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# taz.de -- Neues Album von Cristian Vogel: Rauschen für die Untätigen
> Nur Clicks und ein paar Knackser: Weniger ist mehr, die Maxime des
> britischen Produzenten Cristian Vogel auf dem neuem Album "The
> Inertials".
Bild: Großes Variantenreichtum im Minimalen: „The Inertials“ von Cristian …
„The Inertials“: die Trägen, Untätigen. So heißt das neue Album von
Cristian Vogel – und wirklich schlägt der Brite mit chilenischen Wurzeln
auf seinem sage und schreibe 14. Werk eher ein gemäßigtes Tempo an. Wie ein
in stiller Regelmäßigkeit bollernder Ofen oder besser wie eine ganze
Industriehalle voller solcher Öfen klingen die zehn Tracks auf dem per
Crowd-Funding finanzierten Werk. In jene Bollerofen-Bässe mischt sich ein
Knacken und Zischen, ein Klacken und Rauschen; Störgeräusche für Liebhaber
des Scheinanalogen.
Dabei ist jedes dieser Stücke behutsam ausgetüftelt und digital produziert
– Vogel ist inzwischen Technoveteran. Seine Tracks zeichnen sich jedoch
schon seit seinem Debütalbum „Beginning To Understand“, 1994 bei Mille
Plateaux erschienen, durch einen gewissen Avantgarde-Gestus aus. Er war
auch der erste britische Künstler beim legendären Berliner Label Tresor. Um
die Jahrtausendwende bildete er mit Jamie Lidell das Electro-Soul-Duo
Super_Collider, bevor jener seine Solokarriere startete.
Vogel hat nicht nur Remixe für Radiohead und Maxïmo Park erstellt, sondern
Musik genauso für den Club wie für die Tanzstücke des Schweizer
Choreografen Gilles Jobin komponiert. Er hat an der University of Sussex
„Musik des 20. Jahrhunderts“ studiert und ist Komponist und Programmierer,
Theoretiker und Praktiker der digitalen Klangforschung in einem.
So nimmt es nicht wunder, dass „The Inertials“, Vogels erster
Veröffentlichung beim Berliner Label Shitkatapult, an vielen Stellen etwas
Abstraktes, Intellektuelles anhaftet. Beim Hörer kommt das jedoch nie als
unangenehm verkopftes Bemühen an, das das Vergnügen an der Musik schmälern
würde, sondern als Freude an der Komplexität der Beats und an der Sorgfalt,
mit der die Sounds produziert, gemischt und zusammengesetzt wurden. Gerade
wer das Minimale in aktuellen Dancefloor-Produktionen vermisst, findet hier
wohltuende Abwechslung.
## Clicks, Knackser und melancholisches Zirpen
Zum Beispiel bei „Seed Dogs“: Der zweite Track auf „The Inertials“ brau…
neben seinem brummenden Bass nicht mehr als eine Handvoll Clicks und
Knackser und ein Becken hier und da, um einen auf vertrackte Weise immer
wieder hinters Licht zu führen. Nach jedem Hören wieder die Frage: Wie
konnte man nur diese hinterlistig eingeführten Tempowechsel verpassen?
Herzstück des Albums ist aber der Elfminüter „Spectral Transgression“. Vom
Rest hebt er sich schon in seiner Länge deutlich ab. Er beginnt mit einem
fernen Rauschen, ein stampfender Beat wird eingeführt, begleitet von einem
melancholischen Zirpen, das stetig die Tonhöhe verändert – eine kleine
Melodie auf mehrere Minuten ausbreitet. Dezente Klavierbegleitung und
irgendwo ganz weit unten immer noch das Rauschen, das langsam wieder
hervortritt, bis es in der Mitte des Tracks für einen kurzen Augenblick
fast still ist. Dann treibt der Bass die Melodie souverän Richtung
Dancefloor.
Hier zeigt sich auch, was Vogel ausmacht: einen großen Variantenreichtum im
Minimalen zu besitzen. Er ist kein Purist, gleichzeitig ist aber auch kein
Track mit nutzlosem Geplänkel überfrachtet – die Könnerschaft eines
erfahrenen Produzenten. Die braucht es wohl, um ein Album wie „The
Inertials“ machen zu können: eine eigene Welt irgendwo zwischen Dub und
Minimal Techno. „Todays Standard Form“, so ist mit einer Spielzeit von 3
Minuten, 19 Sekunden der kürzeste Track des Albums betitelt.
Tatsächlich hat man den Eindruck, dass es genau das ist: So muss
inspirierter Techno von heute aus klingen. Andererseits ist diese
Feststellung natürlich eine Untertreibung. „The Inertials“ ist weit mehr
als eine Variation des state of the art.
19 Jun 2012
## AUTOREN
Elias Kreuzmair
## TAGS
House
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