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# taz.de -- Die neuen Möglichkeiten von CRISPR: Mensch, Tier und Pflanzen
> Forscher hoffen, dass sie mit CRISPR zukünftig Krankheiten heilen können.
> Bei Tieren und Pflanzen wird das Verfahren schon eingesetzt. Hier einige
> Beispiele.
Bild: Mit CRISPR geht vieles einfacher im Gentech-Labor
## Embryonen und Augen
Die neuen Methoden der Gentechnik machen auch vor dem Menschen nicht halt.
Für einen Aufschrei sorgte im vergangenen Jahr eine Veröffentlichung
chinesischer Wissenschaftler. Junjiu Huang und seiner Kollegen von der
chinesischen Universität Sun Yat-sen. Dort wurde über den Versuch
berichtet, d[1][as Erbgut von menschlichen Embryonen mittels CRISPR zu
verändern]. Sie wollten ein Gen austauschen, das für die Blutkrankheit
Beta-Thalassämie verantwortlich ist.
Für ihre Experimente benutzten sie nicht lebensfähige Embryonen. Diese
ersten Versuche mit menschlichen Embryonen waren allerdings nicht sehr
erfolgreich. Es gab zahlreiche unerwartete Effekte, und nur bei einem
Bruchteil der benutzen Embryonen konnte die hinzugefügte DNA auch
nachgewiesen werden.
Sollte der Bericht zutreffen, wäre es das erste Mal überhaupt, dass die
Keimbahn, also die menschlichen Fortpflanzungszellen, so verändert worden
sind, dass diese Veränderung auch weitervererbt werden würde. In
Deutschland sind derartige Keimbahnveränderungen gesetzlich verboten.
Die nächsten Embryonenversuche werden voraussichtlich in Großbritannien
stattfinden. Dort hat Anfang des Jahres das [2][Francis Crick Institute]
die [3][Erlaubnis bekommen], bestimmte Gene mit der CRISPR-Methode zu
untersuchen, die für eine normale Entwicklung von Embryonen notwendig sind.
Die Versuche dürfen aber nur an bis zu sieben Tage alten Embryonen
durchgeführt werden. Anschließend müssen die Embryonen getötet werden. Mit
dieser Regel soll sichergestellt werden, dass ausschließlich
Forschungsziele verfolgt werden.
Auch bei gentherapeutischen Versuchen wollen Forscher CRISPR einsetzen. So
bereitet die amerikanische [4][Biotech-Firma Editas] einen ersten
klinischen Versuch für das Jahr 2017 vor, bei dem eine sehr seltene
Erkrankung der Netzhaut im Auge geheilt werden soll. Dazu soll aus einem
Gen in den Fotorezeptorzellen eine aus 1.000 Basenpaaren bestehende
DNA-Sequenz herausgeschnitten werden.
## Hornlose Rinder und muskulöse Hunde
Mäuse und Ratten, Hunde und Kaninchen, Schafe, Ziegen, Rinder, Schweine und
Affen. All diese Tiere sind in den letzten drei Jahrzehnten
Forschungsobjekt der Geningenieure geworden. Viele wurden mit neuen Genen
ausgestattet, um zu zeigen, dass ein neu entwickeltes Verfahren tatsächlich
funktioniert. Andere wurden so verändert, dass sie bestimmte Arzneimittel
produzieren. Oder es wurden Modelltiere entwickelt, mit denen im Labor
Krankheiten oder Genfunktionen erforscht werden. Millionen Versuchstiere
sind dafür in den letzten Jahren „verbraucht“ worden.
Mit den neu entwickelten Manipulationsverfahren wie CRISPR könnte nicht nur
die Anzahl der Gentech-Tiere gewaltig in die Höhe schnellen. Auch das
Spektrum der Tierarten im Gentech-Zoo wird voraussichtlich drastisch
ausgeweitet. CRISPR ist nicht nur einfacher, billiger und schneller als die
bisherigen Manipulationsverfahren. Mit CRISPR können auch Genveränderungen
herbeigeführt werden, die mit den alten Methoden nicht möglich waren.
In einer Zellkultur mit embryonalen Schweinezellen ist es [5][Forschern an
der Harvard University gelungen, insgesamt 62 Kopien eines Gens unschädlich
zu machen], das für die Vermehrung des Schweinevirus PERV verantwortlich
ist. Diese Retroviren gelten als ein großes Gesundheitsrisiko, wenn
Schweine als Organspender eingesetzt werden sollen. An der University of
Missouri ist es einem Forscherteam gelungen, [6][Schweine mittels CRISPR
immun gegen ein schädliches und weit verbreitetes Virus (PRRSV) zu machen.]
Einen Impfstoff gegen dieses Virus gibt es bisher nicht.
In Kalifornien sind mit CRISPR [7][hornlose Rinder] gezüchtet worden. Am
Guangzhou-Institut für Biomedizin und Gesundheit in China hat sich ein
Forscherteam darauf spezialisiert, Hunde zu optimieren. Eines ihrer ersten
Ergebnisse sind [8][Hercules und Tianggou, zwei Beagles, die durch das
Ausschalten einer Genfunktion besonders muskulös sind.] Gedacht wird daran,
diese Hunde speziell für die Polizei oder die Jagd zu optimieren.
Die Forscher arbeiten zudem daran, Hunde mit menschlichen Erbkrankheiten
wie Parkinson oder Muskeldystrophie auszustatten. Sie sollen als Labortiere
zur Erforschung der Krankheiten eingesetzt werden. Etwas weiter sind die
Forscher vom chinesischen [9][Genominstitut BGI. Dort sind Minischweine]
hergestellt worden. Für 1.600 Dollar sollen sie als Haustiere verkauft
werden.
## Salat, Weizen, Reis ...
Genkanonen und Schrottschussexperimente gehören bei Pflanzengenetikern
schon länger der Vergangenheit an. In den letzten drei Jahrzehnten haben
die Geningenieure an ihren Werkzeugen so gefeilt, dass sie immer effektiver
wurden. In den letzten Jahren wurde Genmanipulationen an Pflanzen zumeist
mit Agrobacterium tumefaciens durchgeführt. Mit dem Bodenbakterium, das bei
Pflanzen Tumore auslösen kann, wurden die neuen Gene in das Pflanzengenom
eingeschleust.
Mit den neu entwickelten Gen-Editing-Verfahren wie etwa CRISPR soll das
jetzt nicht nur genauer ablaufen, sondern auch billiger und schneller. So
sollen die transferierten Gene genau an festgelegten Stellen im Genom
eingefügt werden können. Zuvor war es weitgehend dem Zufall überlassen, an
welchen Genorten das neue Gen eingebaut wurde. Auch konnte nicht richtig
gesteuert werden, wie viele Genkopien integriert wurden.
Dazu kommt, dass mit der CRISPR-Methode punktgenau einzelne Basenpaare auf
dem DNA-Strang herausgeschnitten oder ausgetauscht werden können. Ein
Vorteil ist auch, dass in wenigen Wochen eine neue Pflanze kreiert werden
kann. Erste Gewächse sind bereits in den Laboren entstanden: unter anderem
Reis, Weizen, Salat.
Die neue Methode wird aber vor allem als Werkzeug zum Studium der
Genfunktionen eingesetzt. Der schwedische [10][Pflanzenforscher Stefan
Jansson] untersucht zum Beispiel die verschiedenen Prozesse der
Photosynthese in der Modellpflanze Aker-Schmalwand. An der Universität Umeå
bereitet er Freisetzungsversuche vor.
Jansson setzt darauf, dass seine Pflanzen nicht als „gentechnisch
veränderte Organismen“ (GVO) eingestuft werden, sodass er ohne
Genehmigungsantrag und ohne Sicherheitsauflagen ins Freiland gehen kann.
Andernfalls will er seine Freisetzungsexperimente ausfallen lassen.
Gegenüber dem [11][Wissenschaftsmagazin Nature] sagte er, das würde so zu
teuer werden. In den USA sind die Pflanzen schon als Nicht-GVO eingestuft
worden. In der EU wird darüber noch gestritten.
27 Mar 2016
## LINKS
[1] http://link.springer.com/article/10.1007/s13238-015-0153-5
[2] https://www.crick.ac.uk/
[3] http://www.hfea.gov.uk/10187.html
[4] http://www.editasmedicine.com/
[5] http://science.sciencemag.org/content/early/2015/10/09/science.aad1191
[6] http://munews.missouri.edu/news-releases/2015/1208-pigs-that-are-resistant-…
[7] http://www.google.com/patents/US20140201857
[8] https://www.sciencenews.org/article/muscle-gene-edit-creates-buff-beagles
[9] http://www.nature.com/news/gene-edited-micropigs-to-be-sold-as-pets-at-chin…
[10] http://www.upsc.se/researchers/4636-light-senescence-and-natural-variation…
[11] http://www.nature.com/news/europe-s-genetically-edited-plants-stuck-in-leg…
## AUTOREN
Wolfgang Löhr
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