischen. Nach vielen Anfragen klappt es dann doch, am Rande der | |
Verleihung des Leibniz-Preises an Charpentier. | |
taz.am wochenende: Frau Charpentier, Sie haben Dutzende Preise gewonnen, | |
Tausende Forschungsarbeiten erscheinen über Ihre neue Gen-Schere namens | |
CRISPR-Cas9. Hat ihre Methode die leicht lahmende Gentechnik wieder | |
flottgemacht? | |
Emmanuelle Charpentier: Es ist keine Wundermethode. Gentechnik bleibt nach | |
wie vor eine Bastelei, eine „Bricolage“, wie die Franzosen sagen. Die neue | |
Methode ist nur effektiver und vielseitiger. Und exakt. Sie nutzt die | |
Schönheit des natürlichen Designs. Die Natur hatte viel mehr Zeit zum | |
Experimentieren als wir. | |
Warum sind dann alle so aufgeregt? | |
Wir können in der Forschung Projekte angehen, die bisher unmöglich waren. | |
Wir verstehen hoffentlich bald mehr von den Mechanismen des Lebens. | |
Spielen Sie da bald Göttin und verändern das Erbgut von Lebewesen? | |
Alsoerstens muss man betonen: Mit Cas9 stellt sich keine neue ethische | |
Frage. Keine, die sich nicht schon durch andere gebräuchliche Werkzeuge | |
stellt, wie die Methoden der Zink-Finger-Nukleasen oder TALEN. | |
Also bisherige Genom-Schneidewerkzeuge … | |
… genau! Gentechnik geht mit Cas9 zwar einfacher, vielfältiger, aber die | |
Grundlagen bleiben dieselben. | |
Chinesische und britische Forscher arbeiten mit der Methode schon heute an | |
menschlichen Embryonalzellen. | |
Ja. Aber im Allgemeinen ist Europa da gut geschützt durch Gesetze. In | |
Deutschland ist die Herangehensweise fast schon ein wenig zu strikt. | |
Was meinen Sie damit? | |
Auch die wissenschaftliche Gemeinschaft arbeitet an einer Regulierung. Mit | |
Cas9 ergeben sich auf manchen Gebieten neue Möglichkeiten. Also sollten wir | |
vielleicht die Restriktionen spezifischer ausarbeiten als bisher, jeweils | |
für einzelne Forschungsbereiche, und nicht für alle Gebiete die gleichen | |
Einschränkungen haben. | |
Der Goldrausch, der durch CRISPR entstand – ist das ein willkommener Turbo | |
für die Forschung oder eine ärgerliche Ablenkung? | |
Oh, das große Interesse gibt der Grundlagenforschung einen Schub. | |
Aber der Spruch vom „Ende der genetischen Krankheiten“ ist doch völlig | |
überzogen, oder? Keine einzige Anwendung ging bisher durch eine klinische | |
Testphase. | |
Wie gesagt, wir können keine Wunder vollbringen mit Cas9. Aber CRISPR-Cas9 | |
erleichtert unser Verständnis der Mechanismen von Krankheiten. Die | |
Konstruktion neuer Krankheitsmodelle, das Screening nach neuen | |
Therapiezielen, wird erleichtert. Und damit die Validierung in der | |
Entwicklung neuer Therapeutika. Dies gilt auch für das Verständnis der | |
molekularen und zellulären Mechanismen in Pflanzen mit einer genaueren und | |
präziseren Gentechnik. | |
Es gibt bereits Ärger um das CRISPR-Patent. Haben Sie Angst, dass | |
kommerzielle Interessen zu Geheimniskrämerei unter Kollegen und ewigen | |
Patentstreitigkeiten führen? | |
Für Forschungslabore ist die Technik praktisch kostenlos und voll | |
verfügbar. Nur bei kommerziellen Anwendungen wird dann wohl eine | |
Lizenzgebühren oder Ähnliches fällig. | |
Sie haben ja für CRISPR auch zwei Firmen gegründet, die erfolgreich | |
Pharmakonzerne an Ihrer Forschung beteiligen. Bayer allein gibt 335 | |
Millionen Euro. Werden Sie jetzt bald Milliardärin? | |
Also normalerweise sind die Grundlagenforscher, die die Entdeckung machten, | |
nicht diejenigen, die an Biotechnikfirmen verdienen. (lacht) | |
Sie hatten in den letzten Jahren mindestens zwei Forschungsstellen | |
parallel, von Österreich über Schweden und die USA nach Deutschland, sind | |
international vernetzt und auch noch Gutachterin für Kollegen. Schlafen Sie | |
eigentlich gleich im Labor? | |
Das ist auch schon vorgekommen. Ja, die Umzüge sind anstrengend – nicht nur | |
das Private, vor allem auch Auf- und Abbau des wissenschaftlichen Teams. | |
Aber ich bin effektiv. | |
19 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Reiner Metzger | |
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