# taz.de -- Waffenexporte nach Mexiko: Nachhaltigkeit, anders gedacht | |
> Für jede neue Waffe aus Deutschland soll Mexiko eine alte vernichten. | |
> Aber das passiert nicht. Die Vorgaben werden einfach ignoriert. | |
Bild: Bekommt nicht nur die Bundeswehr: das Sturmgewehr G36 der Firma Heckler u… | |
Berlin taz | Beim Export deutscher Waffen an die mexikanische Polizei wurde | |
noch mehr getrickst als bisher bekannt. Die Behörden genehmigten die | |
Lieferung mehrerer tausend Sturmgewehre und Maschinenpistolen der | |
Rüstungsschmiede Heckler & Koch, obwohl sie wussten, dass der Kunde die | |
Ausfuhrvorgaben nicht einhält. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums | |
(BMWi) sollten die Waffen nach dem Grundsatz exportiert werden: Für jede | |
neu gelieferte Waffe soll in Mexiko eine alte zerstört werden. Dokumente, | |
die der taz und dem ARD-Magazin „Report Mainz“ vorliegen, zeigen jedoch, | |
dass das nicht eingehalten wurde. | |
Das BMWi erteilte zwischen 2006 und 2009 acht Mal Genehmigungen zur Ausfuhr | |
von G36-Gewehren. Jedes halbe Jahr sollte der mexikanische Kunde im | |
Gegenzug mehrere Tonnen Altwaffen einschmelzen. Doch ein internes Schreiben | |
des Auswärtigen Amtes (AA) belegt, dass die letzte Waffenvernichtungsaktion | |
im August 2006 stattgefunden hatte. Gerade mal 600 Kurz- und 700 Langwaffen | |
wurden damals zerstört, vor allem ausgemusterte alte Pistolen und rostige | |
Gewehre. Weitere Einschmelzungen, wie sie das mexikanische | |
Verteidigungsministerium ankündigte, gab es nicht. | |
Dennoch genehmigten die deutschen Behörden allein zwischen 2007 und 2008 | |
den Export von etwa 7.700 G36-Gewehren sowie 3.200 MP5-Maschinenpistolen. | |
Trotz fehlender Umsetzung des Grundsatzes „Neu für Alt“ sei das besondere | |
außenpolitische Interesse an der Ausfuhr gerechtfertigt, erklärte das AA | |
später. | |
Gegen die Firma läuft seit April 2010 ein Ermittlungsverfahren wegen des | |
Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- sowie das Außenwirtschaftsgesetz. | |
Jürgen Grässlin, Sprecher der Aktion Aufschrei–Stoppt den Waffenhandel, | |
hatte bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet, weil die | |
Hälfte von insgesamt rund 10.000 nach Mexiko gelieferten G36-Gewehren in | |
vier Bundesstaaten gelangt war, für die das BMWi wegen der schlechten | |
Menschenrechtslage keine Ausfuhrgenehmigung erteilt hatte. | |
## Keine automatische Überprüfung | |
Auch hier gingen die zuständigen deutschen Institutionen lax mit den | |
Vorgaben um. „Dass nun auch noch die Neu-für-Alt-Regelung ignoriert wurde, | |
zeigt, welch geringe Bedeutung die Behörden ihren eigenen Vorgaben | |
beimessen“, erklärt Grässlin. Die Strafverfolger müssten nun Anklage | |
erheben. Ob das passiert, will die Staatsanwaltschaft in den nächsten | |
Wochen entscheiden. | |
Früher sei bei jeder Genehmigung einzeln geprüft worden, ob „Neu für Alt“ | |
anzuwenden sei, erklärt das BMWi auf Anfrage. Seit die Bundesregierung am | |
15. März dieses Jahres ihre neuen „Kleinwaffengrundsätze“ beschlossen | |
hatte, muss die Regelung nun grundsätzlich bei allen Exporten von Klein- | |
und Leichtwaffen angewandt werden. Ob die Kunden tatsächlich ihre Pistolen | |
und Gewehre einschmelzen, wird jedoch nicht automatisch überprüft. „Die | |
Bundesregierung wird anlassbezogen entscheiden, ob und in welcher Form sie | |
eine zugesagte Vernichtung von Kleinwaffen kontrolliert“, antwortete die | |
Koalition auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion Anfang | |
August. | |
Der Linken-Abgeordnete Jan van Aken hat keine Hoffnung, dass sich an der | |
bisherigen Praxis etwas ändert. Er sagte: „Statt ‚Neu für Alt‘ wird auch | |
das Versprechen reichen, die Gewehre nach Gebrauch, also in fünfzig oder | |
hundert Jahren, zu verschrotten – ein Versprechen, dass dann natürlich nie | |
wieder erinnert oder gar kontrolliert wird.“ | |
15 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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