# taz.de -- Konzerne finanzieren Hochschulen: Woher kommt das Geld für Ihre Un… | |
> Mindestens 1,27 Milliarden Euro haben Firmen 2010 an Hochschulen gegeben. | |
> Auf einer neuen Whistleblowing-Website sammelt die taz ab sofort solche | |
> Fälle. | |
Bild: So viel Geld, aber von wem? | |
BERLIN taz | An der Humboldt-Universität Berlin gibt es ein Institut für | |
Internet und Gesellschaft. Wichtigster Geldgeber: Google. An der | |
Universität Köln finanzieren die Energiekonzerne Eon und RWE ein | |
Energiewirtschaftliches Institut. An der Uni München gibt es ein Zentrum | |
für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht, das ausgerechnet von | |
Arbeitgeberverbänden finanziert wird. Alles uneigennützig und | |
unproblematisch? | |
Der Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft wächst. Jeder fünfte Euro, | |
den Hochschulen für Forschungsprojekte annehmen, stammt von einem | |
Unternehmen. Im Jahr 2010 machten diese Drittmittel aus der Wirtschaft nach | |
Angaben des Statistischen Bundesamtes 1,27 Milliarden Euro aus. Zehn Jahre | |
zuvor waren es noch 778 Millionen Euro. | |
2012 erhielten allein die zehn größten Unis Deutschland einer taz-Umfrage | |
zufolge 387 Millionen Euro von privaten Geldgebern. Besonders viel fließt | |
dabei an Hochschulen mit technischem Profil: Die RWTH Aachen erhielt 2011 | |
etwa 112 Millionen Euro von Privatfirmen und Stiftungen. | |
Es ist schwer zu ermessen, wie stark Deutschlands Universitäten und | |
Fachhochschulen tatsächlich am Tropf der Wirtschaft hängen. Denn die | |
Drittmittel für die Forschung, über die Jahr für Jahr amtliche Statistiken | |
veröffentlicht werden, geben nur einen Ausschnitt des Bildes wieder. Was | |
ist mit den Einnahmen aus Sponsoringverträgen? Was ist mit Computern, die | |
eine IT-Firma einer Uni spendet? | |
Private Gelder, die nicht direkt in die Forschungsförderung fließen, | |
verschwimmen in den offiziellen Hochschulstatistiken. Das arbeitgebernahe | |
Institut der deutschen Wirtschaft hat vor zwei Jahren geschätzt, dass diese | |
Summe die Drittmittel mit 2,1 Milliarden Euro noch einmal deutlich | |
übersteigt. | |
## Anonymes Whistleblowing | |
Riesige Beträge. Aber was passiert mit dem Geld? Wo verlaufen die Grenzen | |
zwischen Wohltätigkeit und Einflussnahme? Die taz hatte schon im Jahr 2011 | |
Leserinnen und Leser unter dem Stichwort Uni-Leaks aufgerufen, Hinweise | |
einzureichen und fragwürdige Fälle zu benennen. | |
Zusammen mit der Antikorruptionsorganisation Transparency International | |
Deutschland und dem Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs) | |
starten wir nun das Projekt Hochschulwatch, das dieses Whistleblowerprinzip | |
weiterentwickelt. | |
Auf dem [1][Internetportal hochschulwatch.de] kann ab Donnerstag jeder – | |
ähnlich wie bei der freien Onlineenzyklopädie Wikipedia – Einträge | |
einstellen und fragwürdige Verquickungen von Geist und Geld benennen. | |
Natürlich anonym. Wir gehen den Hinweisen nach, werten sie gemeinsam mit | |
Transparency aus und werden regelmäßig berichten – auch via [2][Facebook]. | |
Das Projekt ist zunächst auf ein Jahr angelegt. | |
„Wir wollen die Erkenntnisse dazu nutzen, um systematischer problematische | |
Formen der Beeinträchtigung der Freiheit und Unabhängigkeit von Forschung | |
und Lehre an unseren Hochschulen erfassen zu können“, sagt Edda Müller, | |
Vorsitzende von Transparency. Und Erik Marquardt vom fzs meint: „Es wäre | |
gefährlich, wenn ökonomische Interessen allein diktieren, wo geforscht | |
wird, und die Forschungsergebnisse zunächst Privatakteuren vorbehalten | |
sind. Das größte Gut der Forschung ist ihre Transparenz und die | |
Hinterfragbarkeit ihrer Ergebnisse.“ | |
## Die „Interessen der Mittelgeber“ | |
Transparenz? Damit scheinen es die Hochschulen tatsächlich nicht so genau | |
zu nehmen. Die meisten der zehn großen Unis, die die taz befragte, | |
verweigern die Auskunft, wer jeweils ihre drei größten privaten Förderer | |
sind. „Namen und Daten privater Geldgeber sind vertraulich“, sagt ein | |
Sprecher der Uni Münster. | |
„Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir auf die Interessen unserer | |
privaten Mittelgeber im Hinblick auf Vertraulichkeit, den Umfang und den | |
Finanzierungszweck betreffend, keine Aussage machen können“, erklärt die FU | |
Berlin. Und die Uni Köln verweist entschuldigend auf eine interne | |
Arbeitsgruppe, die Transparenzrichtlinien entwickle und der man nicht | |
vorgreifen wolle. Wer die Arbeitsgruppe bildet, bleibt – natürlich – streng | |
geheim. | |
Manche Hochschulen führen technische Gründe für ihre mangelnde Offenheit | |
an. „Die drei größten Geldgeber eines Jahres können wir zentral nicht über | |
eine einfach Datenbankabfrage ermitteln“, sagt der Sprecher der TU München. | |
Und die Sprecherin der Universität in Mainz erklärt: „Die Buchungen können | |
systembedingt nicht nach Geldgeber und Fördersumme sortiert werden.“ Mit | |
anderen Worten: Man weiß angeblich selbst nicht, von wessen Geld man da | |
lebt. Allein das sollte ein Grund sein, genauer hinzusehen. | |
24 Jan 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.hochschulwatch.de/ | |
[2] http://www.facebook.com/Hochschulwatch | |
## AUTOREN | |
Bernd Kramer | |
Bernd Kramer | |
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