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# taz.de -- Debatte US-Außenpolitik: Obama macht nicht alles falsch
> Der US-Präsident verhält sich immer angepasster. Warum nur? Er könnte die
> ganzen Karrieristen in Washington doch einfach hinwegfegen.
Bild: Nicht denken, durchgreifen: Barack Obama
Ein leichtes Erbe ist es nicht, das amerikanische Präsidenten antreten
müssen. Immer wartet eine starre Außenpolitik, eine vielgliedrige
Exekutive, der Druck aus dem Kongress, entschlossene Lobbyisten,
oberflächliche Journalisten und ein ignorantes Volk auf sie. Barack Obama
schien just darauf bestens vorbereitet: Sein Intellekt und sein
internationaler Hintergrund, so glaubte man, waren beste Voraussetzungen
für dieses schwierige Amt.
Weshalb also fällt es dem Präsidenten so schwer, besonders in der
Nahostpolitik über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken, ganz so, als
ob er immer noch im Staat seiner Großeltern festsitzen würde, nämlich in
Kansas?
In Washington hat er sich zunächst als guter Verhandlungspartner erwiesen.
Er zog das Militär auf seine Seite, indem er ihnen die Strategie des
globalen Zugriffs garantierte. Er stellte die Geheimdienste ruhig, indem er
ihnen uneingeschränktes Handeln im „Krieg gegen den Terror“ ermöglichte.
Und mit nur minimaler Regulierung, einem offenen Zugang und einer
vorsichtigen Umweltpolitik hat er für neue Kapitalzuwächse gesorgt.
Aber der Preis für all das war hoch. Die Verfassung der Vereinigten Staaten
musste mehrmals gebeugt werden, ebenso internationale Gesetze, besonders,
was den Einsatz von Drohnen betraf. Das brachte die US-Administration in
Misskredit. Die totale elektronische Überwachung bringt immer mehr
amerikanische Bürger gegen die Regierung auf, von den ausländischen
Bevölkerungen mal ganz abgesehen.
Der US-Administration scheint es nicht mehr um soziale Entwicklungen zu
gehen oder gar um Menschenrechte. Der internationale Einfluss der USA
schwindet; Obamas Auftreten hat daran bisher leider nichts geändert. Dass
die Verleihung des Friedensnobelpreises vorschnell gewesen war, muss hier
nicht noch einmal betont werden.
## Eskalation des Konflikts mit den Taliban abgewendet
An vielen Stellen hat sich die Situation sogar drastisch verschlechtert.
Chinas Einfluss sollte gedämpft werden, wozu eine Reihe von Nationen
unterstützt wurden – von Japan bis zu Vietnam. Aber das führte gleichzeitig
zu Unwägbarkeiten wie dem Wiedererstarken des japanischen Militärs, von den
Eigenwilligkeiten kleinerer Nationen mal abgesehen. Und in Sachen
Menschenrechte haben die USA wegen der Veröffentlichungen der Whistleblower
und des offiziellen Umgangs dramatisch an Glaubwürdigkeit verloren.
Gleichzeitig wurde Russlands wachsendes nationales Selbstbewusstsein, wenn
auch unfreiwillig, gestärkt: Obama hat nur wenig unternommen, um Russlands
Groll über die Erweiterung der Nato nach Osten zu dämpfen. Dem Unbehagen
des Kongresses, atomaren Abrüstungsverhandlungen zuzustimmen, hat er
nachgegeben.
Und dann wäre da noch der „Krieg gegen den Terror“. Der hat statt für
Frieden nämlich nur für noch mehr Feinde gesorgt; in einem weiten Bogen von
Indonesien über Pakistan bis zum Jemen, Somalia und Zentralafrika. Im
Dauerkonflikt mit den islamischen Staaten stellen sich die USA immer noch
gern auf die Seite autoritärer Regime – und wie stets hinter Israel.
Israels Unterminierung der ohnehin zerbrechlichen Verhandlungen mit den
Palästinensern durch ihre Siedlungspolitik trifft jetzt auf eine gespannte
Situation in Ägypten, wo sich das Militär entgegen dem amerikanischen
Ratschlag weigert, auf Moderation zu setzen.
Obamas Kritiker stellen sich dabei gern eine Welt vor, die pariert, wenn
der amerikanische Präsident ein Machtwort spricht. Das aber war früher
schon nicht so, und heute ist es noch viel weniger der Fall. Trotzdem macht
Obama nicht alles falsch: Gerade da, wo er nicht handelt, handelt er
paradoxerweise oft richtig. Die Konflikte mit Lateinamerika hat er so auf
ein ritualisiertes Niveau heruntergeschraubt. Er hat gar nicht erst
versucht, Brasiliens Aufschwung aufzuhalten.
Der Rückzug aus Afghanistan schreitet voran; eine Eskalation der
Auseinandersetzungen mit den Taliban wurde abgewendet. Der Rückzug aus dem
Irak ist abgeschlossen. In Syrien wird bislang nur auf sehr kleiner Basis
interveniert. Auch auf den Druck Israels, einen Angriff auf den Iran
vorzubereiten, ist er nicht eingegangen.
## Obama bleiben noch dreieinhalb Jahre
Tatsächlich hat Obama Netanjahu und seine amerikanischen Unterstützer
geschickt ausmanövriert. Obama wusste, dass die amerikanischen Juden in der
Hauptsache amerikanische Patrioten sind. Die Behauptung der jüdischen
Verbände, dass sie die Mehrheit der amerikanischen Juden repräsentieren,
ist falsch. Obama hat trotz Netanjahus Einsatz für die Republikaner 70
Prozent der jüdischen Stimmen gewonnen.
Trotz der Konflikte in In- und Ausland hält sich Obama in seinem Auftreten
gern zurück. Er hat wider besseres Wissen die amerikanische Obsession in
Sachen Kuba nicht für lächerlich erklärt; Netanjahu indes mag er in
Vier-Augen-Gesprächen vor Israels Weg in die politische Isolation gewarnt
haben, öffentlich wurde davon nichts. Er mag betont haben, wie gut sich
Kooperationen mit dem Ausland für die USA bezahlt machen; zur tatsächlichen
Lage der USA – nämlich der einer Supermacht auf dem absteigenden Ast – hat
er kaum ein Wort verloren.
Natürlich hat er während des Wahlkampfs 2012 versprochen, sich in seiner
zweiten Amtszeit um die Wirtschaft und den Haushalt zu kümmern. Ob er aber
den außenpolitischen Schlingerkurs in den drei Jahren und fünf Monaten, die
ihm bleiben, noch korrigieren wird, bleibt fraglich.
Washington wird von mediokren Karrieristen dominiert. Ein guter Präsident
könnte sie mit einer Bewegung hinwegfegen – indem er sich der
Öffentlichkeit zuwendet. Die Tatsache, dass auf nationaler Ebene immer noch
auf die falschen Prioritäten gesetzt wird, macht die Sache schwierig. Der
Präsident könnte sich erst dann zum letzten Triumph aufschwingen, wenn er
auf große Veränderungen setzt, also auf den „Change“, den er einst
versprochen hat. Natürlich im vollen Bewusstsein seiner begrenzten
Möglichkeiten.
In seiner Studentenzeit hat Obama gern einmal die abweichende Meinung
gepflegt. Es wird Zeit, dass er sich dieser Wurzeln besinnt.
22 Aug 2013
## AUTOREN
Norman Birnbaum
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