# taz.de -- Militärgewalt in Mexiko: Befehl zum Töten | |
> Vor einem Jahr starben 22 mutmaßliche Kriminelle. Jetzt sagen | |
> Menschenrechtler: Die „Schießerei“ war ein Massaker des Militärs. | |
Bild: Clara Gomez Gonzalez, die Zeugin des mutmaßlichen Massakers, bei der Vor… | |
BERLIN taz | Die Anweisung war eindeutig: „Die Truppen sollen in der Nacht | |
massiv vorgehen und sich am Tag eher zurückhalten, um die Kriminellen im | |
Dunkeln erschießen.“ So hatten es befehlshabende mexikanische | |
Armeeangehörige ihren Soldaten des 102. Infanterie-Bataillons im Juni | |
letzten Jahres befohlen. | |
Wenige Wochen später richteten die Männer der Truppe in einem Lagerhaus der | |
Gemeinde Tlatlaya im Bundesstaat Mexiko ein Massaker an: 22 Menschen wurden | |
hingerichtet, mindestens acht von ihnen hatten sich bereits ergeben. Am | |
Donnerstag veröffentlichte das Menschenrechtszentrum ProDH in Mexiko-Stadt | |
ein Militärdokument, in dem diese Anordnung zum Töten festgehalten ist. | |
Nun müsse die militärische Befehlskette bis ganz nach oben verfolgt werden, | |
die zu dem Angriff geführt habe, forderte ProDH-Jurist Santiago Aguirre | |
anlässlich des Jahrestags des Massakers am 30. Juni 2014. | |
Bereits kurz nach der „Schießerei“ waren Zweifel über den offiziell | |
dargestellten Verlauf des Vorfalls aufgekommen. Beteiligte der Streitkräfte | |
hatten angegeben, zufällig auf die mutmaßlichen Mitglieder der | |
Mafia-Organisation „La Familia“ gestoßen zu sein. Nachdem die Kriminellen | |
entdeckt worden seien, hätten diese das Feuer auf die Streitkräfte | |
eröffnet. | |
## Zeugin: Einer nach dem anderen wurde ermordet | |
ProDH präsentierte jedoch eine Zeugin, die einen anderen Tathergang | |
schilderte. Clara Gómez González, die Mutter eines in der Nacht getöteten | |
15jährigen Mädchens, berichtete, die Soldaten hätten die Personen | |
festgenommen, vernommen und danach einen nach dem anderen kaltblütig | |
ermordet. Ihre Tochter habe sich unfreiwillig an dem Ort aufgehalten, | |
erklärte Gómez González. | |
Auch die blutige Bilanz der Auseinandersetzung warf Fragen auf: Während 22 | |
mutmaßliche Kriminelle starben, wurde nur ein Armeeangehöriger leicht | |
verletzt. Dennoch verhinderte das mexikanische Verteidigungsministerium | |
(Sedena) monatelang weitere Ermittlungen des Fall. | |
Weder gaben die Militärs die Namen der Opfer preis noch erklärten sie, was | |
genau in der Nacht vorgefallen war und warum die Zahl der Opfer so | |
einseitig ausfiel. Die nun von ProDH vorgelegten Dokumente bestätigen | |
jedoch, dass die Streitkräfte intern sofort Ermittlungen aufgenommen haben. | |
Die zivilen Strafverfolger beschäftigten sich allerdings erst mit dem Fall, | |
als die Regierung von internationaler Seite kritisiert wurde. Nach einer | |
Rüge der US-Regierung ordnete Präsident Enrique Peña Nieto an, dass die | |
Generalstaatsanwaltschaft das Massaker untersucht. Die Behörde ermittelt | |
deshalb gegen acht Soldaten. Eine Verantwortung hochrangiger Militärs wurde | |
bislang jedoch nicht juristisch verfolgt. | |
## Anordnung von ganz oben? | |
Der von ProDH vorgestellte Bericht, der auch von Amnesty International und | |
anderen Organisationen unterstützt wird, schließt nicht aus, dass die | |
Anordnung von ganz oben kam. Deshalb müsse auch gegen die Sedena ermittelt | |
werden, sagte Aguirre. | |
Zudem müsse Klarheit geschaffen werden. Während die | |
Generalstaatsanwaltschaft von acht Hingerichteten ausgeht, spricht die | |
Nationale Menschenrechtskommission sogar von zwölf bis 15 Personen, die | |
„außergerichtlich exekutiert“ wurden. | |
Das Massaker von Tlatlaya geriet in den Blick der internationalen | |
Öffentlichkeit, nachdem drei Monate später in der Stadt Iguala im | |
Bundesstaat Guerrero Polizisten und Kriminelle in einer gemeinsamen Aktion | |
sechs Menschen töteten und 43 Studenten verschleppten, von denen bis heute | |
jede Spur fehlt. | |
Auch bei diesem Angriff spielte das Militär ein bislang ungeklärte Rolle. | |
Eine von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ins Leben | |
gerufene Expertengruppe fordert deshalb, in diesem Fall ebenso gegen die | |
Streitkräfte zu ermitteln. | |
3 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
## TAGS | |
Mexiko | |
Gewalt | |
Militär | |
Mexiko | |
Mexiko | |
Studenten | |
Mexiko | |
Mexiko | |
Mexiko | |
Mexiko | |
Drogen | |
Heckler und Koch | |
Mexiko | |
Drogenkartell | |
Iguala | |
Studenten | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Herbe Kritik an Mexikos Regierung: Ignoranz und Vertuschung | |
Mexikos Präsident Peña Nieto besucht Anfang der Woche Deutschland. Ihm wird | |
vorgeworfen, Verletzungen von Menschenrechten in Kauf zu nehmen. | |
Nach dem Studenten-Massaker in Mexiko: „Ich sehe, wie er zu Boden fällt“ | |
Am heutigen 26. September jährt sich das Massaker an den 43 Studenten von | |
Iguala. Unser Autor hat es überlebt und glaubt den Ermittlern kein Wort. | |
Massaker an mexikanischen Studenten: Ein weiterer Name | |
Dank DNA-Analyse könnte ein weiteres Opfer des Mordes an 43 Studenten | |
identifiziert worden sein. Am genauen Ablauf des Verbrechens gibt es | |
Zweifel. | |
Massaker an mexikanischen Studenten: Verweis auf Drogenbus der Mafia | |
Ein Bericht hegt Zweifel an der offiziellen Darstellung der Morde von | |
Iguala. Auch von einem möglichen Drogentransporter ist die Rede. | |
Bericht über Verschwinden von Studenten: Kein riesiger Scheiterhaufen | |
Das Verschwinden der 43 Studenten in Mexiko bleibt ungeklärt. Eine | |
unabhängige Kommission betrachtet die Schlussfolgerungen der Behörden als | |
unhaltbar. | |
Amnesty-Experte über Frauenmord-Urteil: „Verschleppt und verschleiert“ | |
Wegen Frauenmorden sind mehrere Männer in Mexiko zu 697 Jahren Haft | |
verurteilt worden. Amnesty-Experte Wolfgang Grenz über Korruption und | |
Strafverfolgung. | |
Kommentar Massengräber in Mexiko: Freihandel geht über Leichen | |
Die Justiz versagt, die Angehörigen selbst haben ihre ermordeten | |
Familienmitglieder gefunden. Die EU tut weiter so, als sei Mexiko ein | |
Rechtsstaat. | |
„El Chapo“ ist wieder entwischt: Drogenboss und Ausbrecherkönig | |
Der „kleine“ mexikanische Kartellchef Joaquín Guzmán Loaera ist erneut aus | |
dem bestbewachten Gefängnis des Landes ausgebrochen. | |
Spielfilm „Meister des Todes“: Mexiko ist nirgendwo | |
Dieser Film könnte Ermittlungen beeinflussen: Regisseur Daniel Harrich | |
verfügt über exklusive Erkenntnisse über die G36-Sturmgewehre. | |
Parlamentswahl in Mexiko: Acht ermordete Kandidaten | |
Vor der Parlamentswahl beherrschen Boykottaufrufe und Morddrohungen die | |
Debatte. Die Regierungspartei dürfte an Macht verlieren. | |
Suche nach Verschwundenen in Mexiko: Der Geruch des Todes | |
Die Verschleppung von 43 Studenten hat die Stadt Iguala aufgerüttelt. Auch | |
Angehörige anderer Verschwundener suchen nun nach Gräbern. | |
Studentenmassaker in Mexiko: Verschleppte Studenten für tot erklärt | |
Die 43 in Mexiko entführten Studenten sind alle tot. Die Angehörigen wollen | |
das Ende der Ermittlungen nicht hinnehmen. | |
Massaker an Studenten in Mexiko: Kein Vertrauen in die Strafverfolger | |
Tausende forderten am Montag in Mexiko-Stadt die Aufklärung des | |
Massenmords. Angehörige vermuten das Militär hinter dem Verbrechen. |