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# taz.de -- Ausbreitung des Zika-Virus: Die Profiteure des Plastikmülls
> Die Mücken haben ein neues Superbiotop gefunden: Plastikabfall in jeder
> Form. Zusammen mit Wasser wirkt er als Brutbeschleuniger.
Bild: Perfektes Umfeld für die Zika-Mücke: Plastikmüll
Die Probleme der Darstellung des Zika-Virus und seiner Folgen für
ungeborene Kinder fangen in der Regel schon mit der Mücke an. Man sieht
nicht selten große, offene Buschlandschaften mit stehenden oder langsam
fließenden Gewässern, die die Biotope beschreiben sollen, in denen sich die
Mücke entwickelt, die als Überträger des Virus ausgemacht wurde. Doch genau
in diesen vergleichsweise „wilden“ Landschaften wird man die Zika- oder
Gelbfieber- oder Ägyptische Tempelmücke Aedes aegypti, wie sie
wissenschaftlich heißt, gerade nicht finden.
Im Unterschied zur Malaria übertragenden Mücke Anopheles gambiae, die sich
tatsächlich in tropischen Busch-, Wald- und Sumpflandschaften entwickelt
und lebt, ist die Zikamücke schon seit ewigen Zeiten anthropogen. Das
heißt, sie lebt ausschließlich in der Nähe menschlicher Siedlungen. Und aus
diesen menschlichen Siedlungen heraus hat sich die Mücke von Afrika über
die Tropen und Subtropen der Erde ausgebreitet. Merkwürdigerweise
entfaltete sie aber ihre schrecklichen Folgen zuerst in Mittel- und
Südamerika. So musste der Bau des Panamakanals zeitweilig gestoppt werden,
weil Tausende der Arbeiter unter anderem an Gelb- und Denguefieber starben,
deren Erreger von Aedes aegypti übertragen worden sind.
Es hatte schon damals etwas gedauert, bis man die unheimliche Verbindung
der Mücke zu den Aktivitäten der Bauarbeiten selbst realisierte. Mit der
Gelbfiebermücke verhielt es sich nämlich anders als mit der Malariamücke.
Diese war bereits in den sumpfigen Tropenwäldern vorhanden, in die man den
Kanal baute. Die Biotope für die Gelbfiebermücke wurden mit den Arbeitern
und Ingenieuren des Kanals höchstpersönlich in den Dschungel von Panama
gebracht.
Der durch eine weiße leierartige Zeichnung auf der Rückenseite des
Brustabschnitts gekennzeichneten Mücke genügen kleinste Wasseransammlungen,
um ihren Fortpflanzungszyklus zu starten. Die Mücken legen ihre Eier in
Pfützen auf Straßen, in Tonnen, Kühlwasserbehältern alter Autowracks,
Baumhöhlen, Blattachseln, Bambusstängeln oder in Regenwasserfängen auf
Dächern. Die spindelförmigen schwarzen Eier platzieren sie am Rand dieser
Kleinstgewässer. Bei den hohen Temperaturen in den Tropen entwickeln sich
die Tiere innerhalb von zehn Tagen. Dabei sind die Larven in der schnellen
Entwicklungszeit auch noch äußerst anspruchslos.
## Nach DDT-Verbot ist die Lage komplizierter
Zu Zeiten des Kanalbaus in Panama genügte ein unachtsam stehen gelassener
Eimer, um die nächste Generation der stechenden Biester auf die Arbeiter
loszulassen. Das hieß aber auch, dass man den Mücken, als man diesen
Mechanismus erkannt hatte, relativ einfach beikommen konnte. In den 1960er
Jahren war die Mücke in Südamerika so weit bekämpft, dass sie kaum noch
eine Gefahr darstellte. Die Methoden waren simpel. Zuerst wurden Behälter
aller Art mit Öl oder Kerosin ausgesprüht. Später wurde flächendeckend das
Pestizid DDT eingesetzt.
Heute aber, nachdem DDT verboten wurde, ist die Lage wesentlich
komplizierter. Die Mücken haben gegen viele Pestizide Resistenzen
entwickelt, die menschliche Bevölkerungsdichte hat rapide zugenommen, und
die Mücken selbst haben ein neues Superbrutbiotop gefunden: Plastikabfall
in jeder Form. Wobei die kleineren Trinkflaschen so etwas wie den absoluten
Hit darstellen. Die Mücken finden in den Minipfützen in alten,
weggeworfenen Plastikflaschen die optimalen Fortpflanzungsbedingungen. Hier
drinnen ist es noch mal wärmer, als es draußen sowieso schon ist, was den
genügsamen Larven hervorragende Wachstumsmöglichkeiten bietet. Ihre besten
Ausbreitungsbedingungen haben die Mücken bisher unter anderem in den Slums
der großen Städte Brasiliens gefunden. Und hier kann man eine doppelte
Korrelation finden.
Zum einen lässt sich die Geschichte des rapiden Anstiegs der Population der
Zikamücke Aedes aegypti in Korrelation setzen zur Ausbreitung von
Plastikflaschen und Plastikverpackungen. Zum anderen kann man den Anstieg
von Plastikprodukten mit Phasen des wirtschaftlichen Aufschwungs bzw. dem
steigendem Wirtschaftswachstum in Verbindung bringen. Auch wenn Brasiliens
ökonomische Entwicklung stagniert, gehörte das Land in den vergangenen
Jahren zu jenen, in denen das Wirtschaftswachstum unendlich steigerbar
erschien. Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und
Plastikproduktionssteigerung wurde bis zur Krise 2008 eher als Zufall
betrachtet.
Da die Plastikproduktion seitdem tatsächlich deutlich zurück gegangen ist,
gilt diese Korrelation als einigermaßen sicher. Nicht nur für die
Verbreitung des Zika-Virus lässt dies schlimme Ahnungen zu. Schätzungen
gehen davon aus, dass sich die Kunststoffproduktion seit den 1950er Jahren
mehr als verhundertfacht hat: von etwa 2 Millionen Tonnen jährlich auf 299
Millionen Tonnen im Jahr 2013.
Aedes aegypti zählt besonders in Regionen, in denen die Plastikprodukte
weder entsorgt noch recycelt werden, zu den tierischen Profiteuren der neu
geschaffenen Plastikbiotope. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 80
Prozent des Plastikmülls in den ärmeren Teilen der großen Städte in den
Tropenregionen der Welt einfach liegen bleiben und nicht von der Müllabfuhr
beseitigt werden. Für die Ausbreitung und Vermehrung der Mücke sind das
fast ideale Verhältnisse. Für die Übertragungswege des Zika-Virus
allerdings auch.
## Bedrohung wird kaum abnehmen
Der bisher in deutschen Medien wenig betonte Aspekt, dass die am meisten
von dem Virus Betroffenen Kinder aus ärmeren bis ärmsten Regionen in den
südamerikanischen Städten sind, wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Die
Bedrohung dort wird kaum abnehmen. Auch deshalb, weil brasilianische
Wissenschaftler neue Mückenformen ausfindig gemacht haben, die als
Überträger des Virus infrage kommen.
Die Identifizierung des Plastikmülls als Entwicklungs- und
Ausbreitungsbeschleuniger der Mücken lässt hoffen. Wenn man einmal weiß,
wodurch den Mücken ihre rasante Vermehrung in den letzten Jahren ermöglicht
wurde, kann man an diesem Punkt auch relativ einfach versuchen, sie wieder
einzudämmen. Um das Virus zu bekämpfen, muss man sich nicht in seine
hochkomplexen molekularen Grundlagen und die Auswirkungen auf menschliche
Embryonen einarbeiten.
Man muss nur dafür sorgen, dass der Plastikmüll dem Lebenszyklus der Mücken
entzogen wird, die Wasserversorgung in den betroffenen Stadtteilen geregelt
und die Kanalisation auf einen funktionsfähigen Stand gebracht wird.
29 Apr 2016
## AUTOREN
Cord Riechelmann
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