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# taz.de -- Gentechnik gegen Infektionskrankheiten: Fabrik der Mückentrojaner
> Brasilien will das tödliche Denguefieber mit Insekten bekämpfen, deren
> Erbgut verändert ist. Kritiker fürchten die Folgen der Massenproduktion.
Bild: So sieht sie aus, die fiese Mücke. Hier allerdings nur bei einem Laborte…
RIO taz | Aedes aegypti ist eine fiese Mücke. Sticht sie eine mit dem
Denguefieber infizierte Person, überträgt sie die manchmal tödliche
Tropenkrankheit beim nächsten Blutsaugen. Nur die weiblichen Insekten sind
dazu in der Lage, die männlichen dienen nur der Fortpflanzung.
In Brasilien, dem von Dengue am stärksten betroffen Land, sollen die Mücken
jetzt ausgerottet werden – mithilfe der Gentechnik. Das britische
Pharmaunternehmen Oxitec und die brasilianische Moscamed haben Ende Juli in
Campinas nahe der Millionenstadt São Paulo ein erstes Werk zur Produktion
männlicher Mücken eingeweiht.
Ihnen wird ein artfremdes Gen eingepflanzt, das sie zwar nicht steril
macht, ihre Nachkommen verenden aber bei den ersten Flugversuchen. Die
Weibchen können die echten und falschen Stammhalter nicht unterscheiden.
Mangels überlebensfähiger Nachkommen soll so die ganze Population
aussterben.
Bis zu zwei Millionen trojanische Mückenmännchen können in Campinas jede
Woche hergestellt werden. Eine Genehmigung für den kommerziellen Einsatz
der Genmücke gibt es noch nicht, die Gesundheitsbehörde prüft noch. Doch
die Nationale Kommission für Biosicherheit CTNBio hat dem Einsatz der
Genmücke bereits Anfang April ihr Plazet gegeben.
## Erste Freilandversuche erfolgreich
Die Kommission gilt als industrienah und wird von Lobbyisten der
Gentech-Unternehmen wie Monsanto und Bayer kontrolliert. Sie ist dafür
verantwortlich, dass genetisch verändertes Soja, veränderter Mais und
andere Nutzpflanzen inzwischen die brasilianische Landwirtschaft
dominieren, ähnlich wie in Paraguay und Argentinien.
Obwohl Anvisa kritischer ist, dürfte auch diese Behörde bald grünes Licht
geben. Das Gesundheitsministerium ist von der Methode überzeugt, seitdem
erste Freilandversuche im Jahr 2011 im Bundesstaat Bahia gezeigt haben,
dass die Zahl der Dengue-Mücken durch den Gentech-Einsatz um rund 80
Prozent verringert wurde.
Das Tropenfieber ist ein großes Problem in Brasilien: Im ersten Halbjahr
2014 gab es rund 660.000 Dengue-Erkrankungen, 249 Menschen überlebten die
Virusinfektion nicht. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO stecken sich
weltweit jährlich 100 Millionen Menschen mit Dengue an. Die Krankheit führt
zu hohem Fieber und starken Kopf- und Gliederschmerzen. Bei einer zweiten
Ansteckung drohen innere Blutungen, die tödlich verlaufen können.
## Unbekannte Folgen befürchtet
Für die Kritiker der Gentechnik ist die Eröffnung der Mückenfabrik ein
Skandal. Zahlreiche Wissenschaftler warnen vor unbekannten Folgen, weil die
Entwicklung der verkümmerten Nachkommen der Genmücken nicht ausreichend
untersucht ist. Zudem könne die Genmanipulation andere Pflanzen und Tiere
beeinflussen sowie ungehindert auf andere Länder des Kontinents
übergreifen.
Gentechkritische NGOs halten die Ergebnisse der Freilandtests für
unvollständig. Die jüngste Entwicklung scheint ihnen recht zu geben: In
Jacobina, reduzierte ein solcher Versuch die Mücken deutlich, dennoch wurde
im Februar der Ausnahmezustand wegen „anormal hohen Aufkommens von
Dengue-Fällen“ ausgerufen.
Forscher fürchten, dass es trotz weniger Mücken zu mehr Übertragungen
kommen kann. „Ohne ausreichende Beweise für die Wirksamkeit der
Gentech-Mücken darf dieses Verfahren auf keinen Fall genehmigt werden,“
sagt Gabriel Fernandes von der Organisation AS-PTA in Rio de Janeiro.
4 Aug 2014
## AUTOREN
Andreas Behn
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Brasilien
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