| # taz.de -- taz enthüllt: Die Geheimpapiere der Atomlobby | |
| > Bezahlte Wissenschaftler, instrumentalisierte Frauen: Interne Papiere | |
| > zeigen, wie die Atomkonzerne und ihre Lobbyorganisation die | |
| > Öffentlichkeit beeinflusst haben. | |
| Bild: Mit hohem Einsatz für ein Ziel: Damit Atomkraft weiter strahlen kann. | |
| BERLIN taz | Genau vor einem Jahr, am 28. Oktober 2010, beschloss der | |
| Bundestag mit den Stimmen von Union und FDP die Verlängerung der Laufzeiten | |
| für die Atomkraftwerke. Der taz liegen interne Unterlagen vor, die | |
| detailliert zeigen, wie aufwändig die Profiteure dieses Gesetzes mit | |
| offenen und verdeckten Mitteln auf diesen Beschluss hingearbeitet haben. | |
| Im Frühjahr 2008 erhielt die Lobbyagentur [1][Deekeling Arndt Advisors] den | |
| Auftrag, bis zur Bundestagswahl im Herbst 2009 einen Meinungsumschwung für | |
| die Atomkraft in Deutschland zu erreichen. Der Auftrag kam vom | |
| [2][Deutschen Atomforum], in dem sich die vier Betreiber der deutschen | |
| Atomkraftwerke – RWE, Vattenfall, Eon und EnBW – zusammengeschlossen haben. | |
| In den Unterlagen, die die taz auch [3][zum Download im Rechercheblog] | |
| anbietet, skizziert die Lobbyagentur das Ziel der Kampagne und bilanziert | |
| alle einzelnen Maßnahmen. | |
| ## "Neue Zielgruppen aufschließen" | |
| Die Grundzüge der Strategie sind dabei laut den Papieren: "Ideologische | |
| Blockaden aufbrechen, vermeintliche Gewissheiten hinterfragen", "Dritten | |
| eine Plattform bieten und öffentlich Gehör verschaffen", "neue Zielgruppen | |
| aufschließen", "verändertes Meinungsklima zur Kernenergie in Deutschland | |
| etablieren". | |
| Die Lobbyagentur analysiert, dass es die Glaubwürdigkeit der Botschaften | |
| erhöht, wenn sie aus dem Munde von unabhängigen Personen kommen. In den | |
| internen Unterlagen heißt es, man solle "hochrangige Wissenschaftler | |
| verschiedener Disziplinen sowie anerkannte ,moralische Instanzen' | |
| einbinden". So engagiert das deutsche Atomforum zur Feier seines 50. | |
| Geburtstages am 1. Juli 2009 in Berlin, an dem auch Bundeskanzlerin Angela | |
| Merkel teilnimmt, als Festredner den Historiker Arnulf Baring. | |
| Die Szene ist in einem Video auf der Homepage des Atomforums | |
| [4][dokumentiert]. Baring betont zu Beginn, er sei ein "unparteiischer, | |
| aber leidenschaftlich engagierter Bürger". In der Rede analysiert er, die | |
| SPD habe die Ablehnung der Atomkraft seit den Siebzigerjahren "zum Dogma | |
| erhoben". | |
| Eine Energiepolitik mit "ideologischen Scheuklappen" helfe jedoch nicht | |
| weiter. "Gerade aus unserer Geschichte wissen wir: Wer Realitäten nicht | |
| rechtzeitig erkennt, riskiert Desaster. Noch können wir energiepolitisch | |
| umsteuern." | |
| ## Sorgfältig vorbereitete Rede | |
| Die internen Unterlagen zeigen, dass Barings Auftritt schon sieben Monate | |
| vorher als Teil der Kampagne eingeplant war. Heute sagt Baring auf | |
| taz-Anfrage, die Lobbyagentur Deekeling Arndt habe ihm beim Verfassen des | |
| Textes "zugearbeitet". Die Agentur habe ihm Informationen zur Verfügung | |
| gestellt, von denen er einige in seine Rede eingebaut habe. | |
| Die Information über diese Zusammenarbeit lässt er dagegen aus der Rede | |
| raus – genau wie die Information, dass er für den Vortrag bezahlt wurde. | |
| Die Lobbyagentur bietet den Text auch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung | |
| an, die den Text einen Tag nach der Rede als Gastbeitrag Barings abdruckt. | |
| Die internen Unterlagen zeigen auch, wie im Rahmen der Kampagne ein Verein | |
| von Frauen gegründet wurde, die sich für die Atomkraft einsetzten. Sie | |
| zeigen, wie die Agentur über Pressereisen und Hintergrundgespräche mit | |
| Journalisten ihre Botschaften in den Medien platzierte. Und sie zeigen, wie | |
| die Agentur Kontakte in die Politik kauft, indem sie ehemalige Abgeordnete | |
| und Staatssekretäre beschäftigt. | |
| Nichts davon ist verboten. Einiges davon ist anrüchig. Das Meiste ist | |
| profane, handwerklich gut umgesetzte Öffentlichkeitsarbeit. Aber | |
| zusammengenommen zeigen die Dokumente, wie Konzerne in Deutschland | |
| vorgehen, wenn sie Einfluss auf Medien, Politik und Öffentlichkeit nehmen. | |
| 28 Oct 2011 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.deekeling-arndt.de/ | |
| [2] http://www.kernenergie.de/ | |
| [3] http://blogs.taz.de/rechercheblog/2011/10/28/die_geheimpapiere_der_atomlobb… | |
| [4] http://www.kernenergie.de/kernenergie/Service/Veranstaltungen/50-Jahre-DAtF… | |
| ## AUTOREN | |
| S. Heiser | |
| M. Kaul | |
| ## TAGS | |
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