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# taz.de -- Einwerben von Forschungsmitteln: Prämierung guter Pläne
> Um Geld für Projekte einzuwerben, müssen Forscher Anträge mit blumigen
> Versprechungen formulieren. Was für ein Unsinn!
Bild: Um Drittmittel für Forschungsprojekte zu bekommen, ist oftmals die Formu…
In der Wissenschaft setzt sich still und leise eine sehr eigenartige
Betrachtung von guter wissenschaftlicher Forschung durch. Schaut man sich
an, wie Landesministerien und Hochschulleitungen ihre Leistungszulagen
verteilen, dann werden Forscher nicht etwa für hervorragende
wissenschaftliche Forschungsleistungen belohnt, sondern für die Ankündigung
hervorragender wissenschaftlicher Leistungen.
Ursache dafür ist die Umstellung der Hochschulfinanzierung auf eine
sogenannte leistungsorientierte Mittelvergabe. Die durch ein einfaches
Reiz-Reaktions-Schema geprägte Steuerungsvorstellung ist, dass
Wissenschaftler nur dann gute Arbeit abliefern, wenn sie dafür letztlich
auch monetär entlohnt werden.
Als Indizien für gute wissenschaftliche Forschung werden dabei jetzt aber
von den Ministerien nicht – wie man in naiver Weise annehmen könnte – etwa
die Reputation eines Wissenschaftlers, die Anzahl wissenschaftlicher
Publikationen, die über Zitationen nachgewiesene Wirkung dieser
Publikationen oder die Anzahl wissenschaftlicher Erfindungen genutzt.
Vielmehr ist das zentrale Kriterium, mit dem Forschungsleistungen gemessen
werden, der in Euro gemessene Umfang der eingeworbenen Drittmittel. Bei
diesen Drittmitteln handelt es sich um Geldzahlungen, die von überwiegend
staatlich finanzierten Einrichtungen wie der Deutschen
Forschungsgemeinschaft, von Stiftungen wie der Volkswagen-Stiftung oder
direkt von privaten Unternehmen in einem Wettbewerb an Wissenschaftler
vergeben werden.
Wenn man sich das Drittmittelgeschäft näher ansieht, dann stellt man fest,
dass der Erfolg wenig über die Befähigung zum Forschen aussagt, jedoch viel
über die Befähigung die entsprechende Antragsprosa für Drittmittelprojekte
zu formulieren.
Das Einwerben eines größeren Projekts bei der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) ist an sich noch kein Indiz für gute
Forschung, sondern belohnt erst einmal die Antizipation von zukünftigen
wissenschaftlichen Modethemen bei gleichzeitiger Fähigkeit, Projektanträge
so zu formulieren, dass sie nicht allzu sehr vom herrschenden
wissenschaftlichen Paradigma abweichen.
Trotzdem hat sich in den Hochschulen die Drittmittellogik in einer
eigenartigen Kaskadenform durchgesetzt. Bildungs- und
Wissenschaftsministerien koppeln die Vergabe von zusätzlichen Mitteln an
die Einwerbung von Drittmitteln durch Hochschulen.
## Verantwortung wird weitergereicht
Die Hochschulleitungen übersetzen dieses vermeintliche Leistungskriterium
dann für die Fachbereiche oder Fakultäten weiter und binden die Zuweisung
weiterer Mittel an die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln – nicht
selten mit dem Zusatz, dass man Drittmittel auch für ein ungeeignetes
Messkriterium für wissenschaftliche Leistung halte, dass einem die Form der
Mittelzuweisungen des Landes aber keine andere Wahl lasse.
Diese Logik wird dann in den Fachbereichen oder Fakultäten weitergetragen,
indem bei der Besetzung neuer Professuren den Bewerbern sogleich mitgeteilt
wird, dass man selbstverständlich wüsste, dass die Anzahl eingeworbener
Drittmittel nicht mit wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit korreliere –
aber aufgrund der Vorgaben der Rektorate und Präsidien zur Mittelvergabe
leider die Besetzung neuer Professuren auch an den nachgewiesenen Erfolg
bei der Einwerbung von Drittmitteln gebunden werden müsse. Kaum einer hält
Drittmittel für ein geeignetes Leistungskriterium, aber alle spielen das
Spiel mit.
Auch die Große Koalition will diese widersinnige Forschungsförderung
fortschreiben. Dabei ließe sich die Forschungspolitik ohne große Probleme
von einer Logik der „guten Pläne“ auf eine Logik der „guten Leistungen“
umstellen.
## Nicht Anträge prämieren, sondern Artikel
Man müsste lediglich nicht mehr die Forscher belohnen, die gute Intentionen
haben, sondern die, die nachweislich interessante Forschungsergebnisse
produziert haben. Nicht mehr der überzeugende Forschungsantrag, sondern der
überzeugende wissenschaftliche Artikel würde belohnt werden. Nicht mehr der
Plan für ein „Opus Magnum“ eines Wissenschaftlers würde honoriert werden,
sondern die Publikation eines innovativen Buches, das weitere interessante
fachliche Beiträge erwarten lässt, wird honoriert.
Dieses Verfahren ähnelt den in vielen universitären und außeruniversitären
Forschungsteams vorherrschenden informellen Praktiken. Die Mittel für ein
Projekt werden häufig nicht nur für die im Projektantrag verwendeten Zwecke
genutzt, sondern für interessante Themen, die während der Projektlaufzeit
am Horizont auftauchen, für die aber kurzfristig keine Mittel zu
mobilisieren sind.
## Fehlverwendung der Mittel
Mitarbeiter in der Qualifizierungsphase, die für ein
drittmittelfinanziertes Forschungsprojekt eingestellt wurden, aber dort
nicht benötigt werden, widmen sich einem anderen interessanten Thema, mit
dem sie sich wissenschaftlich profilieren können.
Für die Drittmittelmanager stellt sich aber das Problem, dass diese
„Mittelquerverwendung“ rechtlich immer auch eine „Mittelfehlverwendung“
ist. Mit der „flexiblen Mittelverwendung“ verstößt man gegen die Auflagen
der Drittmittelgeber, die ja explizit verlangen, dass die Mittel
ausschließlich für den beantragten Zweck verwendet werden. Aber auch wenn
die „Mittelfehlverwendungen“ gut kaschiert werden und faktisch so gut wie
nicht nachgewiesen werden, handelt es sich im engeren Sinne um den
Straftatbestand der Unterschlagung.
Aber aufgrund der offensichtlichen Fehlsteuerung durch die an Drittmitteln
orientierte Förderung kann man sich fragen, weswegen die
Wissenschaftspolitiker diese bereits praktizierte Form der Mittelverwendung
nicht durch die Umstellung auf ein Preissystem legalisieren.
## Mainstream-Wissenschaft
Man darf die Fähigkeit eines solchen Preissystems, herausragende
Forschungsleistungen zu identifizieren, nicht überschätzen. Auch hier wird
gerade bei großen Preissummen – ähnlich wie bei den Nobelpreisen für
Wirtschaft, Chemie oder Medizin – vorrangig Mainstream-Wissenschaft
ausgezeichnet.
Auch hier wird die Vergabe von Preisen maßgeblich davon abhängen, wie gut
die Preisträger in der Scientific Community verankert sind und dadurch
Loyalitäten von anderen Wissenschaftlern vorweisen können.
Doch zentral ist, dass sich beim Preissystem der Fokus auf den Aspekt der
Leistung in der Forschung richtet und nicht auf die Formulierung von gut
klingenden Forschungsvorhaben. Nicht zuletzt würden Wissenschaftler dann
verstärkt Artikel und Bücher ihrer Kollegen lesen und nicht die Pläne, in
denen diese Artikel und Bücher versprochen werden.
13 Jan 2014
## AUTOREN
Stefan Kühl
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