# taz.de -- Neues Album von Maxmillion Dunbar: House als Zukunftsmusik | |
> Der Produzent Maxmillion Dunbar erfüllt das alte Versprechen von House | |
> mit neuem Leben: Es entstehen musikalische Räume voller Möglichkeiten. | |
Bild: Auch doppelt möglich: Maxmillion Dunbar. | |
Seltsam, aber doch. Ravekultur ist mit enormer Zeitverzögerung nun auch in | |
den USA zu einem Mainstream-Phänomen geworden. Vergleichbar der | |
Aufmerksamkeit, wie sie hierzulande die „ravende Gesellschaft“ am Höhepunkt | |
der jährlichen Berliner Loveparade-Umzüge Mitte der Neunziger genossen hat. | |
DJs wie Swedish House Mafia oder David Guetta bespielen von Ost- bis | |
Westküste riesige Hallen und Open-Air-Festivals, zelebrieren die Ekstase | |
der Massen unter Hinzunahme ausgeklügelter Visuals und Tanzchoreografien. | |
Selbst im erzrockistischen Rolling Stone werden Tabellen mit den | |
DJ-Gagen-Spitzenreitern abgedruckt, inklusive Erfahrungsbericht über | |
bevorzugte Partydrogen. Ein Hinweis auf das Berliner Berghain darf | |
natürlich auch nicht fehlen. Nur die Musik, so scheint es, hat nachrangige | |
Bedeutung. | |
## Paradoxer Status | |
Womit wir beim paradoxen Status von House und Techno in den USA wären. | |
Ausgerechnet dort, wo Disco bereits von 1986 an auf das herannahende | |
Computerzeitalter upgedatet wurde, waren die großen Erzählungen der | |
elektronischen Tanzmusik Mitte der neunziger Jahre aus der öffentlichen | |
Wahrnehmung verschwunden. Bis dahin konnten Künstler wie Ten City bei | |
US-Majorlabels sogar gelegentlich Alben veröffentlichen. In den nuller | |
Jahren fielen selbst für namhafte US-House-Produzenten bestenfalls Remixe | |
ab, verbannt auf die B-Seiten von Charthits der Stars. | |
Wer künstlerisch selbstbestimmt arbeiten wollte, musste den Umweg über | |
Europa nehmen. Zu Hause gab es weder überregionale Infrastruktur noch | |
Publicity, während in Großbritannien oder Deutschland der Dance-Underground | |
aus Chicago oder Detroit seit 25 Jahren mythologisiert wird. | |
Geschichtsvergessenheit versus Geschichtsversessenheit. | |
## Transatlantische Missverständnisse | |
Wie sich dieses Muster aus transatlantischen Missverständnissen inzwischen | |
gewandelt hat, zeigt auf exemplarische Weise „House of Woo“, das zweite | |
Album des Produzenten Maxmillion Dunbar aus Washington D. C. Erschienen | |
beim New Yorker Hipster-Label RVNG Intl., entwickelt Dunbar darauf eine | |
sehr persönliche Version von House in elf Kapiteln. Das heißt, „House of | |
Woo“ ist keine Ansammlung funktionaler DJ-Bretter, das Album entwickelt auf | |
der Langstrecke seine Wirkung. Dunbars Musik steckt voller subtiler | |
Abweichungen von der Klangnorm. Mal fehlt, wie in dem Track „The Figurine“, | |
die Bassdrum, die man sich sehnlichst zu dem Synthieloop wünschen würde. | |
Mal besteht der Track „Inca Tags“ ausschließlich aus Percussion, | |
absichtlich grob in die Mitte gerückt. Fast immer hat Dunbar die | |
Geschwindigkeit gedrosselt, seine Tracks humpeln freudig dem Sonnenaufgang | |
entgegen. | |
Der 45-Jährige, Teil des DJ-Gespanns Beautiful Swimmers, Betreiber des | |
Houselabels Future Times, verabreicht auf „House of Woo“ seine Dosis | |
Geschichtsbewusstsein stets subkutan. Der 4-to-the-Floor-Rhythmus bei „Ice | |
Room Graffiti“ ist bei aller Sperrigkeit freundlich wankend, distanziert. | |
Überhaupt ertönt Vergangenheit nur als sarkastisches Echo. | |
## Meister der Atmosphäre | |
Meisterschaft entwickelt Dunbar beim Heraufbeschwören von Atmosphäre. Seine | |
Tracks brechen vor dem Höhepunkt gern ab, man lechzt nach mehr. Und genau | |
an diesem Punkt steht Dunbars Sound in deutlicher Distanz zum „Immer auf | |
die Vollen“-Paradigma des Mainstreams. Seine Musik ist keine Erfüllung von | |
Dancefloor-Soll. „House of Woo“ definiert Tanzen als futuristisches | |
Projekt: Heute Nacht könnte noch etwas passieren, vielleicht lernen wir uns | |
kennen. | |
Vielleicht auch nicht. Zum Glück gibt es inzwischen auch abseits des | |
US-Party-Mainstreams Platz für solche Entwürfe wie „House of Woo“. | |
## Maxmillion Dunbar „House of Woo“ (RVNG Intl.) | |
24 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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