# taz.de -- Unipräsident zu Atomlobby-Gutachten: "Ein ärgerliche Geschichte" | |
> Ein Professor der Berliner Humboldt-Universität ließ sich vom Atomforum | |
> einspannen, über die Firma seiner Frau. So geht es nicht, sagt jetzt sein | |
> Unipräsident. | |
Bild: Die Studie von Joachim Schwalbach sollte die Atomindustrie in positives L… | |
taz: Herr Olbertz, ein Professor Ihrer Universität, Joachim Schwalbach, | |
sollte für das Atomforum eine Studie über die gesellschaftliche Rendite der | |
Atomkraft schreiben. Das Geld ging an die Firma seiner Ehefrau. Wie | |
bewerten Sie das? | |
Jan-Hendrik Olbertz: Er setzt sich einem Vorwurf aus, der nicht ohne | |
Weiteres auszuräumen ist. Zwischen einem Ehepaar besteht der Verdacht einer | |
Verbindung - dafür heiratet man ja. Dieser Verdacht lässt sich schwer | |
entkräften. Das schafft ein ernstzunehmendes Legitimationsproblem, vor dem | |
Professor Schwalbach steht. Er muss erklären, ob er sich durch die | |
Einbeziehung der Firma seiner Frau einen Vorteil verschafft hat. | |
Hat Herr Schwalbach sich Ihnen gegenüber noch nicht erklärt? | |
Doch. Ich habe mit ihm gesprochen und ihm deutlich gesagt, wie ich den | |
Vorgang bewerte. Außerdem liegt mir eine schriftliche Stellungnahme von ihm | |
vor. | |
Und was sagt er darin? | |
Herr Schwalbach ist ein sehr renommierter Kollege. Er sieht selbst, dass er | |
einen Fehler gemacht hat, dessen Konsequenzen fatal sind. Ich nehme die | |
Einsicht mit Respekt zur Kenntnis. | |
Das heißt, als nächstes folgt ein Disziplinarverfahren? | |
Wir haben bisher kein Disziplinarverfahren eröffnet. Aber es wird im Moment | |
geprüft, ob Herr Schwalbach eine Nebentätigkeit hätte anmelden müssen. Er | |
selbst meint, das wäre nicht notwendig gewesen, weil das Vertragsverhältnis | |
ja nicht zwischen dem Atomforum und ihm bestand, sondern zwischen dem | |
Atomforum und der Firma seiner Frau. | |
Das Abstract der Studie haben wir Ihnen mitgebracht. Obwohl wesentliche | |
Teile der Untersuchung noch fehlen, steht Schwalbachs Ergebnis schon fest. | |
Zitat: "Die Gesellschaftsrendite der Kernenergie ist so hoch, dass es zu | |
einer Verlängerung der Restlaufzeiten der Kernkraftwerke keine | |
volkswirtschaftlich zu rechtfertigende Alternative gibt." Wie beurteilen | |
Sie das? | |
Das müssen Sie nicht mich, sondern einen Fachmann fragen, der solche | |
Aussagen bewerten kann. | |
Herr Olbertz, vor einem halben Jahr mussten sie sich zu umstrittenen | |
Verträgen mit der Deutschen Bank äußern. Jetzt haben Sie einen dreisten | |
Professor an der Backe. Sie bewerben sich gerade im Exzellenzwettbewerb. So | |
werden Sie doch nie Elite-Uni. | |
Wenn Sie aus diesen zwei Fällen ableiten, dass die Humboldt-Universität | |
keine exzellente Uni ist, gehen sie ziemlich gewagt vor. Ich sage ja: Das | |
sind ärgerliche Geschichten. Was meinen Sie, wie intensiv darüber an der | |
Universität diskutiert wird! Dies sind Einzelfälle, aber ernstzunehmende | |
Einzelfälle, die auch die Reputation einer Universität tangieren. | |
Woher wissen Sie, dass nicht auch andere Professoren Geschäfte über die | |
Konten ihrer Ehefrauen oder Ehemänner anbieten? | |
Dann müssten mir und den zuständigen Abteilungen solche Geschäfte | |
wesentlich häufiger begegnen. Ich agiere mit meinen Kollegen auf der Basis | |
eines Grundvertrauens. Da das täglich bestätigt wird, lasse ich mich in | |
diesem Grundvertrauen durch solche Vorfälle auch nicht irritieren. Stellen | |
Sie sich nur vor, ich würde hier grundsätzlich jedem misstrauen. Aber | |
natürlich sage ich auch: Solche Geschichten machen aufmerksamer. Ich schaue | |
genauer hin. | |
Mit solchen Gutachten verdienen manche Professoren das Mehrfache ihres | |
Beamtensalärs hinzu. Wieso muss ein verbeamteter Hochschullehrer eigentlich | |
unbegrenzt dazuverdienen dürfen? | |
Ich habe nichts dagegen, wenn ein Professor außerhalb seiner dienstlichen | |
Tätigkeiten wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt und dafür auch | |
entlohnt wird. Dass die Nebentätigkeit lukrativer ist als das | |
Hauptgeschäft, halte ich nun wirklich nicht für den Regelfall. Aber ich | |
will auch nicht verhehlen, dass es eine Grauzone gibt, in der individuelle | |
Verantwortung und Sensibilität zählen und in der nicht nur formale Regeln | |
greifen: Nebentätigkeiten müssen im schicklichen Rahmen stattfinden und | |
dürfen nicht mit Dienstpflichten kollidieren. | |
Wann ist der Nebenerwerb denn nicht mehr schicklich? | |
Schicklich ist es nicht mehr, wenn die wissenschaftliche Leistung im | |
Missverhältnis zur Bezahlung steht. Wenn sie zu einer reinen Ware wird, die | |
überbezahlt wird, nur weil derjenige, der sie erbringt, einen bekannten | |
Namen hat. | |
Und so kommen dann Gefälligkeitsgutachten zustande. | |
Wenn Ergebnisse manipuliert werden, damit sie im Sinne des Auftraggebers | |
ausfallen, dann ist das keine Frage der Schicklichkeit mehr, sondern | |
schlicht verboten. Dann ist für mich Land unter. | |
Warum gibt es keine wissenschaftlichen Studien zu der Frage, wie viel Geld | |
über Nebentätigkeiten in die Taschen von Professoren fließt? | |
Das ist in der Tat misslich, weil es einen grenzenlosen Raum für Ihre | |
Fantasie schafft und den ganzen Berufsstand in Misskredit bringt. Sie sehen | |
ja: Wenn Sie wegen des Falls Schwalbach gleich den Exzellenzanspruch der | |
Universität infrage stellen, müssen Sie sich mal überlegen, welche | |
gedanklichen Sprünge Sie da machen! | |
Wir stellen nur fest, dass sich Wissenschaftler in einer Grauzone bewegen | |
können, die kaum kontrolliert wird. | |
Ich habe eine Scheu davor, alles mit feinmaschigen Kontrollnetzen zu | |
überziehen. Denn genau das wollen wir ja nicht. Wir brauchen die | |
Wissenschaftsfreiheit - aber wir müssen auch über Haltung und Verantwortung | |
reden. | |
Oder über Gier. | |
Vielleicht auch, ja. Aber mit mehr Kontrollnetzen hätten Sie zwar | |
vielleicht solche Fälle nicht. Doch Sie würden der Mehrheit derjenigen, die | |
auf ehrbare Weise und diszipliniert ihre Arbeit machen, das Leben | |
unverhältnismäßig erschweren. Die große Mehrheit geht redlich ihrer Arbeit | |
nach. | |
Warum setzt sich die große Mehrheit dann nicht dafür ein, zum Schutz ihres | |
Ansehens Transparenzverpflichtungen einzuführen? Was spricht dagegen, bei | |
Nebenjobs und Veröffentlichungen anzugeben, wie viel Geld von wem geflossen | |
ist - und ob es dabei inhaltliche Vorgaben gab? | |
Einen solchen Kontrolltaumel können wir, übrigens auch in Ihrer Zunft, | |
nicht gebrauchen. Sie würden zudem die Zwietracht unter Kollegen befeuern. | |
Ich halte mehr davon, unser Nebentätigkeitsrecht konsequent anzuwenden und | |
auch vermehrt Stichproben zu machen. Das bedeutet: Wenn unsere | |
Personalstelle von einer Nebentätigkeit erfährt, die nicht in ihren Akten | |
vorkommt, dann hakt sie auch nach. Vor allem aber müssen wir solche | |
Verfehlungen immer wieder öffentlich diskutieren. So bleiben wir wach und | |
sensibel. | |
3 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
M. Kaul | |
S. Heiser | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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