# taz.de -- Neues Album der „Peaking Lights“: Am Anfang steht der Bass | |
> Dub mit Homerecording-Charme: Das Album „Lucifer“ des US-Elektronik-Duos | |
> Peaking Lights lebt von analoger Wärme und der Verbindung aus Dub und | |
> Wave. | |
Bild: Mehr als die musikalische Speerspitze einer im Hippiegewand auftretenden … | |
Indra Dunis und Aaron Coyes haben bestimmt schon ruhigere Tage als diesen | |
erlebt. Als wären ein Videodreh, diverse Interviews und die letzten | |
Vorbereitungen für die anstehenden Europakonzerte ihres Bandprojekts | |
Peaking Lights nicht schon genug, verlangt auch ihr 13 Monate alter Sohn | |
Mikko viel Aufmerksamkeit. | |
Mikko ist so etwas wie das inoffizielle dritte Bandmitglied und reist bei | |
der kompletten Tournee zur Präsentation des dritten Peaking-Lights-Albums | |
„Lucifer“ mit: „Wir sind schon mit ihm auf Tour gegangen, seit er sechs | |
Monate alt ist“, erzählt Dunis. „Er ist sehr extrovertiert und hat gerne | |
viele Leute um sich. Schwierig ist nur die lange Zeit im Flugzeug.“ | |
Mikkos Geburt fiel genau in die Phase zwischen der Veröffentlichung von | |
„936“, dem zweiten Album und dem Beginn der Arbeiten an „Lucifer.“ „9… | |
könnte man wohl am besten als „Sleeper“ bezeichnen: Bei seiner | |
Veröffentlichung noch kaum beachtet, war es schließlich in immer mehr | |
Jahresbestenlisten 2011 zu finden. | |
## Sommerhits im Winter | |
Mit seinen dezenten Dub- und Krautrock-Einflüssen hob sich „936“ wohltuend | |
vom narkotisierten Neopsychedelia-Einheitsbrei ab und hatte mit „All The | |
Sun That Shines“ und „Hey Sparrow“ mindestens zwei verspätete Sommerhits… | |
bieten. Vom Hype um ihr Label „Not Not Fun“ konnten die Peaking Lights aber | |
weniger profitieren, zumal ihr zweites Album in Europa erst Monate später | |
auf dem Domino-Sublabel Weird World veröffentlicht worden ist. | |
Mit dem Not-Not-Fun-Kollektiv um Amanda Brown teilen Coyes und Dunis die | |
kalifornische Herkunft, eine musikalische Sozialisation in | |
Hardcore-Punkbands und das Bewusstsein, dass „vintage“ und „retro“ mehr | |
sein können als nur die meistverwendeten Schlagworte des eigenen | |
Tumblr-Blogs. | |
Das Zugehörigkeitsgefühl sei eher locker, sagt Coyes, nicht nur, weil das | |
Duo jetzt fest bei Domino unter Vertrag steht, sondern Kalifornien | |
mittlerweile auch Richtung Wisconsin verlassen hat. Die professionellen | |
Aufnahmebedingungen in einem New Yorker Studio hört man „Lucifer“ zum Glü… | |
nicht an, der Homerecording-Charme ihrer ersten beiden Alben konnte bewahrt | |
werden. | |
Noch immer lebt der Sound von der analogen Wärme der selbst gebauten | |
Synthesizer, die Coyes im Keller seiner Wohnung zusammenlötet. Das | |
hypnotische Pulsieren im Auftaktsong „Moonrise“ erinnert an die | |
Minimal-Music von Steve Reich und Terry Riley oder auch an die | |
Industrial-Music-Pioniere Throbbing Gristle. | |
## Ätherische Stimme | |
Noch weniger als auf „936“ folgen die einzelnen Stücke klassischen | |
Songstrukturen, Indras ätherische Stimme ist eher wie ein zusätzliches | |
Instrument mit den Klängen verwoben. „Die Musik kommt aus unserem Innern, | |
wir hätten sie also letztlich überall auf der Welt aufnehmen können. Beim | |
Songwriting spielen wir zuerst Bass und die Drums ein und beginnen dann zu | |
improvisieren, ohne uns von vorgegebenen Strukturen einschränken zu | |
lassen.“ | |
Die weltentrückte Naturverbundenheit und der Hang zum Mystizismus ließen | |
den Vorwurf aufkommen, Peaking Lights seien die musikalische Speerspitze | |
einer im Hippiegewand auftretenden neuen Ökobürgerlichkeit. Doch damit täte | |
man ihnen Unrecht. | |
Hinter der Fassade der bekifften Romantiker stecken ambitionierte | |
Klangforscher, die sich kritisch und reflektiert mit Musik | |
auseinandersetzen. „Bei vielen aktuellen Produktionen wird zu viel Wert auf | |
das mittlere Frequenzspektrum gelegt. So hört sich Musik zwar laut gut an, | |
aber es fehlt die Dynamik,“ sagt Doyes. | |
## Kein festes Koordinatensystem | |
Noch stärker als auf „936“ dominieren auf „Lucifer“ die bassintensiven | |
Klänge von Dub und Reggae. „Dub hat eine immersive Qualität, man kann sich | |
in dieser Musik verlieren und hat kein festes Koordinatensystem aus Refrain | |
und Strophen.“ Mit Songs wie „Midnight (In The Valley Of Shadows)“ knüpf… | |
Peaking Lights an lange vergessene Traditionen zu Beginn der Achtziger an, | |
als die Verbindung von Dub und New Wave im Londoner Untergrund äußerst | |
innovative Resultate hervorbrachte. | |
Treibende Kraft dieser Fusion war damals Adrian Sherwood mit seinem Label | |
On-U-Sound, der kürzlich sogar einen Remix für Peaking Lights beigesteuert | |
hat. In Zeiten, in denen fast wöchentlich neue Compilations afrikanischer | |
Popmusik des vergangenen Jahrhunderts wie Trophäen einer Jagd nach Obskuren | |
und Exotischen präsentieren, ist diese Rückbesinnung ein wichtiger Schritt | |
nach vorn. | |
8 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Julian Jochmaring | |
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