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# taz.de -- Waffenkampf in den USA: Durchgeladen
> Kein Thema spaltet Amerika so wie das Recht auf eine Waffe. In
> Wahlkampfzeiten verschenken Politiker auch schon mal Knarren an ihre
> Unterstützer.
Bild: Beliebtes Wahlkampf-Gimmick: halbautomatische Gewehre im Militärstil.
Freiheit. Ein großes Wort. Ein Schlüsselwort im amerikanischen
Selbstverständnis. Eins, das es zu verteidigen gilt, mit allen Mitteln.
„Niemals wird es Freiheit geben, wenn es nicht die Möglichkeit gibt, sie zu
verteidigen.“ So formuliert es die [1][„Campaign for Liberty“], eine
Lobbygruppe in den USA, gegründet von Ron Paul.
Paul gehört zu den prominenteren Politikern in Amerika, die für eine
konsequent liberale Politik eintreten. Drei Mal bewarb er sich in der
Republikanischen Partei als Präsidentschaftskandidat. Für höchste Ehren
reichte es nicht, doch polarisiert Paul immer wieder mit seinen strikt
libertären Ansichten, dessen Kern die absolute individuelle Freiheit ist.
Die verteidigt man natürlich am besten mit einer Waffe, weshalb Pauls
Lobbygruppe [2][eine AR-15 verschenkt, eine halbautomatische Waffe im
Militärstil]. Ein blendendes Instrument, um die Grundwerte der
amerikanischen Seele zu verteidigen. Wer die Waffe inklusive zweier
Magazine besitzen möchte, muss sich lediglich bis Ende April auf der Seite
der „Campaign for Liberty“ registrieren. „Für die Freiheit, Ron Paul“ …
der Aufruf unterschrieben.
Waffenliebhaber und ihre Gegner stehen sich in den USA unversöhnlich
gegenüber, ihre Kampfzone ist der [3][Zweite Zusatz zur amerikanischen
Verfassung], der das Recht auf eine eigene Waffe garantiert. Jeder
Politiker muss sich positionieren, dafür oder dagegen, einen Mittelweg gibt
es in dieser Debatte vor allem für die Rechten schon lange nicht mehr – und
im Herbst wird wieder gewählt.
Da kann eine Waffenlotterie vielleicht entscheidende Stimmen bringen.
[4][Tom Tancredo] etwa kandidiert als Gouverneur in Colorado. Unterstützt
wird er vom Musiker Ted Nugent, der Obama auch schon mal „Untermensch“
nennt und jetzt Werbung für Trancedo macht. [5][„Wie würde dir eine neue
AR-15 gefallen – und das umsonst?“ fragt Nugent], das Gewehr statt einer
Gitarre lässig über die Schulter geworfen.
Oder aber Lee Bright, der in South Carolina im Senat sitzt und gern nach
Washington wechseln würde. Natürlich auch Republikaner, ausgezeichnet mit
einer „A-Bewertung von der NRA“, [6][brüstet er sich auf seiner Homepage].
Einer seiner Unterstützer ist nun Besitzer eines Palmetto Armory AR-15, Typ
Sturmgewehr, „assault weapon“, die nach dem Amoklauf an einer Schule in
Newtown im Dezember 2012 verboten werden sollten. Doch die Initiative im
Senat scheiterte im April letzten Jahres.
[7][Paul Broun] aus Georgia ist Wiederholungstäter. Um den Senatssitz in
Georgia zu ergattern, hat er schon ein AR-15 rausgehauen – und letzten
Monat noch mit einer Waffe der Marke Colt nachgelegt. Der Mann sitzt seit
2007 im Kongress und könnte im November Senator werden.
In der Sandy Hook Schule in Newtown erschoss der 20-jährige Adam Lanza 20
Kinder, sechs Angestellte der Schule, seine Mutter und anschließend sich
selbst. Seitdem starben in den USA nach Recherchen des Magazins Mother
Jones [8][fast 200 Kinder durch Waffengewalt]. Macht aber ja nichts, man
kann trotzdem noch ein paar Gewehre verschenken, es geht schließlich um ein
politisches Amt – und die Freiheit.
Ob ein Milliardär allein gegen diese Waffenfront ankommt? Schafft, was
Obama, der Senat und Bürgerrechtsgruppen bislang nicht geschafft haben?
Michael Bloomberg glaubt das auf jeden Fall. Der ehemalige Bürgermeister
von New York kämpft seit Jahren für striktere Waffengesetze und hat sich
sogar schon mit fettleibigen Bürgern angelegt. Und der Mann hat Geld zu
verschenken.
## Angst kennt die NRA nicht
Am Mittwoch kündigte er in der New York Times und beim Sender NBC an, 50
Millionen Dollar (etwa 36 Millionen Euro) in eine Grassrootsorganisation
für striktere Waffengesetze zu investieren. [9][„Wir müssen sie dazu
bringen, dass sie Angst vor uns haben“], sagte Bloomberg der Times. Doch
Angst ist der NRA eher fremd und [10][„Everytown for Gun Safety“], so der
Name der Organisation, ist nicht Bloombergs erster Versuch, gegen die NRA
Politik zu machen. Bereits 2006 gehörte er zu den Gründern von „Mayors
Against Illegal Guns“.
Nun will Bloomberg es gemeinsam mit seiner alten Initiative und der
Lobbygruppe [11][„Moms Demand Action for Gun Sense in America“] schaffen.
Damit seine Millionen nicht verpuffen, soll mehr in Aktionen im Netz und
Grassroots gesteckt werden und vor allem Frauen und Mütter überzeugt
werden. An seine Gegner gewandt versucht es Bloomberg bei NBC sogar
diplomatisch. [12][„Niemand will euch eure Waffen wegnehmen.“]
Selbst Bloomberg, der fest an seinen Platz im Himmel glaubt, wie er der
Times verrät, wird das wohl nicht schaffen. Waren laut [13][Gallup] nach
dem Amoklauf in Newtown noch 58 Prozent für striktere Waffengesetze, sind
es im Oktober 2013 nur noch 49 Prozent. 20 tote Kinder sind schnell
vergessen in einem Land, das die Debatte um das Recht auf ein eigene Waffe
seit Jahrzehnten führt. Vielleicht muss dafür erst ein Kind durch Ron Pauls
Stumgewehr sterben. Aber Waffen töten natürlich keine Kinder. Sie
verteidigen ausschließlich die Freiheit.
17 Apr 2014
## LINKS
[1] http://www.campaignforliberty.org/
[2] http://www.chooseliberty.org/gungiveaway.aspx?pid=0406a
[3] http://www.law.cornell.edu/wex/second_amendment
[4] http://governortancredo.com/
[5] http://supporttomtancredo.com/landing/giveaway-fwds/
[6] http://www.brightforsenate.com/
[7] http://www.paulbroun.com/
[8] http://www.motherjones.com/politics/2013/12/children-killed-guns-newtown-an…
[9] http://www.nytimes.com/2014/04/16/us/bloomberg-plans-a-50-million-challenge…
[10] http://everytown.org/
[11] http://momsdemandaction.org/
[12] http://www.today.com/video/today/54964829#54964829
[13] http://www.gallup.com/poll/1645/guns.aspx
## AUTOREN
Rieke Havertz
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