# taz.de -- Rechte hetzen Polizei auf Gegner: „Ich bringe jetzt meine Frau um… | |
> Neonazis rufen offenbar vermehrt bei der Polizei an, und gestehen | |
> Verbrechen im Namen von Aktivisten. Sollen so Gegner mundtot gemacht | |
> werden? | |
Bild: Das Zentrum für politische Schönheit legte vor dem Reichstagsgebäude F… | |
BERLIN taz | Wer sich rechter und rassistischer Hetze öffentlich | |
entgegenstellt oder Flüchtlingen hilft, muss im Internet oft wüste | |
Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Aber die neuesten | |
Einschüchterungsversuche sind weit perfider: Um Kritiker mundtot zu machen, | |
haben es die Rechten nun offenbar auf deren Familien abgesehen. | |
Die Methode: Ein Anrufer gibt sich bei der Polizei als jeweiliger Aktivist | |
oder Blogger aus, nennt dessen Privatadresse und „gesteht“, seine Frau | |
ermordet zu haben. Die Polizei stürmt daraufhin die Wohnung. So war es bei | |
André Leipold, einem Dramaturgen des Zentrums für politische Schönheit, und | |
bei dem Kolumnisten Heinrich Schmitz. | |
Vor vier Wochen kam Leipold nach Hause und sah vor der Tür mehrere | |
Polizeiwagen mit Blaulicht. Rund 15 Polizisten hatten die Tür aufgebrochen | |
und seine Wohnung durchsucht. Im Nachhinein erfährt Leipold, dass jemand | |
beim LKA angerufen habe, in seinem Namen, und dort erklärte, er sei im | |
Begriff seine Frau zu töten. | |
Ein Sprecher der Polizei sagte, dass der Staatsschutz die Ermittlungen | |
übernommen habe, da eine politisch motivierte Tat naheliege. Zum Vorgehen | |
könne man jedoch nichts sagen, auch um solchen Tätern die Arbeit nicht zu | |
erleichtern. Leipold selbst hatte die Polizei wenig Hoffnung gemacht, die | |
Täter zu finden. Die hätten ihre Identität wohl geschickt verschleiert. | |
„Das ist schon wirkungsvoll“, sagt Leipold. Plötzlich würde man im Kopf | |
alle möglichen Menschen durchgehen, die das gewesen sein könnten. Man werde | |
misstrauisch. | |
Zwei Wochen zuvor war das Zentrum für politische Schönheit mit dem „Marsch | |
der Entschlossenen“ vor den Reichstag gezogen. Im Vorfeld der Aktion hatte | |
es in den sozialen Netzwerken zahlreiche Drohungen und Beschimpfungen | |
gegeben. Für Leipold ist der Fall Heinrich Schmitz nun die Bestätigung | |
seiner Vermutung, dass es sich um Angreifer aus dem rechten Spektrum | |
handelt: „Es scheint, als würden gezielt Menschen herausgepickt, die sich | |
für Flüchtlinge einsetzen.“ | |
## „Ich bin jetzt auch ein besorgter Bürger“ | |
Dafür, dass die anonymen Anrufer mehr über ihn wussten als die Adresse aus | |
dem Internet, gibt es allerdings keine Anzeichen. Der Dramaturg will sich | |
von dieser Aktion nicht einschüchtern lassen. „Eine Einschränkung meiner | |
Gedanken oder Kunst werde ich nicht zulassen.“ | |
Kolumnist Heinrich Schmitz zieht einen anderen Schluss. Er hat eine | |
„Kapitulationserklärung“ verfasst: „Die ‚besorgten Bürger‚ können … | |
Korken knallen oder die Bierdosen spritzen lassen“, schreibt der Jurist in | |
seinem nach eigenen Bekunden letzten politischen Text. „Es ist mir egal. | |
Sie haben gewonnen.“ | |
Schmitz schrieb in dem Online-Debattenmagazin The European regelmäßig gegen | |
die Wutbürger an und unterstützte eine Initiative gegen rechte Aufmärsche | |
vor Flüchtlingsheimen. Am vergangenen Samstag passierte ihm dann dasselbe | |
wie Leipold. Als er und seine Frau zu Hause ankamen, fanden sie die | |
verstörte Tochter vor, der man erzählt hatte, dass die Mutter womöglich vom | |
Vater ermordet worden sei. | |
„Ich bin jetzt auch ein besorgter Bürger. Ich sorge mich um die Sicherheit | |
meiner Frau und meiner Kinder“, so der Rheinländer. Er erhebt schwere | |
Vorwürfe gegen die Masse der Deutschen, die angesichts rechter Übergriffe | |
schweigen würden. „Ich werde mir nicht mehr für meine lieben Mitbürger, die | |
ihren Arsch erst hoch bekommen, wenn sie von einem Hooligan aus ihrem Sofa | |
geprügelt werden, in der Öffentlichkeit den Arsch aufreißen.“ | |
## Drohungen und Angriffe häufen sich | |
Die gefakten Mordgeständnisse sind nur die Spitze des Eisbergs. Drohungen | |
und Angriffe gegen Aktivisten häufen sich. Auch Philipp Ruch, der Leiter | |
des Zentrums für politische Schönheit, wurde in den vergangenen Monaten | |
mehrfach Opfer von Einschüchterungsversuchen. In den sozialen Netzwerken | |
fand er ein Foto seiner Wohnung. Ein anderes Mal wurde sein Haus mit Fotos | |
vom ihm beklebt, darauf Sprüche wie „Achtung!!!! Kriegstreiber, | |
Grabschänder, Friedensheuchler in ihrer Nachbarschaft!!!“ | |
„Das ist ein Berufsrisiko“, sagt Ruch. Er habe zwar größten Respekt vor d… | |
Entscheidung von Heinrich Schmitz, beim Zentrum für politische Schönheit | |
aber komme man zu dem Schluss: Jetzt erst recht. | |
12 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Josephine Schulz | |
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