| # taz.de -- Spielfilm „Meister des Todes“: Mexiko ist nirgendwo | |
| > Dieser Film könnte Ermittlungen beeinflussen: Regisseur Daniel Harrich | |
| > verfügt über exklusive Erkenntnisse über die G36-Sturmgewehre. | |
| Bild: Trägt im Film einen anderen Namen, ist aber gemeint: das G36-Gewehr von … | |
| Der Meister des Todes kommt aus Deutschland. Aus einer wohlhabenden | |
| Kleinstadt in Baden-Württemberg. Dort stellt der mittelständische Betrieb | |
| HSW das Sturmgewehr SG38 her. Alle gehören zur HSW-"Familie“, der | |
| Geschäftsführer und der Verkaufsleiter ebenso wie die Arbeiterin und die | |
| Nachbarn. Es lebt sich gut vom Bau von Schusswaffen aller Art. | |
| Wer aber ausschert, wird kalt gestellt. So wie Peter Zierler, der das alles | |
| nicht mehr erträgt: die fragwürdigen, wenn nicht rechtswidrigen Methoden | |
| der Firmenleitung, die Gleichgültigkeit seiner Freunde und vor allem die | |
| Tatsache, dass er für ein Produkt wirbt, mit dem weit entfernt | |
| Oppositionelle getötet werden. | |
| Der exzellente Schütze hat es mit eigenen Augen gesehen: Kaum hat er | |
| Polizisten im mexikanischen Bundesstaat Guerrero an dem Gewehr eingelernt, | |
| setzen die Beamten die Waffe gegen Studenten ein. Zwei Menschen sterben. | |
| Der „Meister des Todes“, wie ein Friedensaktivist das SG38 gegenüber | |
| Zierler nennt, hat wieder einmal seine Aufgabe erfüllt. | |
| Ein Sturmgewehr SG38 gibt es im wirklichen Leben nicht, ebenso wenig ein | |
| Rüstungsunternehmen namens HSW. Auch Peter Zierler, dargestellt von Hanno | |
| Koffler, hat eigentlich einen anderen Namen. Dennoch erinnert der Spielfilm | |
| „Meister des Todes“ von Regisseur Daniel Harrich an einen tatsächlichen | |
| Fall: an den illegalen Export von G36-Sturmgewehren der Waffenschmiede | |
| Heckler&Koch (H&K) in mexikanische Bundesstaaten, für die keine | |
| Exportgenehmigung vorlag. | |
| ## Geschönte Dokumente | |
| Der Politkrimi zeigt, wie in Rüstungsgeschäften Dokumente geschönt, | |
| fragwürdige Absprachen mit Politikern getroffen und Waffen in „verbotene“ | |
| Regionen geliefert werden. Zudem stellt er dar, was deutsche Gewehre in | |
| Bürgerkriegsregionen wie Guerrero anrichten. Heute wird der „Meister des | |
| Todes“ auf dem Münchner Filmfest erstmals aufgeführt, im September läuft | |
| die Gemeinschaftsproduktion von SWR, BR und ARD-Degeto im | |
| ARD-Abendprogramm. | |
| Der Politkrimi dürfte für allerlei Aufregung sorgen, denn Harrich arbeitet | |
| wie schon bei seinem letzten Spielfilm „Der blinde Fleck“ über das | |
| Oktoberfestattentat von 1980 mit Informationen, die zuvor noch nicht | |
| bekannt waren. Im Fall des Münchner Terroranschlag führten die neuen | |
| Erkenntnisse dazu, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen nach 35 | |
| Jahren wieder aufgenommen hat. | |
| Der „Meister des Todes“ greift in aktuell laufende Verfahren ein: Unter | |
| anderem ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft seit fünf Jahren wegen | |
| des Mexiko-Deals gegen Heckler&Koch. Damals hat der Friedensbewegte Jürgen | |
| Grässlin die Firma angezeigt. Sein Vorwurf: H&K hat gegen das | |
| Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. | |
| Harrichs Recherchen, die auf die Arbeit des Aktivisten sowie die | |
| journalistischer Kollegen aufbaut, könnten nun in das Stuttgarter Verfahren | |
| einfließen. Zumal die Strafverfolger im Sommer endlich entscheiden wollen, | |
| ob sie wegen des Mexiko-Geschäfts Anklage gegen die Waffenbauer erheben. | |
| ## Publizistische Interventionen | |
| Ein Spielfilm, der Ermittlungen beeinflusst? Das klingt ungewöhnlich, doch | |
| Harrich verfügt über Dokumente, die im Film inszenierte Gespräche faktisch | |
| untermauern. Publizistische Interventionen spielen in diesem Verfahren | |
| schon immer eine zentrale Rolle. Bislang haben Journalisten und | |
| Friedensaktivisten dafür gesorgt, dass die Ermittlungen nicht im Sande | |
| verlaufen. Nach einer SWR-Reportage durchsuchten die Staatsanwälte 2011 den | |
| Sitz von H&K in Oberndorf am Neckar. | |
| Danach veröffentlichte die taz eine Liste des mexikanischen | |
| Verteidigungsministeriums, die bewies, dass etwa die Hälfte der ca. 10.000 | |
| gelieferten G36-Gewehre in die „verbotenen“ Bundesstaaten gelangt war. | |
| [1][Zudem bestätigten taz-Recherchen, dass die Waffen in Guerrero bei | |
| tödlichen Angriffen eingesetzt wurden]. Zuletzt am 26. September letzten | |
| Jahres, als Polizisten und Kriminelle in der Stadt Iguala sechs Menschen | |
| töteten und 43 Studenten verschleppten, die wahrscheinlich ermordet wurden. | |
| Ein Abgleich der Waffennummern bestätigte: Laut Endverbleibserklärung wurde | |
| keines der G36-Gewehre, das in Iguala zum Einsatz kam, nach Guerrero | |
| geliefert. Die Dokumente, mit denen das mexikanische | |
| Verteidigungsministerium den vereinbarten Verbleib der exportierten Güter | |
| nachweisen musste, waren gezielt „angepasst“ worden. | |
| Hier knüpft Harrich an: Was wussten die deutschen Behörden über den | |
| widerrechtlichen Verbleib der Waffen? Oder besser: Was wollten sie wissen? | |
| „Wir würden dahingehend auf Sie einwirken wollen, dass sie die | |
| Krisenstaaten in ihrer Endverbleibserklärung streichen“, empfiehlt im Film | |
| ein Beamter des Bundesausfuhramtes den Waffenbauern. Deutlicher wird deren | |
| Kollege aus dem Bundeswirtschaftsministerium: „Wer weiß schon, was der | |
| Mexikaner denkt oder tut.“ Der HSW-Verkaufsleiter, der von Heiner | |
| Lauterbach gespielt wird, weiß das richtig zu interpretieren: „Was die in | |
| Mexiko damit machen, interessiert in Berlin niemand.“ Er schlägt vor, die | |
| Dokumente entsprechend anzupassen. | |
| Die Treffen im Bundesausfuhramt, die Gespräche in Berliner Ministerien und | |
| die Smalltalks mit hohen Militärs beim Empfang in der Deutschen Botschaft | |
| in Mexiko-Stadt – es sind diese fiktionalisierten Szenen, die einen | |
| Eindruck von den Absprachen zwischen Rüstungsmanagern, Exportbürokraten und | |
| Politik vermitteln. Viele der Konversationen basieren offenbar auf | |
| Originalzitaten. Sie könnten dazu führen, dass neben H&K-Verantwortlichen | |
| auch Exportbeamten und politische Vertreter auf der Anklagebank des | |
| Stuttgarter Landgerichts sitzen. | |
| ## Überwachung von Journalisten | |
| Dass die Firma über beste Kontakte in die Regierung verfügt, bestätigten | |
| auch jüngst bekannt gewordene Versuche des Unternehmens, über das | |
| Verteidigungsministeriums den Militärischen Abschirmdienst zur Überwachung | |
| von JournalistInnen einzuspannen, die kritisch über H&K berichten. Interne | |
| Dokumente des Ministeriums, die der taz vorliegen, legen darüber hinaus | |
| nahe, dass politische Beamte die Waffenbauer protegieren. So wiesen | |
| Berichte aus Afghanistan und interne Untersuchungen immer wieder auf | |
| Qualitätsmängel beim G36 hin, die von hochrangigen Mitarbeitern jahrelang | |
| heruntergespielt wurden. | |
| Hier korrupte Absprachen in Berliner Ministerien, auf Schwarzwälder | |
| Bierfesten oder in mexikanischen Kasernen, da tote Studenten und eine an | |
| der Gewalt verzweifelnde Bevölkerung – Harrich vereint die widerlichsten | |
| Aspekte des deutschen Waffenexports in einem Film, der wegen seiner | |
| relativen Nähe zur Realität durchweg spannend bleibt. Zwei seiner | |
| Protagonisten entwickeln sich zu tragischen Figuren, die von der „Familie“ | |
| verstoßen werden. Schütze Zierler wird in seiner Heimatstadt terrorisiert, | |
| weil er für die Veröffentlichung der kriminellen Machenschaften von HSW | |
| sorgt, Verkaufsleiter Stengele wird von seinen Vorgesetzten ausgetrickst. | |
| Eben fast wie im richtigen Leben: Da gilt ein ausgestiegener Waffenexperte, | |
| der einst Kunden in aller Welt die Vorzüge des G36 nahebrachte, als | |
| Kronzeuge im Stuttgarter Verfahren. Und ein Handelsbeauftragter wird | |
| gekündigt, weil die Firmenleitung ihn für den Mexiko-Deal verantwortlich | |
| machen wollen, um sich selbst zu schützen. | |
| Bleibt die Frage, warum nur illegale Rüstungsgeschäfte den Stoff für solche | |
| Politkrimis liefern. Auch mit den legal nach Mexiko gelieferten Waffen | |
| gehen Polizisten und Killer der Mafia gegen Studenten, Kleinbauern oder | |
| Indigene vor. Genau heute vor einem Jahr verübten Soldaten unweit von | |
| Mexiko-Stadt ein Massaker, bei dem mindestens elf unbewaffnete Menschen | |
| hingerichtet wurden. Mit im Einsatz waren Sturmgewehre vom Typ G3, dem | |
| Vorgänger des G36. Die Waffe wurde lange in Mexiko produziert. H&K | |
| verdiente mit. | |
| 30 Jun 2015 | |
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| Wolf-Dieter Vogel | |
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