# taz.de -- New Yorker Musiker James Duncan: Verbindlich ist nur die Improvisat… | |
> James Duncan spielt in Free-Jazz-Ensembles Trompete, ist DJ und | |
> produziert feinen Deep-House. Nun ist es Zeit für den Durchbruch. | |
Bild: James Duncan in Brooklyn/New York, Dezember 2014. | |
Es gibt Bezeichnungen für musikalische Spielarten, bei denen es | |
schwerfällt, die akustischen Ingredienzien zu benennen oder sich auch nur | |
vorzustellen, was da genau ertönt. Wie also klingt „Bongo Kraut Disco“? Dem | |
Namen nach scheint hier Punk mit lateinamerikanischen Rhythmen zu | |
liebäugeln und eine glorreiche Ära in die Gegenwart zu katapultieren. | |
Die Band mit dem Graffiti-Tag-tauglichen Namen „178 Improvisation Product“ | |
hat sich ebenjene Genre-Neuschöpfung auf die Fahnen geschrieben. Ihr Name | |
mag diesseits des Atlantiks numerologische Fantasien entfachen, in New York | |
wurde das Konglomerat höchst eigenwilliger Persönlichkeiten mit | |
musikalischen und anderen schillernden Berufungen vor etwa einem halben | |
Jahr ins Leben gerufen. | |
Ihr Gründer Sal Principato, besser bekannt als Sänger und Motor der | |
genialen Postpunk-Funk-Band Liquid Liquid, spielt die Bongos und hat | |
Stimmkünstler und Instrumentalisten um sich geschart, die sich in vielen | |
Genres bewegen: Felice Rosser singt Blues, Rock und Reggae, Tim Harrington | |
ist Frontmann der Indie-Rock-Band Les Savy Fav, Patrick Wood spielt | |
Schlagzeug in der Electropop-Formation The Phenomenal Handclap Band, Elliot | |
Taub und Chris Muñoz sind DJs. Wie auch James Duncan, der im 178 | |
Improvisation Project aber Trompete spielt. | |
Als Mitglied des Musikerkollektivs IZITITIZ hat Duncan sich seine Meriten | |
im Free Jazz traditioneller Prägung erspielt. Die Band schreckte live nicht | |
vor krudem Lärm zurück und experimentierte mit Bewegungsformationen der | |
Musiker auf der Bühne. | |
Im Modern Jazz fühlt sich Duncan ebenso zu Hause: Gelegentlich lädt ihn der | |
Trompeter Philip Harper, der in den Achtziger Jahren Mitglied bei den Jazz | |
Messengers des legendären Schlagzeugers Art Blakey war, zu Jamsessions ein, | |
mit dem Funk-Trompeter Roy Hargrove ist Duncan auch schon aufgetreten. | |
Letzten Herbst wagte er den Schritt zum Festival of New Trumpet Music, das | |
Dave Douglas mit Gleichgesinnten 2003 in New York gegründet hat. Es bietet | |
die denkbar größte Bandbreite an zeitgenössischer Musik für Trompete vom | |
rein akustischen Solokonzert über kleine Ensembles mit | |
Originalkompositionen bis hin zu Bigband-geschulten Blechbläsern oder | |
freier Improvisation und elektronisch aufbereiteter Trompetenmusik. Einmal | |
mehr zeigt sich hier, dass die Improvisation Musiker über Genregrenzen | |
hinweg vereint. | |
Weshalb sich auch James Duncan so selbstverständlich in vielen Szenen | |
bewegt. „Wirklich für mich entdeckt habe ich Jazz erst nach meiner | |
Schullaufbahn“, beschreibt er sein musikalisches Umfeld im kanadischen | |
Toronto, wo er geboren und aufgewachsen ist. „An der Highschool spielte | |
diese Musik praktisch keine Rolle. Ich habe mit elf Jahren angefangen, | |
Trompete und Gitarre zu lernen. Unter Freunden spielten wir zwar ein paar | |
Nummern von Duke Ellington, aber ich war hauptsächlich in Punk-Bands aktiv. | |
Um 1983 habe ich im Schulradio erstmals Platten aufgelegt – Punk, New Wave | |
und Rock.“ | |
## Erweckungserlebnis mit John Coltrane | |
Aufnahmen des Saxofonisten John Coltrane waren während Duncans Studium der | |
klassischen Trompete an der University of Toronto eine Art | |
Erweckungserlebnis. „Das Album ,Crescent‘ von 1964 habe ich unzählige Male | |
hintereinander gehört. So habe ich ,Kind of Blue‘ von Miles Davis besser | |
verstanden und mich dann weiter vorgearbeitet zu Hardbop und Free Jazz. Als | |
HipHop-Crews wie A Tribe Called Quest anfingen, Aufnahmen des Trompeters | |
Donald Byrd zu samplen, kannte ich die meisten schon im Original.“ | |
Mitte der neunziger Jahre entdeckt Duncan Detroit-House in den Plattenläden | |
Torontos. Er produziert im heimischen Studio und verschickt erste Demos an | |
Labels in der Motor City. Im Jahr 1999 gründet Duncan sein eigenes Label in | |
New York, Le Systeme Records, und veröffentlicht darauf seither in loser | |
Folge unglaublich beseelte House-Tracks. Der Produzent und DJ Morgan Geist | |
wird auf ihn aufmerksam und spannt ihn ein für seinen Remix des Titels | |
„House of Jealous Lovers“ von The Rapture – einen Überraschungserfolg des | |
Electro-Punk Labels DFA. | |
Duncan lässt seine Trompete in hohen Tonlagen wirkungsvoll schnarren, seine | |
Improvisationen umspielen die Beats. Er sitzt nicht dem gängigen | |
Missverständnis auf, das Trompetenspiel mit Dämpfer klinge irgendwie | |
stimmungsvoll, und so ertönt seine mit unbeschwertem Druck nach vorne. Er | |
ist bereits Anhänger von Geists Label Environ und umso stolzer, seinen | |
Sound für dessen Duo Metro Area beizusteuern. | |
„Auch wenn Jazz und House so unterschiedlich sind“, betont Duncan, „gehen | |
sie im Kern auf die gleiche Basis zurück, also Rhythmus, Textur, Tonlage | |
und eine Wirkung, die sich überträgt, aber im besten Fall nicht greifbar | |
ist. Diese Elemente übernehmen Bass, Schlagzeug, Melodie usw. Wenn es | |
funktioniert, ist es, als hörten wir sie zum ersten Mal. Auch wenn Jazz | |
nicht direkt in meinen Tracks vorkommt, prägt er mein Vorgehen. Es geht | |
darum, einen Moment einzufangen und seine aufregende Energie an die Hörer | |
weiterzugeben.“ | |
Auf dem jüngst von Ostgut Ton in Berlin veröffentlichten „Panorama Bar Mix | |
06“ von DJ Ryan Elliott ist James Duncan mit seinem Titel „Shades of House�… | |
(2010) vertreten. Trompete spielt er eher auf den Songs anderer, demnächst | |
will er wieder Tracks unter eigenem Namen veröffentlichen. | |
5 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Franziska Buhre | |
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