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# taz.de -- Debatte Umweltpolitik in Ecuador: Global heucheln, lokal bohren
> In Paris forderte Ecuadors Präsident einen Internationalen
> Umweltgerichtshof. Zu Hause geht Rafael Correa gnadenlos gegen Aktivisten
> vor.
Bild: Ölfördergebiet: Yasuní-Nationalpark.
Für sein Versprechen, das Öl im Nationalpark Yasuní unter der Erde zu
lassen, war Ecuadors Präsident Rafael Correa einst gepriesen worden. Doch
dann änderte er seine Meinung und erlaubte die Förderung, um Öl an China
verkaufen zu können. Nun wiederum hat er beim Gipfel in Paris einen neuen
Vorschlag unterbreitet, um den Klimawandel einzudämmen. Correa macht Druck
auf die Industrieländer, um einen Internationalen Umweltgerichtshof
einzurichten, der die Macht haben soll, alle Angriffe auf die Umwelt zu
sanktionieren.
So lobenswert es ist, globale Rechenschaft für zum Klimawandel beitragende
Umweltverbrechen einzufordern: Der Vorschlag zieht alle rhetorischen
Register einer Regierung, die Umweltaktivisten im eigenen Land mit
Repression überzieht und internationale Übereinkommen umgeht, um die
Profite aus der Ausbeutung natürlicher Ressourcen maximieren zu können.
Die Ölförderung im Yasuní-Nationalpark ist dabei nur das bekannteste
Umweltverbrechen in Ecuador. Jahrelang versprach die Regierung, diesen
vielleicht mit der weltweit größten Biodiversität ausgestatteten Hotspot zu
schützen. Dann entschied sie sich für die Förderung und ignorierte massive
soziale Proteste, in denen ein Referendum über die Ölförderung gefordert
wurde. Heute haben Ölfirmen Förderlizenzen für rund 60 Prozent des
Nationalparks.
Die Umweltbewegung YASunidos zeigte Ecuador bei der Interamerikanischen
Menschenrechtskommission an, aber die Regierung hielt es nicht einmal für
nötig, zu deren Anhörung zu erscheinen. Später verhinderte Ecuador, dass
eine Delegation des Deutschen Bundestags den Yasuní-Park besuchte, weil
diese vorhatte, auch Fördergegner zu treffen.
## Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen
Ein Teil des Problems besteht darin, dass Ecuador immer stärker von der
Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen abhängt. Chinas Energiebedarf hat
einen Boom der Förderindustrien angeschoben. Im Ergebnis haben viele
Regierungen nicht nur symbolisch ihr Land zum Verkauf angeboten.
In Chile und Peru werden derzeit rund 20 Prozent des nationalen
Territoriums entweder auf Ausbeutungsmöglichkeiten untersucht oder stehen
bereits zum Verkauf. In Kolumbien hat Präsident Juan Manuel Santos rund 40
Prozent des Landes für Abbaulizenzen an Bergbau- oder Ölförderfirmen
geöffnet. Selbst Mexiko hat vor Kurzem seinen staatlich kontrollierten
Energiesektor für private ausländische Investitionen im Bereich der Öl- und
Gasförderung geöffnet – zum ersten Mal seit 1938.
Dieser „Extraktivismus“ ist gekennzeichnet durch die intensive Aneignung
und Ausbeutung natürlicher Ressourcen ohne weitere Veredelung. Zur
Ausbeutung von Edelmetallen wie Silber, wie wir sie aus der Kolonialzeit
kennen, sind Erdölförderung, Monokulturen wie Soja und intensive
Landwirtschaft, vor allem Viehzucht, hinzugekommen. Nach Angaben der
UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika, Cepal, macht der Rohstoffabbau
inzwischen 90 Prozent der Exporte Ecuadors, Venezuelas und Boliviens aus.
Selbst in industrialisierten Ländern wie Argentinien und Brasilien stehen
Rohstoffausfuhren inzwischen für 66,9 beziehungsweise 63,6 Prozent der
gesamten Exporte.
Zugegeben, es ist schwierig, die Abhängigkeit vom Rohstoffexport so einfach
umzudrehen. Ein internationaler Gerichtshof könnte tatsächlich versuchen,
die Straflosigkeit von im Zusammenhang damit von Regierungen oder
Unternehmen begangenen Verbrechen zu bekämpfen.
In Ecuador sind über 200 Umweltaktivist_innen strafrechtlicher Verfolgung
ausgesetzt. Die Fälle gehen von Studierenden, die der Sabotage angeklagt
oder ohne jedes Verfahren festgehalten werden, weil sie Naturrechte
diskutiert haben, bis zu indigenen Verteidigern von Wasserrechten.
Kolumbiens Regierung hat Proteste gegen die Bergbauindustrie kurzerhand für
illegal erklärt. Peru hat angesichts der Proteste gegen die Congo-Mine den
Ausnahmezustand ausgerufen. Brasiliens Agrobusiness ist ein regelrechtes
Killing Field. Der Stamm der Kaiowá-Guaraní hat eine höhere Rate
gewaltsamer Tode als manches Kriegsgebiet: ungefähr 500-mal höher als der
brasilianische Durchschnitt.
Die Beobachtungsstelle für Bergbaukonflikte in Lateinamerika (Ocmal)
schätzt, dass in der Region derzeit 195 Bergbaukonflikte im Gang sind.
Einfache Leute, die sich gegen umweltzerstörende Industrien wie Abholzung,
Bergbau, Agrobusiness oder Wasserkraftwerke auflehnen, sind am stärksten in
Gefahr. Nach Angaben der Organisation Global Witness werden jede Woche
weltweit zwei Umweltaktivisten umgebracht. 40 Prozent der Getöteten sind
Ureinwohner, obwohl indigene Völker nur 5 Prozent der Weltbevölkerung
ausmachen.
## Mutiger Widerstand
Lokale Bauerngemeinschaften versuchen tapfer, ihre Regierungen unter
Berufung auf das in der ILO-Konvention 169 und der UN-Konvention über die
Rechte indigener Völker festgeschriebene Recht auf Selbstbestimmung zur
Verantwortung zu ziehen. Sie tragen ihre Anliegen vor internationale
Gerichte, und sie gewinnen. Der Interamerikanische
Menschenrechtsgerichtshof zum Beispiel hat einen Präzedenzfall geschaffen,
als er Ecuador verurteilte, weil die Regierung einer ausländischen Ölfirma
die Förderung auf indigenen Ländereien erlaubt hatte.
Die Regierung hat das Urteil aber noch immer nicht umgesetzt. Das Urteil,
den Bau des Belo-Monte-Staudamms in Brasilien zu stoppen, stieß bei der
Regierung von Dilma Rousseff genauso auf taube Ohren wie das Urteil zum
Schutz in freiwilliger Selbstisolation lebender Völker im
Yasuní-Nationalpark bei Präsident Correa. Regierungen ignorieren
routinemäßig Entscheidungen, die sie unakzeptabel finden.
Es reicht nicht, in Paris zur Verantwortung für das Klima aufzurufen, wenn
gleichzeitig chinesische und westliche Unternehmen weiterhin ungehindert im
Amazonasgebiet nach Öl bohren. Statt einen Internationalen Gerichtshof zu
fordern, könnte Präsident Correa selbst etwas für den Klimaschutz tun,
indem er die Rechte von Umweltaktivisten und die bereits bestehenden
internationalen Konventionen beachtet.
Aus dem Englischen von Bernd Pickert
14 Dec 2015
## AUTOREN
Manuela Lavinas Picq
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Ecuador
Umweltschutz
Umweltschäden
Bodenschätze
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Erdöl
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