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# taz.de -- Nachruf auf Norman Birnbaum: Ein Klarseher
> Er galt als einer der wichtigsten linken Intellektuellen der USA. Auch
> für die taz kommentierte Norman Birnbaum das politische Geschehen.
Bild: Ein linker Intellektueller, der die Gesellschaft verändern wollte: Norma…
Wann immer man in den letzten Jahren, bevor er in ein Seniorenheim umzog,
Norman Birnbaum in seinem Washingtoner Haus besuchte, wurde man überaus
gastfreundlich empfangen. Und egal, was zum Essen oder Trinken auf dem
Tisch stand, eines erwartete den Besucher ganz sicher: eine spannende
Diskussion über die jeweils aktuelle Politik, gespickt mit Anekdoten und
Lektionen aus den letzten acht Jahrzehnten US-amerikanischer Politik.
Wenn Birnbaum, der auch in Deutschland als Kommentator und Debattenautor
für verschiedene Medien schrieb, [1][nicht zuletzt die taz,] vorgestellt
wurde, hieß es meist lapidar: Soziologie-Professor emeritus, ehemaliger
Berater von US-Präsident John F. Kennedy. Das stimmte, aber Birnbaum war
viel mehr.
1926 in New York geboren, aufgewachsen in linken jüdischen Kreisen, tat er
sich schon mit 14 dort um, was damals die US-Linke ausmachte. Im
taz-Interview beschrieb er das einmal so: „Einer Anekdote zufolge gab es
damals in New York junge Leute, die erst auf der Universität erfuhren, dass
man in den USA mit Zweiparteiensystem die Demokraten und die Republikaner
meinte – und nicht, wie sie dachten, Stalinisten und Trotzkisten.“
Der trockene politische Humor hat ihn stets ausgezeichnet, war aber nie mit
Gleichgültigkeit zu verwechseln. Norman Birnbaum war ein linker
Intellektueller, der die Gesellschaft verändern wollte. Der trotz
glänzender Wissenschaftskarriere über Harvard, die London School of
Economics, Oxford, Amherst College und schließlich die Georgetown
University niemals im akademischen Elfenbeinturm saß. Der gehört wurde und
dessen Rat gesucht wurde. Und der doch – wie taz-Kollegin Bettina Gaus
[2][in einem Text zu Birnbaums 90. Geburtstag erinnerte] – später
selbstkritisch reflektierte: „Wir verwechselten Aufmerksamkeit mit
Zustimmung, Anerkennung als Darsteller mit Billigung des Dargestellten.“
## Die Neugier auf Politik blieb immer bestehen
Er kannte sich aus in den USA und in Europa. In London gründete er 1960 die
New Left Review mit, eines der wichtigsten linken Diskussionsorgane. In den
USA saß er viele Jahre im Herausgebergremium der linken The Nation. Kaum
ein US-amerikanischer oder europäischer Intellektueller, über den Birnbaum
nicht eine persönliche – und meist wirklich lustige – Anekdote zu erzählen
gewusst hätte.
Birnbaum litt an der verflachenden politischen Kultur nicht nur seines
eigenes Landes – aber im Unterschied zu sehr viel jüngeren verzweifelt er
nicht. Seine Neugier auf Politik blieb immer bestehen. Es wäre gut gewesen,
manchen Rat von ihm zu befolgen. 2004 kritisierte er im Interview mit der
taz, die US-Linke sei zu einem [3][„korporativistischen Verband“
degradiert, der sich zu stark auf Minderheitenrechte konzentriere.] „Das
hat bei kulturell traditionell ausgerichteten weißen Arbeitern, nicht nur
im Süden, Angst ausgelöst.“ Kritik an Identitätspolitik war damals noch
nicht en vogue. Birnbaum war ein Klarseher.
In der Nacht zum Samstag ist Norman Birnbaum im Alter von 92 Jahren in
Washington gestorben.
6 Jan 2019
## LINKS
[1] /!a907/
[2] https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2016/juli/bestaendig-kritisch-%E2…
[3] /!680293/
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
Norman Birnbaum
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John F. Kennedy
Lesestück Meinung und Analyse
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USA
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