| # taz.de -- María Novaro über ihr Kinderfilmdebüt: „Ich will von Unterschi… | |
| > Die mexikanische Regisseurin María Novaro hat auf der Berlinale mit | |
| > „Tesoros“ ihren ersten Kinderfilm vorgelegt. Es geht um die selbständige | |
| > Welterkundung. | |
| Bild: Kleine Schatzsucher erzählen in „Tesoros“ nebenbei auch etwas von de… | |
| taz: Frau Novaro, mit Ihren Spielfilmen „Lola“ und „Danzón“ gaben Sie | |
| Anfang der 1990er dem neuen mexikanischen Kino eine weibliche Perspektive. | |
| Ihr Berlinale-Beitrag „Tesoros“ („Schätze“) ist Ihr erster Kinderfilm.… | |
| kamen Sie dazu? | |
| María Novaro: Die Idee, einen Kinderfilm zu machen, entstand aus der für | |
| mich sehr anregenden Beziehung zu meinen Enkeln. In den vergangenen Jahren | |
| habe ich mit ihnen viele Kinderfilme gesehen. So bekam ich Lust, einen | |
| etwas anderen Film zu machen – für sie und mit ihnen. Die Darsteller in | |
| „Tesoros“, Andrea, Dylan und Jacinta, sind meine Enkel. Der jüngste, Lukas, | |
| ist der Sohn der Kameraleute. | |
| Wie haben Sie die Geschichte entwickelt? Sie spielt ja in Barra de Potosí, | |
| einem am Pazifik gelegenen Dorf in Guerrero, 600 Kilometer von Mexiko-Stadt | |
| entfernt. | |
| Besonders mein Enkel Dylan war damals sehr von Piraten und Landkarten | |
| begeistert. Ich fing an, zur Figur Francis Drake zu recherchieren – einem | |
| legendären Piraten, der tatsächlich vor den Küsten Kaliforniens und Mexikos | |
| unterwegs gewesen ist. Daraus entwickelte sich dann die Idee einer | |
| Schatzsuche. Barra de Potosí war der ideale Ort für den Film. Ich kannte | |
| die Leute dort, und sie waren von der Idee begeistert. | |
| „Die Geschichte, die wir euch erzählen, beginnt mit einer Reise“, erklärt | |
| Jacinta, die sechsjährige Erzählerin in der ersten Einstellung. Die Kinder | |
| ziehen mit ihren Eltern im VW-Bus aus der Großstadt nach Barra de Potosí. | |
| Welche dramaturgischen Möglichkeiten bietet Ihnen das Motiv der Reise? | |
| Ich wollte von den Unterschieden in Mexiko sprechen. Zusammen mit den | |
| Kindern und auch für sie wollte ich die aktuelle Situation im Land | |
| reflektieren, die Verschiedenartigkeit der Lebensentwürfe aufnehmen und den | |
| Reichtum unserer Artenvielfalt verstehen. Als Teil einer in die Zukunft | |
| gerichteten optimistischen Nachricht. Auch wenn es angesichts der großen | |
| Probleme in Mexiko oft schwerfällt, optimistisch zu sein. | |
| „Tesoros“ handelt von Freundschaft, von Freiheit und üppiger Natur an der | |
| Küste Guerreros. Doch der Name des mexikanischen Bundesstaates hat sich | |
| längst zu einem Synonym für Gewalt und Drogenhandel verwandelt. Wie gehen | |
| Sie mit diesem Widerspruch um? | |
| Es war genau meine Absicht, in einer problematische Zone zu filmen. Die | |
| Widersprüchlichkeit nämlich ist in Mexiko absolut real. Man findet viele | |
| solcher Orte – Naturparadiese mit glücklichen Menschen, in denen aber | |
| Gewalt und Straflosigkeit herrschen. Davon wollte ich erzählen. Aber auf | |
| eine kindgerechte Weise, damit sie ihre eigenen Stärken und Möglichkeiten | |
| für die Zukunft erkennen können und auch den Wert der Natur und Kultur des | |
| Landes schätzen lernen. „Tesoros“ ist ein absolut positiver Film, aber auf | |
| eine realistische Art. Eine große Kraft der mexikanischen Kultur liegt in | |
| dem Willen, glücklich zu sein. Trotzdem war es eine Herausforderung, in | |
| Guerrero zu filmen. | |
| In der Dorfschule begegnen Andrea und Dylan ihren neuen Klassenkameraden | |
| und registrieren mit großer Selbstverständlichkeit die verschiedenen | |
| Lebensbedingungen der Kinder. Gibt es einen dokumentarischen Anteil in | |
| „Tesoros“? | |
| Ja, für einen Spielfilm war meine Art zu arbeiten sehr dokumentarisch. | |
| Natürlich erzählt „Tesoros“ eine Geschichte, der die Kinder folgen könne… | |
| aber die Schule am Strand gibt es wirklich. Ihre zyanblauen Wände wurden | |
| zur Farbe des Films. Auch die Tieraufzuchtstation und die | |
| Schildkrötenbrutstätte gibt es so in Barra de Potosí. Es ist eine von der | |
| Natur begünstigte Gemeinde, die aber immer von den Aktivitäten der | |
| Tourismusindustrie bedroht ist. Trotzdem ist es dem Ort bisher gelungen, | |
| größere Vorhaben abzuwehren und die Kontrolle über die vorhandenen | |
| Ressourcen zu behalten. | |
| Wie unterscheidet sich in Mexiko die Kindheit auf dem Land von der in der | |
| Stadt? | |
| In fast allen Städten in Mexiko ist das Leben für Kinder kompliziert | |
| geworden. Sie gehen wenig aus dem Haus und sind in vielen Dingen von | |
| Erwachsenen abhängig. Deshalb wollte ich die Erfahrung meiner eigenen | |
| Kindheit mit ihnen teilen: die Welt draußen selbstständig zu erkunden – | |
| natürlich mit Erwachsenen im Hintergrund, aber mit einer Freiheit, die es | |
| in der Stadt so nicht für sie gibt. Die Geschichte des Films handelt also | |
| auch davon, sich einen Raum anzueignen. Und darum bleiben die Erwachsenen | |
| meist außerhalb oder am Rand der Kameraeinstellungen. | |
| In der Geschichte spielt Dylan begeistert auf dem Tablet. Doch der Film | |
| findet einen überraschenden Übergang zwischen seinem digitalen Spiel | |
| „Piratas del Pacifico“ und der realen Schatzsuche der Kinder. Worum geht es | |
| Ihnen bei diesem fließenden Wechsel zwischen den Welten? | |
| Es ist in Ordnung mit dem Tablet zu spielen, es ist Teil der Realität. | |
| Gleichzeitig wollte ich aber auch einen etwas konstruktiveren Dialog | |
| zwischen der realen Welt und den neuen Technologien zeigen. Zum Beispiel | |
| verwerfen die Kinder im Film ziemlich bald die Idee einer historischen | |
| Piratenkarte und bedienen sich bei ihrer Schatzsuche der sehr viel | |
| präziseren Darstellung ihrer Schatzinsel auf Google Earth. | |
| 14 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva-Christina Meier | |
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