| # taz.de -- Transparenz in der Wissenschaft: Geheimakte Fusselforschung | |
| > Hochschulen kooperieren zunehmend mit der Wirtschaft – über die | |
| > Bedingungen schweigen sie sich aus. Wie viel Transparenz braucht es? | |
| Bild: Hier wird mit der Industrie geforscht: Projekt an der TU Dresden. | |
| BERLIN taz | Sie ist hartnäckig, immer noch: Die Universität Köln will | |
| einen Kooperationsvertrag mit dem Pharmahersteller Bayer partout nicht | |
| offenlegen. Ein industriekritisches Bündnis zog dagegen im vergangenen Jahr | |
| vor Gericht [1][und scheiterte]. Forschungskooperationen an Rhein und Ruhr | |
| können Verschlusssache bleiben. Und nicht nur dort. | |
| Zahlreiche Bundesländer haben zwar Informationsfreiheitsgesetze geschaffen, | |
| die es Bürgern grundsätzlich erlauben, Einsicht in Akten und Dokumente | |
| öffentlicher Stellen zu nehmen. Aber vielerorts ist die Verwaltung dennoch | |
| nicht transparent: Auch wo es Informationsfreiheitsgesetze gibt, gelten sie | |
| nicht für alle Bereiche. Auf die Ausnahmeregelung für die Forschung verwies | |
| auch das Kölner Verwaltungsgericht im vergangenen Dezember. Ob diese | |
| Gesetzesauslegung Bestand hat, muss ein Berufungsverfahren erst noch | |
| zeigen. | |
| Wie viel Transparenz braucht es, wenn Hochschulen und Wirtschaft | |
| kooperieren? Das war auch das Thema einer Veranstaltung, zu der der | |
| rheinland-pfälzische Informationsfreiheitsbeauftragte Edgar Wagner | |
| vergangene Woche nach Berlin geladen hatte. Für ihn ist dabei klar: auf | |
| jeden Fall mehr als jetzt. | |
| Hochschulen werden immer mehr zur verlängerten Werkbank der Wirtschaft. | |
| Allein im Jahr 2010 akquirierten Universitäten und Fachhochschulen bei | |
| Unternehmen sogenannte Drittmittel in Höhe von 1,27 Milliarden Euro für die | |
| Forschung. | |
| Dennoch gaben sich die großen Uni-Tanker zugeknöpft, als die taz sich zum | |
| Start des Projekts Hochschulwatch [2][nach den größten privaten | |
| Drittmittelgebern erkundigte]. „Namen und Daten privater Geldgeber sind | |
| vertraulich“, sagte ein Sprecher der Uni Münster. „Wir bitten um Ihr | |
| Verständnis, dass wir auf die Interessen unserer privaten Mittelgeber im | |
| Hinblick auf Vertraulichkeit, den Umfang und den Finanzierungszweck | |
| betreffend, keine Aussage machen können“, erklärte die FU Berlin. Und | |
| ausgerechnet die Technische Universität München führte die Technik als ihr | |
| großes Transparenzhindernis an: „Die drei größten Geldgeber eines Jahres | |
| können wir zentral nicht über eine einfache Datenbankabfrage ermitteln.“ | |
| ## Transparenz, mindestens light | |
| Der Informationsfreiheitsbeauftragte Wagner bringt für den | |
| Forschungsbereich das Konzept der „limitierten Transparenz“ ins Gespräch: | |
| Nicht Inhalte und Ergebnisse ihrer Industriekooperationen sollten | |
| Hochschulen der Öffentlichkeit mitteilen müssen, wohl aber die | |
| Rahmenbedingungen: Wer forscht hier mit wem zu welcher Frage? | |
| Transparenz, mindestens light: Das hatte auch die | |
| Antikorruptionsorganisation Transparency International gefordert, als sie | |
| vergangene Woche ihren dem Bildungswesen gewidmeten Korruptionsbericht 2013 | |
| vorlegte. Zumindest die Namen der Geldgeber, die Laufzeit der Projekte, den | |
| Förderumfang und die Einflussmöglichkeiten der Sponsoren müssten einsehbar | |
| sein. | |
| Davon hätten auch die Hochschulen etwas, meint Krista Sager, scheidende | |
| wissenschaftspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. | |
| „Transparenz kann Wissenschaftlern bei Verhandlungen mit | |
| Kooperationspartnern den Rücken stärken.“ Sie müssten sich dann nicht jeden | |
| Unsinn in die Verträge diktieren lassen. Sie fordert: Das Gesetz soll hier | |
| Mindeststandards für die Transparenz schaffen, und zwar bundesweit. | |
| ## Undramatisch, aber heikel | |
| Thomas Weber, der beim Chemieriesen BASF für Hochschulkooperationen | |
| zuständig ist, geht dagegen selbst eine limitierte Transparenz zu weit. | |
| Bereits durch die Nennung des Kooperationspartners und des Projekttitels | |
| entstünde ein Wettbewerbsnachteil für die Unternehmen, meint er. Und malt | |
| gleich ein Untergangsszenario für den Standort Deutschland an die Wand: Die | |
| Industrie zöge sich aus Hochschulkooperationen zurück, es würde weniger | |
| geforscht, weniger erfunden, weniger erwirtschaftet – und damit stünden | |
| natürlich Arbeitsplätze auf dem Spiel. | |
| Ulrich Buller, ehemaliger Vorstand für Forschungsplanung der | |
| Fraunhofer-Gesellschaft, hat ein Beispiel dafür parat: Seine Gesellschaft, | |
| die öffentlich finanziert wird, aber von Auftragsforschung lebt, sollte ein | |
| Papiertaschentuch entwickeln, das in der Waschmaschine nicht zerfusselt. | |
| Klingt undramatisch, ist Buller zufolge aber hoch heikel: „Wenn man das | |
| veröffentlicht, weiß der Konkurrent sofort: Da passiert was.“ BASF-Mann | |
| Weber unterstreicht: „Im Markt ist extreme Schnelligkeit gefordert.“ Da | |
| müsse man eben einiges geheim halten. | |
| Weber appelliert an das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der | |
| Hochschulforschung. Ihn störe der Tenor der Debatte, der „allen | |
| Drittmittelgebern verdeckte Einflussnahme“ unterstelle. | |
| So sieht es wohl auch mancher in den Hochschulen, wenn er sich mit | |
| kritischen Fragen nach den Geldgebern konfrontiert sieht: Kontrolle ist | |
| gut, Vertrauen wäre besser. | |
| 10 Oct 2013 | |
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| Bernd Kramer | |
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