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# taz.de -- Dengue-Fieber in Mittelamerika: Der Fluch der Tigermücke
> Dengue-Fieber breitet sich weltweit weiter aus. Besonders aggressiv
> gebärden sich die Überträger in Mittelamerika. Auch in Europa gibt es
> zunehmend Infizierte.
Bild: Giftnebel gegen Denguefieber: Gegenmaßnahmen in Nicaragua.
HAMBURG taz | Das Plakat an der Hauswand eines Hinterhofs in Havanna ist
eindeutig. Ein Ölfass, das mit Wasser gefüllt in einer Ecke steht, ist mit
zwei dicken roten Balken durchgestrichen. Gleiches gilt für eine Schale im
Blumenbett und für eine Radkappe, die am einem Kantstein liegt. Unter den
drei Zeichnungen prangt eine dicke, gefräßige Mücke, unter der ein Haufen
weißer Eier liegt. Das Plakat soll die Bewohner in dem Hinterhof im Zentrum
Havannas vor einer der derzeit aggressivsten Virusinfektionen warnen – dem
Dengue-Fieber.
Das grassiert in Mittelamerika. In Honduras rief die Regierung Ende Juli
den nationalen Notstand angesichts von 17 Todesopfern und mehr als 16.000
Infizierten aus. Im benachbarten Nicaragua sind bisher 6 Tote zu beklagen.
Die Zahl der Infizierten pendelt um die 2.000, und ein Ende der
epidemischen Infektionswelle ist in der Region nicht abzusehen.
Einen Grund meint Ricardo Aguilar Noguera vom klinischen Labor Barrios in
der Provinzstadt Chinandega gefunden zu haben. Der Arzt hat in einem
Artikel der Tageszeitung El Nuevo Diario Anfang August darauf hingewiesen,
dass der Überträger des Virus, die asiatische Tigermücke, extrem aggressiv
sei.
Bei Versuchen sei sie ohne Weiteres in der Lage gewesen, mehr als acht
Kilometer zu fliegen, und sie sei auch resistenter gegen Insektizide, so
der Mediziner. Aguilar Noguera vermutet daher, dass bei den Mücken eine
Veränderung im Erbgut vorliegt, die auch für die hohe Infektionszahl in
Mittelamerika verantwortlich sein könne.
Eine These, die von Experten wie Luis Castellanos von der
[1][Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (Paho]) nicht geteilt wird.
Schließlich sei es nicht das erste Mal, dass die Infektionszahlen
epidemischen Charakter haben. Schon 2010 seien 1.699.072 Infektionen mit
Dengue-Fieber bekannt geworden.
In diesem Jahr seien bisher knapp 1,4 Millionen Fälle zwischen Alaska und
Feuerland registriert worden, berichtete der guatemaltekische Experte zum
Auftakt der 13. Internationalen Dengue-Konferenz in Havanna. Die läuft bis
zum 23. August am [2][Institut für Tropenmedizin „Pedro Kouri“]. Dort
analysieren rund 300 Fachleute aus der Region die derzeitige Situation, den
Forschungsstand und die Herausforderungen.
## Rapider Anstieg der Infektionszahlen
Die sind beachtlich, gleichwohl bescheinigt Paho-Mann Castellano den
Ländern auch Fortschritte. So ist die medizinische Versorgung besser, was
sich in der sinkenden Zahl von Opfern niederschlage. Gleichwohl sei der
Anstieg bei den Infektionszahlen „monumental“.
Verantwortlich dafür ist vor allem die Globalisierung. Die Mücken sind dank
zunehmenden Verkehrs zwischen den Ländern, Regionen und auch Kontinenten
unterwegs – auf Lastwagen, an Bord von Fracht- und Passagiermaschinen sowie
an Deck von Schiffen. „Dabei ist die Mücke kaum zu kontrollieren, weil ihre
Eier nur ein Minimum an Wasser benötigen, zeitweise auch ohne auskommen und
sich so schnell verbreiten“, erklärt Jonas Schmidt-Chanasit, Privatdozent
am [3][Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin] in Hamburg.
Mit der Mücke kommt oft auch der Virus, von dem bisher vier verschiedene
Serotypen bekannt sind und der seinen Ursprung in Afrika und in Asien hat.
In Lateinamerika, vor allem in Mittelamerika und dem nördlichen Südamerika,
ist der Virus allerdings schon weit verbreitet. Relativ neu ist die Zunahme
der Infektionszahlen weiter südlich, so zum Beispiel in Brasilien, wo in
Rio de Janeiro kürzlich hohe Infektionszahlen registriert wurden, meint
Virusdiagnostiker Schmidt-Chanasit.
## Hohe Dunkelziffer
Dabei ist er sich sicher, dass die Dunkelziffer extrem hoch ist. „Die
meisten Infektionen werden kaum registriert, weil sie asymmetrisch
verlaufen und nur leichte Beschwerden hervorrufen. Die werden als Erkältung
oder Grippe abgetan, nicht aber als Dengue-Fieber.“
Ein weltweit verbreitetes Phänomen, so eine im April veröffentlichte
britische Studie. Die im Fachmagazin Nature veröffentlichte Untersuchung
beziffert die nicht registrierten Dengue-Infektionen auf rund 300
Millionen.
Hinzu kommen die 50 Millionen bis 100 Millionen Infektionen, die von der
Weltgesundheitsorganisation weltweit registriert werden. Zahlen, die
deutlich machen, wie verbreitet das Dengue-Fieber mittlerweile rund um die
Erdkugel ist.
## Ankunft in Europa
Auch vor Europa macht der Virus nicht halt. Nachdem in Kroatien 2010 ein
erster Fall registriert wurde, folgten 2011 zwei Fälle in Frankreich und
einer in Griechenland. Im Oktober 2012 läuten dann die Alarmglocken als
rund 2.000 Patienten auf Madeira über hohes Fieber, starke Kopfschmerzen
und Hautausschläge, die typischen Symptome, klagten.
Sie hatten sich auf der portugiesischen Insel mit dem Fieber infiziert.
Überträger war aber nicht wie in Latein- und Mittelamerika die asiatische
Tigermücke, sondern die Gelbfiebermücke, so Virusdiagnostiker
Schmidt-Chanasit. „Zwar lebt die Tigermücke auch in Baden-Württemberg und
Bayern, aber die Übertragung scheint hier nicht so recht zu klappen.“
Zum Glück kann man hinzufügen. Zumal die Kosten für die Bekämpfung der
Mücken hoch sind. „Da kommen schnell etliche Millionen zusammen. Zudem muss
man aufpassen, dass die infizierten Patienten nicht erneut mit den Mücken
in Kontakt kommen. Dann kann der Virus ja erneut aufgenommen und weiter
verbreitet werden.“
## Suche nach Impfstoff
Das ist nicht nur in Lateinamerika bisher kaum leistbar und ein Grund,
weshalb dort, aber auch in Afrika, Asien und Europa, die Ausbreitung des
Dengue-Fiebers fortschreitet. Der andere ist die Tatsache, dass es bisher
keinen Impfstoff gibt. Zwar wird in den USA, Großbritannien, Singapur und
Kuba an Impfstoffen geforscht, aber die Perspektiven sind alles andere als
rosig.
„Der am weitesten entwickelte Impfstoff bietet laut den ersten Tests keinen
Schutz gegen Serotyp IV. Das ist ein gravierendes Problem. Zudem gibt es
keine ausreichenden Forschungen, sodass niemand ausschließen kann, dass es
nicht noch einen fünften Serotyp gibt“, kritisiert Schmidt-Chanasit.
Das ist ein Problem, mit dem sich auch die Experten auf der
Dengue-Konferenz in Kuba beschäftigen.
24 Aug 2013
## LINKS
[1] http://www.paho.org/hq/index.php?lang=en
[2] http://instituciones.sld.cu/ipk/
[3] http://www.bni-hamburg.de/
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Mittelamerika
Denguefieber
Kuba
Mücken
Brasilien
Karibik
Honduras
Schwerpunkt Klimawandel
Giftmüll
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