# taz.de -- Studentenmassaker in Mexiko: Deutsche Waffen, deutsches Geld | |
> Immer wieder finden sich Sturmgewehre aus deutscher Produktion in | |
> Krisengebieten. So auch in der mexikanischen Provinz Guerrero. | |
Bild: Wegen der verschwundenen Studenten gibt es noch immer, auch militante, Pr… | |
MEXIKO-STADT/BERLIN taz | Mexikanische Behörden haben mit falschen Angaben | |
in Exportpapieren den illegalen Verbleib deutscher Waffen verschleiert. Das | |
geht aus einem Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) an den | |
grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele hervor. | |
Die Käufer gaben an, dass importierte Sturmgewehre der Rüstungsschmiede | |
Heckler&Koch (H&K) in Bundesstaaten gegangen seien, für die eine | |
Ausfuhrgenehmigung vorlag. De facto landeten die Gewehre vom Typ G36 aber | |
in Guerrero. Aufgrund der schwierigen Menschenrechtslage hatten die | |
deutschen Exportbehörden für diesen sowie drei weitere Bundesstaaten | |
explizit keine Ausfuhrerlaubnis erteilt. | |
„Damit hat das mexikanische Empfängerland gegen die Politischen Grundsätze | |
der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen | |
Rüstungsgütern verstoßen“, kritisiert Ströbele und fordert, keine weiteren | |
Rüstungsexporte nach Mexiko zu genehmigen. | |
Die Gewehre wurden in Guerrero bei Polizisten sichergestellt, die gemeinsam | |
mit Mafia-Söldnern in der Stadt Iguala am 26. September ein Massaker an | |
Studenten verübt hatten. Das belegen Auszüge aus Ermittlungsakten, die der | |
taz vorliegen. Sechs Personen starben bei diesem Angriff, 43 Studenten | |
verschwanden. | |
## Garantien ohne Bestand | |
Ob die 36 beschlagnahmten Waffen in der blutigen Nacht gegen die | |
Oppositionellen im Einsatz waren, ist noch nicht bestätigt. Außer Frage | |
steht aber, dass die von Kriminellen unterwanderte Polizei über die Gewehre | |
verfügte. Ein Abgleich der Nummern der beschlagnahmten Waffen durch das | |
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) ergab nun: Der Kunde | |
DCAM, eine Subunternehmen des mexikanischen Verteidigungsministeriums, hat | |
in den Endverbleibserklärungen acht Bundesstaaten angegeben, nicht aber | |
Guerrero. | |
Mit Endverbleibserklärungen bestätigen Käufer, dass importierte | |
Rüstungsprodukte den genehmigten Weg gehen. Der Verkäufer, in diesem Fall | |
H&K, muss das Dokument bei der Bafa vorlegen, um den rechtmäßigen Verbleib | |
ausgeführter Waffen zu garantieren. „Der aktuelle Fall beweist, dass | |
Endverbleibserklärungen völlig wertlose und manipulierbare Dokumente sind“, | |
reagierte der Rechtsanwalt Holger Rothbauer auf die neuen Informationen. | |
Bereits im April 2010 hat der Tübinger Anwalt für den Friedensaktivisten | |
Jürgen Grässlin bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft Anzeige gegen H&K | |
gestellt. Grässlin wirft H&K vor, dass etwa die Hälfte von knapp 10.000 | |
zwischen 2006 und 2009 nach Mexiko ausgeführten Sturmgewehre in die | |
„verbotenen" Regionen geliefert wurden. Dokumente bestätigen, das allein | |
1924 der Waffen an Polizeibehörden in Guerrero gingen, also in einen | |
Bundesstaat, in dem die meisten Beamten wie in Iguala in ein kriminelles | |
Geflecht von Mafia, Politik und örtlichen Machthabern eingebunden sind. | |
## Handelsvertreter schönt Papiere | |
Auch die schwäbischen Gewehrbauer hatten offenbar bei der Manipulation der | |
Exportpapiere ihre Finger im Spiel. Im Frühjahr 2013 beschuldigte die | |
Geschäftsführung zwei Mitarbeiter, für den illegalen Deal verantwortlich zu | |
sein. Die beiden wurden entlassen. In einem darauf folgenden Arbeitsprozess | |
bestätigten die Gekündigten, dass sie nicht ohne Wissen der Betriebsleitung | |
handeln konnten. Ihren Angaben zufolge wurden Papiere in Mexiko in | |
Absprache mit einem dort ansässigen H&K-Handelsvertreter geschönt. Nun | |
bestätigte sich dieser Verdacht. | |
Umso verwunderlicher erscheint die Reaktion des Unternehmens. H&K habe | |
„wiederholt darauf hingewiesen, dass es keinerlei illegale Aktivitäten im | |
Unternehmen duldet und dies auch in der Vergangenheit niemals getan hat", | |
erklärte Pressesprecher Knut Peters auf taz-Anfrage. | |
Für Ströbele greifen die Kontrollmechanismen grundsätzlich zu kurz. Der | |
Fall verdeutliche die Unzulänglichkeiten der Endverbleibskontrolle. „Die | |
Bundesregierung macht es sich zu einfach, wenn sie sich lediglich | |
schriftlich bestätigen lässt, wer angeblicher Endnutzer der exportierten | |
Waffen ist", sagte der Grünenpolitiker. Kein Beamter verfolgt, wo die | |
Rüstungsgüter tatsächlich landen. | |
Bei den Angehörigen der verschwundenen und wahrscheinlich ermordeten | |
Studenten löste die Nachricht über den Fund der Sturmgewehre im Dezember | |
große Empörung aus. An Weihnachten demonstrierten sie vor der deutschen | |
Botschaft und forderten die Bundesregierung auf, keine Waffen mehr an den | |
mexikanischen Staat zu verkaufen. Nach Angaben des BMWi ist seit Einleitung | |
des Ermittlungsverfahrens die Bearbeitung von Exportanträgen nach Mexiko | |
von H&K ausgesetzt. | |
16 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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