# taz.de -- Ausbreitung des Zika-Virus: Gefährlich und kaum erforscht | |
> Das Zika-Virus breitet sich rasant aus – in insgesamt 23 Ländern wurde es | |
> nachgewiesen. Nun könnte der globale Notstand ausgerufen werden. | |
Bild: Viele Neugeborene mit winzigem Schädel: Zwei Kinder mit einem betroffene… | |
Berlin taz | Es sind die verstörenden Bilder hunderter missgebildeter | |
brasilianischer Babys mit winzigen Schädeln. Und es ist die rasante | |
Geschwindigkeit, mit der sich das durch Mückenstiche übertragene Zikavirus, | |
vermutlich verantwortlich für die schweren Fehlbildungen im Mutterleib, | |
derzeit in Lateinamerika verbreitet. Beides hat die internationale | |
Staatengemeinschaft am Wochenende in Alarmbereitschaft versetzt. | |
Die Generalsekretärin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Chan, | |
warnte vor einer „explosionsartigen Ausbreitung“. Allein in Brasilien gebe | |
es möglicherweise bereits 1,5 Millionen Ansteckungen. Ohne „energische | |
Gegenmaßnahmen“, so Chan, drohten in Nord- und Südamerika 3 bis 4 Millionen | |
Neuinfektionen in diesem Jahr. Insgesamt sei das Virus bislang in 23 | |
Ländern nachgewiesen worden. | |
Am Montag will die WHO in Genf entscheiden, ob sie wegen Zika einen | |
globalen Gesundheitsnotstand ausruft. Zuletzt hatte sie dies 2014 im Kampf | |
gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika getan. | |
Sollte der Notstand verhängt werden, würden die Warn- und | |
Vorsichtsmaßnahmen für die betroffenen Länder deutlich verschärft, | |
Flugreisende müssten sich auf verschärfte Gesundheitskontrollen einstellen. | |
In jedem Fall will die WHO ihre Anstrengungen in der Forschung verstärken, | |
auch zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Virus. | |
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff erneuerte ihre Ankündigung, 220.000 | |
mit Chemikalien ausgerüstete Soldaten in den Kampf gegen die Mücke Aedes | |
aegypti zu schicken – auch im Hinblick auf den brasilianischen Karneval in | |
wenigen Tagen und die Olympischen Spiele im August. | |
In Deutschland will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Zika | |
unterdessen zu einer meldepflichtigen Infektionskrankheit erklären. Die | |
oppositionellen Grünen forderten die Bundesregierung auf, sich für einen | |
internationalen Forschungsfonds einzusetzen und mehr Geld in die Forschung | |
sogenannter vernachlässigter Krankheiten und Impfstoffe zu investieren: | |
„Nun wird sich zeigen, ob aus der Ebola-Epidemie gelernt wurde: Eine | |
weitere Krankheitskatastrophe dürfen wir nicht zulassen“, warnt eine | |
Presseerklärung der Grünen | |
Ob der Vergleich mit Ebola trägt, ist derzeit ebenso offen, wie viele | |
andere Fragen zu dem Erreger, seiner Verbreitung und seinen Auswirkungen | |
ungeklärt sind. Die taz gibt anhand der Einschätzungen von Experten der | |
WHO, des Robert-Koch-Instituts, der Gesellschaft für Virologie, der | |
Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und des Bernhard-Nocht-Instituts | |
für Tropenmedizin einen Überblick über das Wissen, das derzeit zu Zika | |
existiert: | |
Was für ein Virus ist Zika? | |
Das Zikavirus gehört zur Gattung der sogenannten Flaviviren, zu denen auch | |
das Dengue-Virus und das West-Nil-Virus zählen. Entdeckt wurde es erstmals | |
1947 bei einem Rhesusaffen im Zika Forest in Uganda, dem es seinen Namen | |
verdankt. | |
Wie wird Zika übertragen? | |
Das Virus wird in den meisten Fällen übertragen durch Stiche der tropischen | |
Mücken Aedes aegypti, Aedes africanus, Aedes apicoargenteus, Aedes | |
luteocephalus, Aedes vittatus und Aedes furcifer. Einige dieser Stechmücken | |
übertragen auch das Dengue-Virus, das Gelbfieber- oder das | |
Chikungunya-Virus. | |
Die Mücken haben die Rolle eines Vektors: Sie nehmen das Virus auf, wenn | |
sie eine bereits infizierte Person stechen. Dann geben sie es an andere | |
weiter. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch, etwa über Tröpfchen oder | |
Berührungen, schließen Virologen derzeit aus. Als möglich gilt allerdings, | |
dass man sich mit Zika über ungeschützten Geschlechtsverkehr oder | |
Bluttransfusionen anstecken kann. Diskutiert wird auch, ob Säuglinge sich | |
über die Muttermilch infizieren können. | |
Wie gefährlich ist das Zika-Fieber, welche Symptome hat es? | |
Bis vor wenigen Jahren hielten Mediziner das Zikavirus im Vergleich zu | |
anderen tropischen Fiebererkrankungen für harmlos, weil es bei Erwachsenen | |
im Regelfall nur leichtes Fieber, Hautrötungen oder –ausschlag, | |
Gelenkschmerzen und leichte Augenentzündungen hervorruft. Spätestens nach | |
einer Woche klingen die Symptome ab. Die Krankheitsverläufe sind nicht | |
tödlich. Etwa ein Fünftel der gestochenen Menschen merkt gar nichts von der | |
Infektion. Wer einmal an Zika erkrankt ist, ist – nach bisherigem | |
Wissensstand – anschließend immun. | |
Seit drei Jahren wird allerdings diskutiert, ob Zika möglicherweise doch | |
schwerere Gesundheitsschäden auslösen kann: Damals beobachteten Ärzte bei | |
Patienten einen möglichen Zusammenhang zwischen der Zika-Infektion und | |
Lähmungen in Armen und Beinen. | |
Ist das Zikavirus für die Schädelfehlbildungen bei Ungeborenen | |
verantwortlich? | |
Bislang fehlt der wissenschaftliche Nachweis, dass das Virus eine | |
fruchtschädigende Wirkung hat. Nicht bei jedem Kind, dessen Mutter eine | |
Zikavirus-Infektion durchgemacht hat, kommt es zu Fehlbildungen. Auch von | |
früheren Ausbrüchen in anderen Ländern ist dieses Phänomen so nicht | |
bekannt. | |
Dennoch, darüber sind sich Virologen international einig, liegt der | |
Verdacht nahe, dass Infektionen während der Schwangerschaft zu einer | |
sogenannten Mikrozephalie, also einer Fehlbildung des menschlichen Schädels | |
und des Gehirns beim Ungeborenen, führen können. Die Folgen sind kognitive | |
und neurologische Einschränkungen, viele Kinder sind später geistig | |
behindert und in ihrer Entwicklung gestört, andere sterben kurz nach der | |
Geburt. | |
In Brasilien gibt es derzeit etwa 4.200 Verdachtsfälle, aber erst 268 | |
sicher bestätigte. Bei sechs Frauen konnte nachgewiesen werden, dass sie | |
sich zuvor mit Zika infiziert hatten. Seit der systematischen Erfassung im | |
vergangenen Oktober starben 68 Babys. | |
Ist das Virus in der gesamten Schwangerschaft gefährlich? | |
Es ist unklar, ob Mückenstiche nur während bestimmter Phasen der | |
Schwangerschaft besonders gefährlich sind oder ob das Risiko, ein aufgrund | |
einer Zika-Infektion missgebildetes Kind zur Welt zu bringen, während der | |
gesamten Schwangerschaft besteht. Gehirn und Nervensystem entwickeln sich | |
bereits etwa ab der dritten Schwangerschaftswoche und sind am Ende des | |
zweiten Schwangerschaftsmonats fast vollständig angelegt; das Gehirn | |
entwickelt sich aber auch während der verbleibenden sieben | |
Schwangerschaftsmonate. | |
Unklar ist auch, warum die fruchtschädigende Wirkung erst jetzt so massiv | |
auftritt – bei früheren, zahlenmäßig geringeren Ausbrüchen wurde hierüber | |
nicht berichtet; Flaviviren galten bislang als ungefährlich für Kinder im | |
Mutterleib. | |
Wie wird eine Infektion mit Zika behandelt? | |
Bislang existieren weder eine Impfung noch Medikamente, um die Krankheit am | |
Ausbruch zu hindern. Ärzte behandeln Erkrankte ähnlich wie bei einer | |
Grippe: mit Schmerzmitteln, Fiebertabletten, viel Flüssigkeit und vor allem | |
Ruhe. | |
Wie kann man sich schützen? | |
Da es noch keine Impfung gegen das Virus gibt, gelten auch für Zika die | |
üblichen Schutzregeln im Umgang mit Stechmücken: lange Kleidung, | |
Moskitospray (auch zum Imprägnieren der Kleidung), Fenster geschlossen | |
halten. Moskitonetze überm Bett helfen nur bedingt – Aedes aegyti ist | |
tagaktiv. Schwangere mit Fieber, Hautrötungen oder Kopfschmerzen sollten | |
zum Arzt gehen. Relativ sicher können sich Menschen fühlen, die auf mehr | |
als 2.200 Meter Höhe leben – dort kommt die Mücke in der Regel nicht mehr | |
vor. | |
Kann sich Zika auch in Deutschland ausbreiten? | |
Hierfür gibt es nach Auskunft der Experten derzeit keinerlei Anzeichen. | |
Aedes aegypti kommt in Deutschland gar nicht vor, und die verwandte Art | |
Aedes albopictus nur äußerst selten. Zudem sind die klimatischen | |
Bedingungen in Deutschland nicht so, dass Mücken, die Zika übertragen, hier | |
überleben könnten. Wäre dies der Fall, dann hätte sich längst das | |
Dengue-Fieber, das sich seit Jahren sehr viel stärker ausbreitet als das | |
Zikavirus, in Deutschland breitgemacht. Die wenigen in Deutschland | |
registrierten Zika-Infizierten hätten nach Auskunft der Experten die | |
Erkrankung direkt aus anderen Ländern hier eingeschleppt. Möglich wäre | |
aber, dass das Virus durch ungeschützten Sex von Mensch zu Mensch | |
übertragen werden kann. | |
Warum breitet sich Zika ausgerechnet jetzt und ausgerechnet in | |
Lateinamerika so rasant aus? | |
Weil Lateinamerika hierfür die idealen Voraussetzungen bietet: ein großer | |
Kontinent, viel Reiseverkehr, eine weit verbreitete Moskito-Art, die sich | |
im südamerikanischen Sommer rasch vermehrt, und ungeschützte Menschen. | |
31 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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