Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Uni Potsdam kooperiert mit Waffenfirma: Hochexplosive Partnerschaft
> Ein Institut der Uni Potsdam erforscht, wie Militärtechnik im zivilen
> Bereich genutzt werden kann. Das letzte Wort hat dabei auch der
> Rüstungskonzern EADS.
Bild: Gibt's auch eine zivile Anwendung dafür? Produktion eines EADS-Kampfjets.
BERLIN taz | Im Krieg haben sie sich bewährt. Warum sollten sie nicht auch
für zivile Zwecke nützlich sein? Unbemannte Flugzeuge, sogenannte Drohnen,
könnten etwa den Straßenverkehr, Landesgrenzen, Bahnschienen,
Hochspannungsleitungen oder Gaspipelines aus der Luft überwachen – zu
diesem Ergebnis kommt eine Studie des Brandenburgischen Instituts für
Gesellschaft und Sicherheit (BIGS), an dem die Uni Potsdam indirekt
beteiligt ist. Einen stark wachsenden Markt für Zivildrohnen bescheinigt
die Expertise und enormes Potenzial. Allein, es fehle die „politische und
gesellschaftliche Akzeptanz“.
Das Pikante an der Potsdamer Sicherheitsforschung: An dem Institut sind der
Rüstungs- und Luftfahrtkonzern EADS, Rolls-Royce und die Sicherheitsfirma
IABG beteiligt – also Unternehmen, die mit Militärtechnik gutes Geld
verdienen. Die Forschungsergebnisse sollen „zum Ausbau der Menschen- und
Freiheitsrechte“ dienen, heißt es in einer Selbstbeschreibung des
Instituts.
Im Gesellschaftervertrag werden als Zweck des BIGS die „Erarbeitung von
Grundlagen politischen und planerischen Handelns“ genannt, die „Ausbildung
von wissenschaftlichem Nachwuchs“ und die „Kooperation mit der Universität
Potsdam“. Institutschef Tim Stuchtey bietet in diesem Semester ein
Hauptseminar zur „Ökonomie der Sicherheit“ an der Hochschule an.
Doch nicht alle an der Universität Potsdam freuen sich. Auf Abstand gehen
interessanterweise ausgerechnet die Professoren, die für den ebenfalls
umstrittenen Masterstudiengang Military Studies verantwortlich sind, bei
dem die Uni mit dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr
zusammenarbeitet: Es gebe eine Übereinkunft, im Rahmen des Studiengangs
nicht mit dem BIGS zu kooperieren, sagt der Soziologieprofessor Jürgen
Mackert. „Wir sind ein universitärer Studiengang, dem die Unabhängigkeit
von Forschung und Lehre am Herzen liegt“, stellt er klar. „Wir kooperieren
deshalb nicht mit einem Institut, an dem die Rüstungsindustrie beteiligt
ist.“
## Misstrauische Studenten
Auch Studentenvertreter misstrauen dem BIGS: „Ich habe den Eindruck, dass
die Geldgeber die Ausrichtung stark beeinflussen“, meint Armin Olunczek,
Antimilitarismusreferent des Asta. „Wenn man ernsthaft Forschung über
Sicherheitspolitik betreibt, müsste man sich auch mit der Kontrolle von
Rüstungsexporten beschäftigen. Dazu findet gar nichts statt.“
Wie unabhängig kann also ein wissenschaftliches Institut sein, an dem ein
Unternehmen wie EADS beteiligt ist? Institutsleiter Tim Stuchtey nimmt die
Kritik gelassen. „An einer Universität kann natürlich jeder seine
Vorurteile pflegen, aber gerechtfertigt sind sie nicht.“ Am Institut sei
sichergestellt, dass die Hochschule das Sagen behalte.
Das stimmt auch, auf den ersten Blick: 62,5 Prozent am BIGS, das als GmbH
organisiert ist, hält eine Transfergesellschaft, an der wiederum die
Hochschule die Mehrheit hat. Paragraf 5 des Gesellschaftsvertrags legt
außerdem fest, dass dieser Anteil nicht unter 50,1 Prozent sinken darf.
Aber hat die Hochschule tatsächlich das letzte Wort, was am BIGS passiert?
## Gegen den Konzern läuft nichts
Blättert man weiter im Gesellschaftsvertrag, stößt man auf eine
interessante Abstimmungsregel: In allen wichtigen Fragen ist eine Mehrheit
von 75,1 Prozent in der Gesellschafterversammlung vorausgesetzt – bei der
Berufung des Verwaltungsrates, der das Institut strategisch steuert, bei
der Verwendung des Gewinns, bei der Verwertung geistigen Eigentums. Weil
EADS 25 Prozent an der Gesellschaft hält, heißt das: Gegen den Willen des
Konzerns läuft in diesen Fragen nichts.
„In allen elementaren Fragen können Uni und EADS sich blockieren, um
sicherzustellen, dass wir das Fahrwasser nicht verlassen“, sagt
Institutsleiter Stuchtey. In der Praxis habe es bisher nie einen Dissens
gegeben. In der Geschäftswelt sind solche Vertragspassagen nicht unüblich.
Aber sollte sich auch eine Hochschule auf sie einlassen? Eindeutig nein,
sagt Studentenvertreter Armin Olunczek: „Den deutlichen, hohe Anteil, den
EADS hat, finde ich bedenklich.“
24 Jan 2013
## AUTOREN
Bernd Kramer
Bernd Kramer
## TAGS
EADS
Rüstungsindustrie
Universität
Bundeswehr
Rüstungsexporte
Drittmittel
China
Transparenz
Transparenz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Freiwilliger Wehrdienst: Kein Bock auf Bundeswehr
Fast jeder Vierte hat im Jahr 2012 seinen Freiwilligendienst in der Armee
abgebrochen. Das Verteidigungsministerium hat die Gründe erhoben.
Deutsche Rüstungsexporte: Saudi-Arabien will Bremer Boote
Saudi-Arabien will deutsche Patrouillenboote im Wert von 1,5 Milliarden
Euro kaufen. Die Opposition kritisiert, die Bundesregierung wolle
Saudi-Arabien hochrüsten.
Generalsekretär des Stifterverbandes: „Keine Geldgeber verschrecken“
Volker Meyer-Guckel findet hochschulwatch eine gute Sache. Er warnt aber
davor, Auftragsforschung zu verunmöglichen.
Uni Göttingen kooperiert mit Agrarfirma: Stifter für die Sinologie
Die Uni Göttingen baut das Fach Sinologie zum „Ostasien-Forschungszentrum“
aus. Finanziert wird das von der chinesischen Regierung und von einem
Saatgutkonzern.
Kommentar Hochschulwatch.de: Privilegien verpflichten
Hochschulen wollen nicht offenlegen, mit wem sie Geschäfte machen. Dass
Unis glauben, sie schuldeten der Gesellschaft nichts, ist skandalös.
Konzerne finanzieren Hochschulen: Woher kommt das Geld für Ihre Uni?
Mindestens 1,27 Milliarden Euro haben Firmen 2010 an Hochschulen gegeben.
Auf einer neuen Whistleblowing-Website sammelt die taz ab sofort solche
Fälle.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.