Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Kairo und anderswo
> Herumirren in einer völlig fremden Stadt, kein Wort verstehen und nicht
> einmal den Namen des eigenen Hotels wissen. Ein Alptraum.
Bild: Beispielsweise in Kairo: unter Fremden in der Fremde.
Heute morgen wieder dieser Traum: Ein Bus hatte mich an dem gesichtslosen
Hotel in einem Vorort von Kairo abgeliefert. Ununterbrochen donnerten graue
Pkws und Lkws vorbei, im Inneren aber wurde es ruhiger. Mit seinen
unverputzten Mauerbögen und den hohen Räumen erinnerte das Gebäude an eine
ehemalige Karawanserei. Das Zimmer war einfach und sauber, aber es hatte
weder Toilette noch Dusche.
In Shorts und T-Shirt machte ich mich auf die Suche. Über die Gänge, die
nur von spärlich einfallenden Sonnenstrahlen erleuchtet waren, huschten
unruhig Dutzende anderer Gäste. Ein Klo zu finden, erwies sich als
schwierig. Die halbdunklen Flure waren erstaunlich weitläufig, Treppen
dazwischen führten immer wieder auf andere Ebenen. Endlich entdeckte ich
zwei schmutzig-weiße Aufkleber an der Wand, die Piktogramme für Mann und
Frau – aber die Türen waren verschlossen.
Ich suchte weiter. Hunderte von Metern, schien mir, hatte ich inzwischen
zurückgelegt. Es würde nicht einfach werden, zu meinem Zimmer
zurückzufinden. Wieder eine neue Ecke, ein weiterer Gang, etwas Tageslicht,
eine offene Pforte. Ich trat hindurch – und stand auf der Straße. Einer
ganz anderen diesmal. Ärmlich und staubig war sie, von den Hauswänden hing
das Drahtgewirr von Elektroleitungen. Dicht an dicht hasteten Menschen
vorbei, die mich nicht eines Blickes würdigten. Ich wollte zurück, drehte
mich um – und fand den Eingang zu meinem Hotel nicht mehr.
Die Erkenntnis überfiel mich wie ein Blitz: Du hast keine Papiere bei dir.
Kein Geld. Keinen Stadtplan. Du sprichst kein Wort Arabisch. Du kannst
keine Aufschrift lesen. Niemand hier versteht Englisch. Und wenn, würde es
dir nicht helfen: Du weißt nicht einmal, wie dein Hotel heißt. Du bist
verloren in einer Zehn- oder Zwanzig-Millionen-Stadt. Es war der Moment
purer Panik.
In diesem Augenblick klingelte der Wecker. Grenzenlose Erleichterung. Ende
eines Albtraums. Für die Tausenden, die jeden Monat in Europa ankommen,
klingelt kein Wecker.
8 Aug 2015
## AUTOREN
Franz Lerchenmüller
## TAGS
Flucht
Kairo
Hannover
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Ich meld‘ mich: Ein Herz für’n Harz
Es muss nicht immer der Times Square oder Sankt Moritz sein. Das Glück kann
auch einen ganz anderen Namen haben.
Kampagne für Fluchthilfe im Urlaub: Rübermachen auf dem Rücksitz
Aktivisten fordern zum zivilen Ungehorsam auf. Touristen sollen Geflüchtete
mit über die Grenze nehmen – im Privatauto.
Syrien-Tagebuch Folge 17: Einmal Flüchtling, immer Flüchtling
Manch einer mit diesem offiziellen Status wird ihn nie wieder los – egal,
was er erreicht hat. Unser syrisch-palästinensischer Autor berichtet.
Kommentar Migration und Flucht: „Spurwechsel“ muss möglich sein
Es braucht mehr Flexibilität bei den Zugängen nach Deutschland. Flüchtlinge
sollten nach Qualifikation in Deutschland auch arbeiten können.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.