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# taz.de -- Illegaler Waffenexport: Für Polizei und Mafia-Killer
> Wer ist verantwortlich für den Export von G36-Gewehren nach Mexiko? Ein
> Gerichtsprozess könnte Licht auf Geschäfte von Heckler & Koch werfen.
Bild: Sturmgewehr G36: auch in Mexiko gern gekauft.
BERLIN taz | Das Sturmgewehr G36 der schwäbischen Rüstungsschmiede Heckler
& Koch (H & K) ist ein Exportrenner. Auch Mexikos Polizisten und die Killer
der Mafia schießen damit. Wie aber ist das Gewehr in den Bundesstaat
Guerrero gekommen, obwohl es dort gemäß der Exportgenehmigung nie hätte
landen dürfen?
In Guerrero trugen Polizisten die Waffe bei einem Einsatz, bei dem 2011
zwei Studenten der pädagogischen Fachschule Ayotzinapa von den Beamten
getötet wurden. Im selben Bundesstaat wurden jüngst 43 junge Männer
derselben Schule in einer gemeinsamen Aktion von Polizeibeamten, Politikern
und Killern der Mafia entführt und wahrscheinlich hingerichtet.
Für Aufklärung könnte ein Prozess sorgen, der am Montag vor dem Freiburger
Landesarbeitsgericht stattfindet. Es handelt sich zwar nur um ein
Kündigungsverfahren zwischen H & K und zwei Angestellten des Unternehmens:
Die Geschäftsleitung hatte die beiden Mitarbeiter für die illegalen
Waffenlieferungen nach Mexiko verantwortlich gemacht und sie letztes Jahr
auf die Straße gesetzt.
Damit bestätigte sie aber zugleich: Der Export der etwa 4.500
G36-Sturmgewehre in den Jahren 20006 bis 2009 war nicht mit rechten Dingen
zugegangen. Das Freiburger Verfahren könnte neue Details über das Geschäft
ans Tageslicht fördern. Der taz liegen zudem Dokumente vor, die einen
möglichen weiteren rechtswidrigen Deal von H & K mit Mexiko aufzeigen.
## Lieferungen in vier Bundesstaaten
Bereits April 2010 hatte Jürgen Grässlin, Sprecher der Aktion „Aufschrei –
Stoppt den Waffenhandel“, bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft Anzeigen
gegen die Firma gestellt. Grund: Das G36 war in vier mexikanischen
Bundesstaaten gelandet, für die das Bundesausfuhramt (Bafa) keine
Genehmigung gegeben hatte. Unter ihnen Guerrero.
Filmaufnahmen, Zeugenberichte und Schreiben der mexikanischen Regierung
bestätigten den Vorwurf. Dennoch antworteten die Waffenbauer auf jede
Nachfrage: „Heckler & Koch hält sich an Recht und Gesetz.“ Bis die
Firmenleitung 2013 die zwei Beschäftigten entließ, weil sie ohne Wissen
anderer Personen die illegale Lieferung angewiesen hätten.
Für Grässlin sind die beiden ein Bauernopfer: „Alles deutet darauf hin,
dass die Geschäftsführung genau wusste, wohin die Waffen gingen.“ Auch das
Arbeitsgericht in Villingen-Schwenningen, das bereits im vergangenen
Dezember über die Kündigung verhandelte, wollte der Argumentation von H & K
nicht folgen. Die Firma musste die beiden wieder einstellen, nun ist H & K
in Berufung gegangen.
Die Aussagen vom Dezember 2013 hinterließen eine Vorstellung davon, wie der
Deal ablief: Gemeinsam mit einem Handelsvertreter in Mexiko hatten
Mitarbeiter eine Endverbleibserklärung geschönt, mit der die Exporteure
gegenüber dem Bafa die Einhaltung der Exportvorgaben garantieren. Dass sie
dies ohne Wissen der Firmenleitung taten, bezweifelte der Richter. Es lägen
E-Mails vor, die zeigten, dass Vorgesetzte bis in die Leitung des
Unternehmens mit dem Export betraut gewesen seien.
## Nicht genehmigter Technologietransfer
Beim heutigen Verfahren könnten nun neue Informationen dazu beitragen, dass
das Strafverfahren wegen des illegalen Waffendeals endlich eröffnet wird.
Obwohl schon jetzt viele Beweise existieren, ist bislang unklar, wann
Anklage wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und das
Außenwirtschaftsgesetz erhoben wird. Die zuständige Staatsanwältin Claudia
Krauth will keine Prognose abgeben, andere Beteiligte rechnen mit Frühjahr
2015.
Zurückhaltend ist die Strafverfolgerin auch mit Blick auf eine andere
Anzeige gegen die Firma. Die Behörde prüfe, ob sie gegen H & K Ermittlungen
wegen des Verdachts des nicht genehmigten Technologietransfers einleite,
sagte Krauth. Dabei geht es um die Frage, ob das unter der Leitung des
mexikanischen Verteidigungsministeriums hergestellte FX05-Gewehr eine Kopie
des G36 ist. Handelt es sich um eine Produktion ohne Lizenz, an der H & K
mitverdient?
Dieser Vorwurf bekommt nun neue Brisanz: Ein – der taz vorliegendes –
Schreiben der mexikanischen Regierung bestätigt, dass das Unternehmen noch
im Jahr 2011 Rohre für die Herstellung von Läufen für FX05-Sturmgewehren
geliefert hat. Wegen der Ermittlungen gegen H & K sei die Bearbeitung von
Anträgen der Firma seit Januar 2011 ausgesetzt, informiert das Bafa.
Das betreffe „neben Waffen auch Munition, Rüstungsmaterialien und
Herstellungsausrüstung“. Die Firma hat sich auf Anfrage nicht zu dem
Vorwurf geäußert. Nach Meinung des Friedensaktivisten Grässlins ein
weiterer Fall für die Justiz: „Unglaublich, welch kriminelles Potenzial
hier vorhanden ist.“
## Deutscher Stahl für mexikanische Waffen
Mittlerweile liefern die deutschen Edelstahlwerke aus Witten den Stahl für
die FX05-Gewehre nach Mexiko. Das sei ganz legal, erklärt das Bafa. Auch
wenn davon auszugehen sei, dass mit dem Material Waffen produziert würden,
brauche es keine Genehmigung.
Die Bundesregierung bestätigte das in einer schriftlichen Anfrage des
Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele. Es handele sich um ein
„Ausgangsprodukt für die Herstellung unterschiedlicher Güter, u. a. auch
Rohrwaffen“, das nicht der Exportkontrolle unterliege.
Dies kann der Grünen-Politiker nicht nachvollziehen: „Wir brauchen eine
Genehmigungspflicht für Produkte, die ganz offensichtlich zur Herstellung
von Waffen benutzt werden“, sagte er der taz. Seine Fraktion und auch die
Linke im Bundestag fordern, dass keine Rüstungsgüter nach Mexiko geliefert
werden.
1 Dec 2014
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
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