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# taz.de -- Heckler & Koch in den USA: Germany liefert
> Seit Obama das Waffenrecht reformieren will, boomt die Branche. Regale in
> den Shops lichten sich. Der deutsche Konzern Heckler & Koch profitiert.
Bild: Ein Premiumprodukt: David Westforth posiert mit einem halbautomatischen G…
CHICAGO / GARY taz | Halbautomatik, Kleinkaliber, Revolver. Kategorien für
Anfänger, findet David Westforth. Er unterteilt seine Waffen nach anderen
Kriterien. Fünf sind es. Spaßwaffen, Investitionswaffen,
Verteidigungswaffen, Sammlerwaffen. Die letzte Kategorie fällt Westforth,
29 Jahre alt, nicht mehr ein. Er wird darauf zurückkommen.
David Westforth verschwindet beinahe neben den Revolvern, Gewehren und
Pistolen, die er verkauft. Er ist blass wie die Wand, vor der sich die
Waffen noch besser absetzen. Wie eine Aushilfe steht er klein und
schmächtig hinter der einfachen Registrierkasse. Aber das hier ist sein
Laden.
Sein Name hängt in großen weißen Lettern über der Eingangstür: „Westforth
Sports“. In dem flachen Zweckbau am Stadtrand von Gary, Indiana, in der
Nähe einer mehrspurigen Schnellstraße, kaufen auch Angler ihre Ausrüstung.
An diesem Tag interessieren sich die Kunden allerdings vor allem für
halbautomatische Gewehre im Militärstil. Wie das AR-15, mit dem ein junger
Mann im Dezember in Newtown, Connecticut, 27 Menschen erschoss.
Unter David Westforth’ schwarzer Fleecejacke versteckt sich das Holster mit
der halbautomatischen Pistole. Wie viele Gewehre und Revolver er genau
verkauft, darüber schweigt David Westforth lieber.
Es könnte auch damit zusammenhängen, dass die Waffen aus seinem Laden immer
wieder dort töten, wo sie eigentlich verboten sind: auf den Straßen von
Chicago, Illinois.
## 12.106 Waffen
Obwohl kaum ein Staat in den USA striktere Waffengesetze hat als Illinois,
verzeichnet kaum eine Stadt im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Morde pro
Jahr als Chicago. 506 waren es im vergangenen Jahr, 440 starben durch eine
Waffe. 2011 hat die Polizei in Illinois 12.106 Waffen konfisziert, 6.023
davon in Chicago. In New York City wurden in derselben Zeit 3.980 Waffen
sichergestellt. Chicago hat 2,7 Millionen Einwohner, New York 8,3
Millionen.
2. Juli 2013: Terrence Graves, 23 Jahre, Zeitungsverkäufer, erschossen am
frühen Morgen in Washington Heights, Chicago
Im Januar 2013 stürmten Drogenfahnder eine Wohnung im Nordwesten Chicagos.
Sie fanden Kokain, Cannabis, viel Bargeld und eine halbautomatische Pistole
der Marke Heckler & Koch USP 9 mm. USP wie: universale Selbstladepistole.
Im März nahmen verdeckte Ermittler einen Drogendealer fest. In seinem
Wagen: eine Heckler & Koch USP 9 mm. Nur wenige Wochen später fand das
Drogendezernat bei einer Durchsuchung im Westen der Stadt neben Ecstasy
zwei halbautomatische Waffen. Eine Beretta und eine Heckler & Koch USP .40
cal.
Immer wieder: Heckler & Koch. Die Premiummarke ist nicht nur in Läden wie
dem von David Westforth erfolgreich. Sie profitiert vom weltgrößten zivilen
Waffenmarkt, von Waffenfantasien und Waffenträumen, die bei Händlern wie
David Westforth schon in der Kindheit beginnen können. Als Junge stand er
im Familienbetrieb hinter den Glasvitrinen mit den Pistolen. Er konnte kaum
drüberschauen.
In seinem Rücken hängen jetzt Flinten und Gewehre. Colt, Smith & Wesson,
Heckler & Koch. Die Munition stapelt sich sauber in den Regalen. Ein
ruhiger Tag im Frühsommer. Ein Kunde überlegt, ob er knapp 1.000 Dollar für
ein halbautomatisches Gewehr ausgeben soll.
Westforth hat das Gefühl, dass es gerade etwas abzuwehren gilt. Die
politische Debatte um schärfere Waffengesetze nach dem Amoklauf in Newtown
macht seinen Kunden Angst. Barack Obama hat versucht, Magazine mit mehr als
zehn Patronen und halbautomatische Sturmgewehre zu verbieten. Die Preise
steigen zwar und die Hersteller können die Nachfrage kaum befriedigen.
Westforth kann sich an diesem Boom dennoch nicht richtig erfreuen. Was,
wenn es Obama irgendwann doch schafft, Ernst zu machen?
Im April waren die Pläne des Präsidenten im Senat gescheitert.
„Unangemessen“ fand Westforth das ohnehin.
David Westforth greift zu einem schwarzen AR-15, das nach
Elite-Militäreinheit aussieht, und zu einem Jagdgewehr mit Holzschaft.
Grimmig das eine, traditionell antik das andere. Beides Sturmgewehre,
„assault weapons“, um die es in der Debatte jetzt immer geht. „Soll das
etwa alles verboten werden?“, fragt er.
Heckler & Koch könnte ein weitreichendes Verbot wirtschaftlich ruinieren.
Der Konzern aus Oberndorf am Neckar braucht die USA, um zu überleben. Alte
Schulden drücken auf die Unternehmensbilanz – trotz solider Erlöse von 213
Millionen Euro im vergangenen Jahr. Heckler & Koch habe lediglich
„limitierte Bargeldquellen, die aus freien Barbeständen in Höhe von 16,9
Millionen Euro bestehen“, wie die Ratingagentur Moody’s schreibt, die das
Unternehmen auf Caa2 herabstufte, hellroter Bereich. Schon verzögerte
Zahlungen können so schnell den finanziellen Ruin bedeuten.
## Absolut alternativlos
„Das US-Geschäft ist absolut alternativlos für Heckler & Koch. Es ist
abhängig von der Nachfrage aus den USA“, sagt deshalb Peter Lock, Soziologe
und Volkswirt, der seit den 70er Jahren zu Rüstung und Militär forscht.
Auch Jürgen Grässlin, Rüstungsgegner und Kenner des Unternehmens, glaubt,
nach Saudi-Arabien sei „das US-Geschäft das wichtigste für Heckler & Koch.�…
3. Juli: Damani Henard, 14 Jahre, erschossen am frühen Morgen in Austin,
Chicago, auf dem Heimweg
Wer aus Chicago, Illinois, kommt und bei David Westforth in Gary, Indiana,
eine Waffe kaufen will, braucht vom Zentrum aus weniger als eine Stunde. 60
Kilometer sind es aus der Stadt mit dem Waffenverbot in die Stadt mit den
Waffenläden.
Dafür, was mit seinen Waffen passiert, fühlt sich David Westforth nicht
verantwortlich. Er ist ja Geschäftsmann.
Leute, sagt er, die die Waffen auf den Straßen von Chicago weiterverkaufen,
erkenne er natürlich sofort und weise sie ab.
Eine Statistik des University of Chicago Crime Lab zeigt etwas anderes. Von
den Waffen, die die Polizei in Chicago von 2008 bis März 2013 konfisziert
hat und die innerhalb eines Jahres nach ihrem Verkauf für ein Verbrechen
genutzt wurden, konnten 68 zu David Westforths Laden zurückverfolgt werden.
Platz 3 in der Statistik. Aus Chuck’s Gun Store, südlich von Chicago
gelegen, landeten 268 Waffen auf der Straße. Dort spricht man gar nicht mit
der Presse und auch bei Midwest Guns nicht, Rang 2 in der Negativstatistik.
Ein Mitarbeiter kann sich eine Bemerkung nicht verkneifen: „Alles, was auch
nur wie eine Waffe aussieht, verkauft sich.“ Er lacht ein bald zahnloses
Lachen dabei.
David Westforth lacht nicht, er lächelt. Er checkt Lizenzen. Hat ein Kunde
noch keine staatliche Erlaubnis, lässt er den vierseitigen Antrag
ausfüllen. Schon einmal in einer Psychiatrie behandelt worden? Vorstrafen?
Drogenabhängigkeit? Gibt der Staat das Okay: keine weiteren Fragen.
4. Juli: Ernest McMullen, 26 Jahre, Kopfschuss auf der Straße, West
Woodlawn, Chicago, um 19.38 Uhr im Krankenhaus für tot erklärt
Europas führendes Unternehmen bei den Kleinwaffen punktet nicht nur im
Handel, es hat auch im militärischen Sektor einen guten Ruf. 2008 gewann
Heckler & Koch eine Ausschreibung, um die US-Marine mit dem Gewehr M27
auszustatten, das auf dem Sturmgewehr HK 416 basiert. Der Waffe, mit der
Osama bin Laden im Mai 2011 getötet wurde. Der Fünfjahresvertrag mit dem
Marine Corps hat laut US-Verteidigungsministerium ein Auftragsvolumen von
bis zu 23,6 Millionen Dollar, das sind etwa 18,2 Millionen Euro.
## 38,5 Millionen für Granatwerfer
Ende 2012 schlossen der deutsche Rüstungsbetrieb und die US-Regierung
außerdem einen Fünfjahresvertrag über die Lieferung von Waffenersatzteilen
über 4,5 Millionen Dollar ab. Der Versuch, diese Zahlen im Dokument zu
schwärzen und so zu verheimlichen, misslang. Besser gelang das im
Schriftstück über die Lieferung von Maschinenpistolen an das
US-Außenministerium, auch aus dem vergangenen Jahr. Es ist nur von einem
„fairen und angemessenen“ Preis die Rede.
Offen kommuniziert wurden im Juli 2011 die 38,5 Millionen Dollar, die die
US-Armee für 18.000 Granatwerfer mit dem H&K-Emblem bezahlte. 2015 soll die
Produktion der Lieferung abgeschlossen sein.
Der US-Markt ist hart, da er heimische Produkte bevorzugt. „Es ist schwer,
einen Fuß in die Tür zu bekommen, aber Heckler & Koch hat es geschafft“,
sagt ein Exmitarbeiter von Heckler & Koch USA. Mittlerweile arbeitet er für
die US-Regierung, weshalb er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen
möchte. Das Sturmgewehr H&K XM8 hatte sich als neue Waffe für die US-Armee
bereits als Favorit herauskristallisiert, bis „mutmaßliche Konflikte beim
Kauf und Bürokratie die Armee im Oktober 2005 dazu zwangen, den Deal
abzusagen“, wie es in einem Bericht des US-Kongresses vom Mai 2008 heißt.
9. Juli: Ed Cooper, 15 Jahre, um 5.08 Uhr in East Garfield Park, Chicago,
in die Brust geschossen, um 5.54 Uhr für tot erklärt
David Westforth präsentiert seine Waffen wie ein kleiner Junge seine
Matchbox-Autos. 179 Dollar kostet die günstigste Pistole, fast 1.300 Dollar
die teuerste. Gewehre können noch teurer werden. Dazu Munition, Ausrüstung,
Gebühr für die Schießanlagen. Ein aufwendiges Hobby, aber doch kein
gefährliches.
## Drei Waffen für den 15-Jährigen
Sheila, eine zierliche Frau und die einzige, die ihre Pistole in einer
Schublade aufbewahrt und nicht während der Arbeit im Waffenladen trägt, hat
ihren Sohn früh mit Waffen vertraut gemacht. „Ich habe es ihm beigebracht,
als er acht Jahre alt war.“ Heute ist er 15 und besitzt drei Waffen. Sheila
hat sie gekauft, sie hat die Lizenz, ihr Sohn ist zu jung. Wenn andere
Familien Baseball spielen, geht Sheila mit ihrem Sohn schießen. Kategorie
Spaßwaffe.
David Westforth schätzt sein Sortiment auf etwa 600 ausgestellte Waffen.
Und jetzt fällt ihm auch die letzte Kategorie seiner privaten Sammlung ein:
religiöse Waffen. Solche, die einen traditionellen Wert haben, vom
Großvater weitergegeben. Er lächelt. Andächtig diesmal, stolz.
12. Juli: Jeremiah Brown, 27 Jahre, gegen 15.30 Uhr in Marquette Park,
Chicago, in die Brust geschossen, um 5.31 Uhr auf der Straße gestorben
Seit 1975 wächst Heckler & Koch Inc. als US-Ableger des Oberndorfer
Stammhauses. „In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen vermehrt
Schritte unternommen, seinen Anteil am Markt auszubauen“, sagt der
Waffenmarktexperte Tom Diaz. Mittlerweile unterhält Heckler & Koch Fabriken
in Georgia, New Hampshire und Virginia. Zutritt wird Journalisten nicht
gewährt, Interviewfragen werden abgelehnt und schriftlich eingereichte
Fragen mit einem einzigen Satz beantwortet: Man konzentriere sich bei
Heckler & Koch Inc. auf den militärischen Markt, der Anteil am zivilen
Markt in den USA sei zu vernachlässigen.
Es gibt dazu keine verlässlichen Zahlen. „Laut US-Behörde hat Heckler &
Koch 2009 nur 5.840 Pistolen in den USA hergestellt“, sagt Diaz. Sobald
jedoch nur ein Teil einer Heckler-&-Koch-Waffe nicht in den USA gefertigt
werde, gelte diese Waffe als Import. Waffenimportzahlen sind in den USA
nach Ländern unterteilt, nicht nach Firmen. 2011 importierten die USA knapp
259.494 Waffen und 41.282 Gewehre aus Deutschland. Die deutschen Firmen
Walther und Sig Sauer fallen genauso darunter wie Heckler & Koch.
Laut dem Rüstungsbericht der Bundesregierung wurden 2011 insgesamt 1.563
Genehmigungen für Lieferungen in die USA erteilt. Ihr Wert belief sich auf
knapp 632 Millionen Euro. Lieferungen aus dem Bereich Handfeuerwaffen
machten 22,3 Prozent dieser Gesamtlieferungen aus, knapp 141 Millionen
Euro.
## Halbautomatische Waffen boomen
„Der zivile Markt ist für Heckler & Koch viel entscheidender geworden als
der militärische“, sagt Rüstungsexperte Lock. Vor allem halbautomatische
Pistolen und Gewehre im Militärstil sind dort gefragt, seit 2004 ein
zwischenzeitliches Verbot halbautomatischer Sturmgewehre wieder aufgehoben
worden war. Und dann 2008 Obama gewählt wurde. „Beide Ereignisse haben
Verkäufe um bis zu 50 Prozent in die Höhe getrieben, die jährlichen
Verkäufe haben sich seitdem also vermutlich verdoppelt. Und viele dieser
Waffen sind Produkte, auf die Heckler & Koch spezialisiert ist“, sagt Aaron
Karp, Berater für die „Small Arms Survey“, ein unabhängiges
Forschungsprojekt mit Sitz in Genf.
Der Markt für Sport und Jagdwaffen stagniere, halbautomatische Waffen, die
aussehen, als könnte man sie auch im Krieg einsetzen, würden boomen,
beobachtet auch Experte Diaz. „Heckler & Koch wird sich in den kommenden
Jahren auf den zivilen Markt konzentrieren und auf die Ausstattung der
Strafverfolgungsbehörden“, prognostiziert der Exmitarbeiter, der bis 2007
bei Heckler & Koch gearbeitet hat und vorher für mehrere andere Hersteller.
Das liege auch daran, dass das US-Verteidigungsministerium kein Geld für
neue Projekte ausgeben werde. Polizei, FBI und CIA schon eher. „Und wenn
etwas dort beliebt wird, wird es auch auf dem zivilen Markt gekauft“, sagt
er.
280 bis 320 Millionen Waffen sind Schätzungen zufolge unter privaten
Besitzern im Umlauf.
14. Juli: Blake Lamb, 22 Jahre, um 15.43 Uhr in Rogers Park, Chicago, in
den Kopf geschossen. Er stirbt noch auf der Straße
Ein älterer Herr hat sich nach langem Überlegen bei „Westforth Sports“
entschieden: Er wird 827 Dollar für die halbautomatische Heckler & Koch USP
Kompakt mit .40 S&W Patronen, einem Kaliber ähnlich der 9 mm, kaufen. „Zu
meiner eigenen Sicherheit“, sagt er. Heckler & Koch, „das ist eine gute
Pistole“. Verpackt in ihrem schwarzen gepolsterten Kasten sieht sie fast
aus wie ein Akkuschrauber. Harmlos.
20 Autominuten entfernt sitzt John Hampton im Laden seines Freundes Larry
Pelcher in Lansing, Illinois. Im Fenster leuchtet ein Neonschild rot in die
Nachmittagssonne: „Guns“. Hampton hilft hier ab und zu aus. Er ist Mitglied
der National Rifle Association (NRA). Seine Lieblingswaffe trägt er bei
sich, verdeckt von einem massigen Oberkörper. Eine 9 mm Glock. Sein
Übergewicht macht ihn langsam, das blasse Gesicht unter dem Baseball-Cap
ist aufgedunsen. Doch schnell die Waffe ziehen kann er allemal.
## Eine Flinte zur Selbstverteidigung
Zur Selbstverteidigung zu Hause empfiehlt Hampton eine Flinte. Damit
treffen im Zweifel auch ungeübte Schützen, und die Kugeln fliegen nicht so
weit und durchbrechen keine Wände wie bei einem Sturmgewehr. Man will ja
den Nachbarn in der Nebenwohnung nicht versehentlich erschießen. Bei einer
Pistole bedarf es weit mehr Präzision. Wer hat die im Notfall schon.
Die 1.856 lizenzierten Waffenläden in Illinois verkaufen dennoch zumeist
Handfeuerwaffen oder Gewehre, keine Flinten.
21. Juli: Marcus Holden, 28 Jahre, während einer Schlägerei von mehreren
Schüssen getroffen. East 131 Street, Chicago. Um 3.00 Uhr für tot erklärt
„Warum kaufe ich mir einen Sportwagen, wenn überall
Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten? Weil es meine freie Entscheidung ist.“
So hält John Hampton es auch mit Waffen. Er würde sich bedeutend besser
fühlen, wenn er im Supermarkt und im Kino seine Glock tragen könnte.
In Illinois durfte er das bis jetzt nicht. Das Tragen einer Waffe in der
Öffentlichkeit war verboten. Ein Gericht hat das Gesetz im Dezember 2012
jedoch für verfassungswidrig erklärt. Seit Juli kostet es nun 150 Dollar,
eine Lizenz für das Tragen einer Waffe in der Öffentlichkeit zu erhalten.
Ganz in John Hamptons Sinne. Er bewertet die Debatte alttestamentarisch.
Auge um Auge, Waffe um Waffe. Für eine sichere Gesellschaft.
Ein Verbündeter von Heckler & Koch heißt damit auch: NRA. 234 Millionen
Dollar Einnahmen verzeichnete der Verein der Waffenfreunde laut
Jahresbericht 2011, ein Großteil davon fließt in Lobbyarbeit. Auch vier
demokratische Senatoren aus ländlichen Bundesstaaten verweigerten Obama im
April für seine Waffenrechtsreform die Gefolgschaft.
## Allianz zwischen NRA und Industrie
Die Grass-Roots-Bewegung der NRA ist gut organisiert, mehr als vier
Millionen Mitglieder füllen nicht nur die Kriegskasse, sie können an viele
Türen klopfen, wenn es sein muss.
Der Sachbuchautor Tom Diaz, der lange selbst Mitglied der NRA war, kennt
die enge Verbindung zwischen Industrie und Lobby und sieht einen
entscheidenden Wendepunkt im Verhältnis der beiden Mitte der 90er Jahre,
als die letzten großen Waffengesetze in den USA verabschiedet wurden:
Hintergrundchecks und das mittlerweile aufgehobene Verbot von
halbautomatischen Gewehren. Eine Handvoll visionärer Führer der
Waffenindustrie und der NRA hätten da gemeinsam begonnen, „eine breite und
komplexe Allianz zu schaffen zwischen der Industrie, der NRA und der
’National Shooting Sports Foundation‘, dem Wirtschaftsverband der
Industrie“.
Die Waffenindustrie hat die Macht der NRA schon gespürt. Smith & Wesson
erlebte das im Jahr 2000, als die NRA zum Boykott der Firma aufrief,
nachdem sie sich für gewisse Regulierungen des zivilen Waffenmarkts
ausgesprochen hatte.
23. Juli. Cory Bridgemen, 29 Jahre alt, wird um 22.20 Uhr in Austin,
Chicago, in den Kopf geschossen. Um 2 Uhr für tot erklärt
Wayne Weber, Präsident von Heckler & Koch Inc., ist NRA-Mitglied. „Es ist
Teil des Geschäfts“, sagt auch der Exmitarbeiter von H&K, der selbst
Mitglied der NRA ist. „Alle Unternehmen müssen die NRA unterstützen, so ist
das einfach.“ Das Lobbying sei ein sehr komplexes Geschäft, man müsse genau
wissen, wen man auf welches Thema ansprechen könne. „Man muss das Spiel
vorsichtig spielen.“
Heckler & Koch spielt gut. Wie alle Händler stehen die Deutschen gerade in
den USA vor der Herausforderung, ihre Lieferungen dem gestiegenen Bedarf
anzupassen. In den Glasvitrinen der Waffenläden außerhalb von Chicago
liegen die Waffen oft weit auseinander, um die Leerstellen zu kaschieren.
„Wer jetzt schnell liefern kann, verdient Geld. „Heckler & Koch schafft
das“, sagt der ehemalige Mitarbeiter.
David Westforth’ Kunden müssen auf einige Waffen schon warten. Er stellt
das begehrte Sturmgewehr, mit dem er gerade noch posiert hat, zurück ins
Regal. Dann lächelt er wieder, harmlos wie immer.
29 Jul 2013
## AUTOREN
Rieke Havertz
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