| # taz.de -- Labelporträt The Trilogy Tapes: All das knallt gewaltig | |
| > Guerilla-Boarding, Deejaying, Design: Vielfältig bewegt sich Will | |
| > Bankhead, der die geheimnisvolle Welt des Londoner Elektronik-Labels The | |
| > Trilogy Tapes leitet. | |
| Bild: Cover Dario Zenker. | |
| Skateboarding ist kein Verbrechen, es ist die unwiderstehliche Aneignung | |
| von Zumutungen des öffentlichen Raums, genauer gesagt, seiner | |
| Mauervorsprünge, Treppen und Rampen, all jener Ecken und Kanten der | |
| Stadtarchitektur also, die eigentlich abweisen sollen. Zinnen und Zacken, | |
| Stahlträger und Betonteile der am brutalistischen Baustil reichen | |
| britischen Hauptstadt haben es Will Bankhead besonders angetan. Es gibt | |
| kein architektonisches Hindernis in London, das der Brite nicht schon als | |
| Spot für seine Grinds, Grabs oder Flips mit dem Skateboard überfahren, | |
| besprungen oder beschlittert hätte. | |
| Guerilla-Boarding ist nur eine kinetische Seite von Bankhead, eine andere | |
| ist Grafikdesign und wieder eine andere ist Deejaying. Alles zusammen | |
| kulminiert in seiner Arbeit für The Trilogy Tapes (TTT), Bankheads Label, | |
| auf dem der Brite elektronische Musik aus der ganzen Welt veröffentlicht | |
| und dessen Schaffen er in einem Blog dokumentiert. | |
| All dem hat Bankhead eine eigenwillige Ästhetik eingeschrieben. Alle Covers | |
| von TTT sind von ihm gestaltet. Ihre atemlose, unruhige Bildsprache schreit | |
| einen direkt an: Sie zeigt eine aus den Fugen geratene Welt, extrem | |
| vergrößert, verpixelt oder mit Schraffuren unkenntlich gemacht. | |
| Graffiti-Tags, alte Kupferstiche, Gittermuster oder Abbildungen aus | |
| Werkzeugkatalogen zieren ihre Frontseite. Bankhead, der bereits in den | |
| Neunzigern für Londoner Labels wie Mo’ Wax und Honest Jons Cover designt | |
| hat, scheint beim Gestalten immer in Bewegung. | |
| Der Plattenteller dreht sich, der Bildschirm flimmert, die Maus scrollt | |
| endlos über den Computerscreen. Und so laufen Design, Horrorfilm-Images, | |
| Soundbytes, zerschredderte Videoclips bei ihm auf seltsame Weise | |
| ineinander. Aber was wollen uns Klangkurven von DJ-Mixen oder die | |
| verblichenen Farbwelten eines italienischen Giallo-Films sagen? Dem | |
| Internetdienst Resident Advisor erklärte Bankhead, ihn fasziniere gerade | |
| das Unvollendete und Unverstandene. Und so ist auch TTT bruchstückhaftes | |
| und fragmentarisches Erzählen, Einzelteile aus dem Unterleib des Urbanen. | |
| Wie die Fahrt mit einer U-Bahn und ihren wechselnden Fahrgästen, visuelle | |
| und akustische Eindrücke inklusive. | |
| Zentral ist bei TTT die Geste der Informationsverweigerung, außer | |
| Tracktitel und Künstlernamen gibt es keine Hinweise auf das Werk. Die | |
| Künstler schicken Bankhead aus Detroit, Leipzig, oder Istanbul Musik, er | |
| veröffentlicht sie, fertig. Eine Platte entspricht der Klangphilosophie von | |
| Industrial Music, die Nächste nimmt Anleihen beim digitalen Nihilismus der | |
| jamaikanischen Dancehall. | |
| Gerade im stilistischen Durcheinander hat sich das Label The Trilogy Tapes | |
| zu einem extrem spannenden Labor für kompromisslos noisigen, oftmals | |
| übersteuerten Dancefloor-Sound entwickelt. Vocals gibt es nicht. Und | |
| trotzdem ist der Sound absolut gegenwärtig, Popmusik, die jede renitente | |
| Selbstaneignungsgeste im Repertoire hat, aber auch hyperkapitalistisch von | |
| limitierter Auflage zu Must-See-Event hechelt. | |
| Ähnlich wie in Philipp K. Dicks Zukunftsroman „Ubik“ (1969) ist die | |
| TTT-Welt besessen von ihrer Produkthaftigkeit. Die Musik und ihre | |
| Verpackung drücken zwar aus, dass es ein Außen in dieser durchgebrandeten | |
| Realität gibt, man muss sich diese Realität aber jenseits von Internet und | |
| Konsum als Fantasie vorstellen. Wenn man die brettharten | |
| TTT-Veröffentlichungen des New Yorker Techno-Produzenten Chemotex hört, | |
| merkt man allmählich, dass ihr schriller Lärm Ausdruck dessen ist, wie sehr | |
| jemand am Leben hängt; dies teilt sich etwa durch den Hallo-Wach-Effekt | |
| eines nervtötend wiederholten Klingeltons mit. | |
| Will Bankheads bester Kumpel ist der in Tokio lebende britische | |
| Modedesigner Toby Faltwell, der seine Linie nach der Tätowierung eines | |
| Protagonisten in „Ubik“ benannt hat: C. E. „Caveat Emptor“ (der lateini… | |
| Rechtsgrundsatz des wachsamen Käufers). Schnell zugreifen und weiter zum | |
| nächsten Ding. Hört man sich DJ-Mixe von Will Bankhead an, dann spricht aus | |
| den fantastischen Montagen ebenfalls die Verunsicherung des Individuums in | |
| der Konsumgesellschaft, das Ohrenrauschen des erschöpften Selbst und die | |
| Verlockungen unendlichen Bling-Blings. All das knallt gewaltig und ist | |
| seinem Gegenstand gegenüber doch nie ehrfürchtig affirmativ. | |
| 18 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Julian Weber | |
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