| # taz.de -- Kampagne für Fluchthilfe im Urlaub: Rübermachen auf dem Rücksitz | |
| > Aktivisten fordern zum zivilen Ungehorsam auf. Touristen sollen | |
| > Geflüchtete mit über die Grenze nehmen – im Privatauto. | |
| Bild: Asylbewerber in einem Zug in Ungarn. | |
| BERLIN taz | Schon mal überlegt, auf dem Rückweg aus dem Urlaub einem | |
| Flüchtling über die Grenze zu helfen? Mit einer Kampagne für zivilen | |
| Ungehorsam fordern Aktivisten deutsche Touristen zur Fluchthilfe auf. Das | |
| sei einfacher und weniger riskant, als viele glaubten, sagt einer der | |
| Aktivisten des Berliner [1][Peng-Kollektivs], das die Kampagne am | |
| Montagmorgen startete. Alles was es brauche, sei ein freier Platz im Auto. | |
| „Das Asylrecht in der EU ist zur Farce geworden, weil keine legalen | |
| Einreisewege nach Deutschland bestehen, um das Grundrecht auf Asyl in | |
| Anspruch zu nehmen“, kritisiert der Aktivist, der nicht namentlich genannt | |
| werden will. | |
| Hintergrund der Kritik sind die sogenannten Dublin-Regelungen der EU. Sie | |
| schreiben Geflüchteten vor, in dem Land Asyl zu beantragen, in dem sie | |
| zuerst EU-Boden betreten. In allen anderen Ländern droht die Rückschiebung. | |
| „Es ist fast unmöglich, Deutschland als ersten Staat zu erreichen“, so der | |
| Aktivist. „Und Fluchthilfe wird kriminalisiert, doch sie ist notwendig für | |
| eine freie Gesellschaft“. | |
| Um die Dublin-Regelungen zu umgehen, wollen die Polit-Aktivisten vom | |
| Peng-Kollektiv vor allem den Schengen-Raum nutzen, in dem Grenzkontrollen | |
| weitgehend wegfallen. Anders als Busse und Bahnen kontrolliere die Polizei | |
| Privatautos nur stichprobenartig. Für Urlauber sei es daher kein großer | |
| Aufwand, Fluchthilfe zu leisten. „Mit unserer Kampagne wenden wir uns an | |
| all diejenigen, die bereit sind zivilen Ungehorsam zu leisten“, erklärt der | |
| Aktivist – etwa Sitzblockierer, die in der Vergangenheit etwa an | |
| Anti-Atom-Protesten teilgenommen haben. | |
| ## Anleitung zur Fluchthilfe | |
| Auf der [2][Website der Kampagne] haben die Aktivisten Tipps für | |
| Fluchthelfer zusammengetragen: Wo finde ich Fluchtwillige? Zum Beispiel in | |
| Bahnhofsnähe in norditalienischen Städten. Welche Route wähle ich? | |
| „Fluchthilfe-Anfänger“ sollten sich auf den Schengenraum konzentrieren, | |
| Nebenstrecken wählen, und grundsätzlich gelte: „Meidet Raststätten in | |
| Grenznähe.“ Und wenn ich doch erwischt werde? Aussage verweigern. | |
| Auch ein „Starterkit“ für Fluchthelfer haben die Kampagnen-Macher | |
| vorbereitet. Darin: eine Straßenkarte, Sonnenblenden, damit die Polizei | |
| Personen auf der Rückbank nicht erkennt, und Deutschlandfahnen für die | |
| Rückspiegel – als Tarnung. | |
| Das Risiko, das die Fluchthelfer eingingen, sei relativ gering, sagt der | |
| Mit-Initiator der Kampagne. „Natürlich besteht ein Restrisiko“. Doch wer | |
| einmalig Fluchthilfe leiste und keine Gegenleistung in Anspruch nehme, | |
| könne im unwahrscheinlichen Fall, dass er erwischt werde, mit einer milden | |
| Strafe oder gar der Einstellung des Verfahrens rechnen. | |
| Sollten für die Fluchthelfer Prozesskosten entstehen, wollen die Aktivisten | |
| mit einem [3][Rechtshilfefonds, der ab diesem Montag durch Crowdfunding | |
| gefüllt werden soll], die Kosten übernehmen. | |
| ## „Europäisches Verdienstkreuz“ für die Fluchthelfer | |
| Auch eine kleine Geschichte der Fluchthilfe gibt es auf der | |
| Kampagnen-Website – angefangen bei Fluchthelfern in den USA des 18. | |
| Jahrhunderts, die Sklaven halfen, in den Norden zu gelangen, bis hin zu | |
| jenen, die Menschen aus der DDR beim „Rübermachen“ unterstützten. Legal s… | |
| Fluchthilfe in den betreffenden Staaten nie gewesen. Im [4][Video, das die | |
| Kampagne begleitet], heißt es: „Das eigentliche Urteil wird nicht vor | |
| Gericht, sondern in den Geschichtsbüchern gesprochen.“ | |
| Um das zu verdeutlichen, knüpfen die Kampagnenmacher an die deutsche | |
| Geschichte an: „Viele der Menschen, die die DDR verlassen wollten, würden | |
| heute als Wirtschaftsflüchtlinge abgestempelt werden“, sagt der Aktivist. | |
| Für die Kampagne hat das Kollektiv auch Burkhart Veigel gewinnen können, | |
| der in den sechziger Jahren als erfolgreicher Fluchthelfer in der DDR aktiv | |
| war und sich im Kampagnen-Video zitieren lässt. Für seine nach DDR-Recht | |
| illegalen Aktionen erhielt der mittlerweile 77-Jährige 2012 das | |
| Bundesverdienstkreuz am Bande. | |
| Das hat das Peng-Kollektiv zu einem fiktiven „Europäischen Verdienstkreuz | |
| am Bande“ für heutige Fluchthelfer motiviert. Die Auszeichnung soll am | |
| Freitag in Berlin verliehen werden. Begleitet wird die Aktion von einer | |
| Plakatkampagne. Über 1.000 Plakate mit dem Slogan „Retter Leben“ sollen | |
| nach Angaben der Aktivisten in deutschen Städten für Fluchthilfe werben. | |
| Mit seinen Aktionen will das Peng-Kollektiv – ähnlich dem ungleich | |
| bekannteren „Zentrum für politische Schönheit“ – in aktuelle Debatten | |
| eingreifen. In ihrer letzten Aktion im April veranstalteten die Aktivisten | |
| [5][eine gefälschte Pressekonferenz in der Berliner | |
| Vattenfall-Geschäftsstelle]. Das Unternehmen plane, bis 2030 auf | |
| erneuerbare Energien umzusteigen und 1.000 Klimaflüchtlinge aufzunehmen, | |
| verkündete ein angeblicher Vattenfall-Sprecher. Das Energieunternehmen | |
| reagierte gelassen und sah von rechtlichen Schritten gegen das Kollektiv | |
| ab. | |
| 3 Aug 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.pen.gg/ | |
| [2] http://www.fluchthelfer.in | |
| [3] http://www.fluchthelfer.in/#unterstuetzen | |
| [4] http://www.youtube.com/watch?v=kYszLc6iYTU | |
| [5] /!5010978/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jannis Hagmann | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Flüchtlinge | |
| Asyl | |
| EU | |
| DDR | |
| Ziviler Ungehorsam | |
| Peng Kollektiv | |
| Zentrum für Politische Schönheit | |
| Flüchtlinge | |
| Flüchtlinge | |
| Blogger | |
| Asylsuchende | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Peng Kollektiv | |
| Christopher Street Day | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Flüchtlinge | |
| Flüchtlinge | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Aktion des Peng-Kollektivs: Klauen für den guten Zweck | |
| Aktivist*innen rufen zu zivilem Ungehorsam auf: Statt im Supermarkt zu | |
| zahlen, soll das Geld der Kund*innen direkt an die Erzeuger gehen. | |
| Rettungsinsel für Flüchtlinge: Größenwahn als Kunstprojekt | |
| Das Zentrum für Politische Schönheit verankert eine Rettungsplattform im | |
| Mittelmeer – als Vorgeschmack auf ein „Jahrhundertprojekt“. | |
| Österreicher chauffiert Asylsuchende: Nackt bei der bayerischen Polizei | |
| Er brachte eine Flüchtlingsfamilie zur deutschen Grenze. Nun drohen einem | |
| Österreicher bis zu 10 Jahre Haft – wegen des Vorwurfs der Schleuserei. | |
| Forderung der Linkspartei: Straffreiheit für private Fluchthelfer | |
| Privatpersonen, die unentgeltlich bei der Flucht helfen, sollen straffrei | |
| bleiben, fordert die Linksfraktion. Die Regierung sieht das anders. | |
| Rechte hetzen Polizei auf Gegner: „Ich bringe jetzt meine Frau um“ | |
| Neonazis rufen offenbar vermehrt bei der Polizei an, und gestehen | |
| Verbrechen im Namen von Aktivisten. Sollen so Gegner mundtot gemacht | |
| werden? | |
| Anstatt besserer Versorgung: Asylbewerber abschrecken | |
| Weniger Taschengeld und „Rückführungs“-Videos: So soll der Zulauf von | |
| Asylbewerbern aus dem Westbalkan begrenzt werden. | |
| Kolumne Ich meld mich: Kairo und anderswo | |
| Herumirren in einer völlig fremden Stadt, kein Wort verstehen und nicht | |
| einmal den Namen des eigenen Hotels wissen. Ein Alptraum. | |
| Aktivisten ehren illegale Flüchtlingshilfe: Schicker als ein Bundesverdienstkr… | |
| Das Peng-Kollektiv verlieh im Namen der EU-Kommission das erste | |
| „Europäische Verdienstkreuz“. Die Auszeichnung soll FluchthelferInnen | |
| ehren. | |
| Parade im Wendland: Wo es kein Zurück gibt | |
| Die schwulen Aktivisten Yartsev und Chunosov flohen aus Russland. Ihr Leben | |
| passte in zwei Koffer. Der CSD im Wendland ist für sie wie ein Heimspiel. | |
| Debatte Europas Flüchtlingspolitik: Sie sind Deutschlands Zukunft | |
| Europa braucht Einwanderer. Warum es klug ist, bei Flüchtlingsfragen nicht | |
| länger zu moralisieren. Eine ökonomische Argumentation. | |
| Flüchtlings-Protestcamp in Dortmund: Das Super-Wunderland | |
| In Dortmund protestieren syrische Flüchtlinge für eine schnellere | |
| Bearbeitung ihrer Asylanträge. Deutschland, dachten sie einst, sei gerecht. | |
| Asylpolitik in Österreich: Zwischen Bemühen und Abschrecken | |
| Österreichs Umgang mit Flüchtlingen setzt häufig auf Abschreckung. Nun | |
| schlägt die Innenministerin einen „befristeten Schutz“ statt Asyl vor. | |
| „Sea Watch“ rettet Flüchtlinge: In einem Boot | |
| Eigentlich wollte die „Sea Watch“-Crew nur auf Flüchtlinge im Mittelmeer | |
| aufmerksam machen. Jetzt hat sie auch Rettungsinseln an Bord. |