# taz.de -- Schweizer Künstlerin Franziska Lantz: Schönheit im Hässlichen | |
> Die in London lebende Künstlerin Franziska Lantz macht Kunst und | |
> elektronische Musik, die den Klimawandel mitdenkt – und brachial klingt. | |
Bild: Klimawandel ist real: Franziska Lantz | |
Die Erde mag ja der schönste Platz im All sein, ein Wattebausch ist sie | |
nicht, eher ein unwirtlicher Ort, an dem sich zuletzt die Katastrophen | |
häuften: Klimaerwärmung is real. Die in London lebende bildende Künstlerin | |
Franziska Lantz beschäftigt dieses Thema mehr als viele andere. Sie | |
realisiert dazu Installationen und produziert [1][tumultuöse elektronische | |
Tanzmusik], die klingt wie ein Furunkel, der vor lauter Anspannung rumort. | |
In Titeln wie „Expanding Arid Zones“ und „Forming Tropical Cyclone“ ruft | |
Lantzʼ Sound in Erinnerung, dass die Ruhe der Gegenwart trügerisch ist. | |
„Ich drücke mich durch Klimakapriolen aus, das ist für mich interessanter, | |
als plakative Botschaften zu machen, es gibt mir außerdem mehr kreativen | |
Spielraum.“ Faszinierend an Lantzʼ Werk ist, dass ihr Ansatz | |
dokumentarischen Charakter hat. Es wirkt so elementar, dass man den | |
fiktionalen Anteil fast übersieht. Was auch daran liegt, dass die | |
Schweizerin in ihren Vorstellungswelten Alarmismus nicht zur leeren | |
Provo-Geste ästhetisiert. | |
„Wetter ist Inspiration für meine Musik, für die Kunst, für Materialien und | |
Sounds. Ich achte auf die Umwelt. Mehr als andere hänge ich ab vom Klima. | |
Das ist immer verbunden mit emotionalen Zuständen. Ich nenne es,auf die | |
Welt hörenʻ. Vielleicht schaffe ich es so auch, andere zum Nachdenken zu | |
bewegen.“ | |
## Abfälle aus der Themse | |
Lantzʼ Kunstwerke bestehen aus Found-Art, Gegenständen, die die 45-Jährige | |
bei Streifzügen entlang der Themse sammelt. Damit denkt sie sich | |
postapokalyptische Höhlenszenen aus, wie in der Ausstellung „Heatwaves, | |
Droughts and Heavy Rainfall“:In einem kahlen weißen Raum baumeln Knochen an | |
einem Garderobengestell. Einst als Metzgereiabfall in den Fluss gekippt, | |
kamen die Knochen bei Ebbe zum Vorschein. Am Boden stehen blau-gelbe | |
Plastikkanister, umfunktioniert zu simplen Trommeln; ein Accessoire bleibt | |
unangetastet: In der Ecke steht ein Plattenspieler. | |
Musik spielte immer eine Rolle bei Franziska Lantz. Als Teenagerin | |
trommelte sie am Schlagzeug, hatte aber Bühnenangst, konnte nicht in Bands | |
spielen. Durch den Umweg bildende Kunst hat sie dies überwunden. Heute geht | |
Lantz virtuos mit Drummaschinen und Synthesizern um, jammt auch live. | |
Sie jagt ihre Hardware durch Effektgeräte, verfremdet, zerstört die gerade | |
entstehenden Sounds wieder. „Ich gebe der Klangskulptur damit eine andere | |
Richtung. Wie bei den Gegenständen, die ich für meine Installationen | |
einsetze, sind auch meine Töne keine ungehörten futuristischen Klänge, | |
sondern Material, das lange am Grund des Klangozeans lag, das ich nun | |
geborgen habe.“ | |
## Survival Techno | |
Viele ElektronikproduzentInnen pushen momentan Entschleunigung, | |
Zurückhaltung. Das ist Lantzʼ Sache nicht. Ihre Musik klingt [2][brachial], | |
ist körperlich erfahrbar. Ihren Frontalansatz nennt die Londonerin | |
„Survival Techno“. Drei Alben hat sie bisher auf ihrem eigenen Label Global | |
Warming veröffentlicht. Sehr gelungene Zeugnisse gegen Lethargie, hohle | |
Affirmation und blinden Konsumismus. Die [3][Sound-Rohheit] ist Ergebnis | |
einer intensiven Auseinandersetzung mit der Umwelt. | |
Zwischen ihrer wohlbehüteten Sozialisation auf dem Land bei Basel und ihrem | |
Alltag in London, wohin sie 1998 zum Studieren kam und seither lebt, liegt | |
ein himmelweiter Unterschied. „In der Schweiz war ich ständig im Freien, | |
meine Kindheit in Beschaulichkeit war wohlbehütet. Wir waren oft im Wald. | |
In London habe ich die Schönheit anderswo entdeckt, im Hässlichen und im | |
Krassen. Das Toughere habe ich als Szenenwechsel gebraucht.“ | |
Verwirklicht sehen möchte Franziska Lantz in naher Zukunft gerne Artikel 1 | |
der Erklärung der Menschenrechte. Alle Menschen sind frei und haben die | |
gleichen Rechte. „Hier in London erlebe ich täglich, wie Menschen ihre | |
Andersheit hervorheben, anstatt anzuerkennen, dass alle die gleichen | |
Bedürfnisse haben.“ Egozentrik gibt es reichlich, Franziska Lantz entdeckt | |
in ihrer Kunst etwas Größeres als nur sich selbst und appelliert | |
unaufdringlich an das Grundsätzliche. | |
29 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?time_continue=2&v=rdnuiEJanJA&feature… | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=4_J8Riw8SDQ | |
[3] https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=Wa7fXu1kmJs&feature… | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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