| # taz.de -- Eurokolumne: Banger Blick nach Karlsruhe | |
| > Sparpakete und Reformen haben bis jetzt wenig geholfen: Die einzige | |
| > funktionierende Institution in der Eurokrise ist die EZB. | |
| Bild: Wenn nichts mehr hilft, hilft vielleicht die EZB. | |
| Die Entscheidung der Karlsruher Richter hätte das sofortige Ende des Euro | |
| bedeuten können. Schließlich ging es um nichts Geringeres als das | |
| umstrittene Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB). | |
| Auf dem Höhepunkt der Eurokrise hatte es Spekulationen gegen den Euro und | |
| wichtige Länder wie Italien und Spanien beendet. Die bloße Drohung der EZB, | |
| Staatsanleihen durch massive Ankäufe zu stützen, hat 2012 mehr zur Rettung | |
| des Euro beigetragen als alle Spar- und Reformprogramme zusammen. | |
| Doch mit mehreren Klagen wollten deutsche Prinzipienreiter das EZB-Programm | |
| kippen. Überraschend erklärten die Richter des Bundesverfassungsgerichts, | |
| der Europäischen Gerichtshof in Luxemburg solle entscheiden. Auf den ersten | |
| Blick klingt dies wie weise: Zum ersten Mal überhaupt und seit Beginn der | |
| Eurokrise hat das oberste deutsche Gericht die Zuständigkeit des EuGH | |
| anerkannt. | |
| Damit, so hoffen viele in Brüssel, ist der unselige deutsche Sonderweg | |
| beendet. Aus Angst vor negativen Urteilen in Karlsruhe hatte Berlin viele | |
| wichtige Entscheidungen auf die lange Bank geschoben – oder ganz | |
| verhindert. | |
| ## Basta mit der Krise | |
| Dies trieb nicht nur die Kosten der Krise in die Höhe, es hat diese auch | |
| unnötig verlängert. Die zweite Hoffnung ist, dass der EuGH die Klagen | |
| abweist und das sogenannte OMT-Programm durchwinkt. Dann wäre es mit | |
| höchsten Weihen versehen, EZB-Chef Mario Draghi hätte freie Bahn, weiter | |
| mit Eingriffen in den Markt zu drohen Die Eurozone wäre sicher gegen | |
| spekulative Attacken, basta mit der Krise. | |
| Doch ist das wirklich so? Daran darf man stark zweifeln. Denn die roten | |
| Roben in Karlsruhe haben den Fall nicht kommentarlos nach Luxemburg | |
| abgegeben. Sie äußerten unüberhörbar ihre Meinung: „Vorbehaltlich der | |
| Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ist der | |
| OMT-Beschluss nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts mit dem | |
| Primärrecht unvereinbar.“ Unvereinbar, also rechtswidrig, und deshalb auch | |
| nicht wirksam? Das ist nun die bange Frage, die sich Experten stellen. | |
| Und die Antworten fallen alles andere als beruhigend aus. Von einem „GAU | |
| für die EZB“ spricht Zeit-Redakteur Mark Schieritz in seinem Blog | |
| „Herdentrieb“. Die Überweisung nach Luxemburg sei nicht etwa ein Akt der | |
| Unterwerfung, sondern Zeichen eines Herrschaftsanspruchs der Karlsruher | |
| Richter – Motto: Wenn die Europäer unserer Meinung nicht folgen, dann muss | |
| Deutschland eben aus dem Rettungsprogramm aussteigen. Das wäre dann wohl | |
| das Ende. | |
| ## Die Richter in Luxemburg schweigen | |
| Noch bedenklicher klingt die Analyse von Marcel Fratzscher, Chef des | |
| Berliner Wirtschaftsforschungsinstituts DIW. Karlsruhe hätte der EU und | |
| Deutschland einen Bärendienst erwiesen, denn sie hätten der EZB Ketten | |
| angelegt – zumindest bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs | |
| könne die Zentralbank sich nun nicht mehr schützend vor Krisenländer | |
| werfen. | |
| Wer hat nun recht, Optimisten oder Pessimisten? Schwer zu sagen. | |
| Diejenigen, die es wissen müssten – die Richter in Luxemburg –, schweigen. | |
| Das Urteil des EuGH und eine mögliche Reaktion des | |
| Bundesverfassungsgerichts werden erst im Frühjahr 2015 erwartet. Frühestens | |
| dann gibt es Gewissheit. Die Unsicherheit wäre allerdings nicht so groß, | |
| wenn sich Berlin von Anfang an eindeutig hinter Draghi und die EZB gestellt | |
| hätte. Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble | |
| sind jedoch ausgewichen. | |
| Bis heute haben sie nicht zugegeben, dass die EZB die einzig | |
| funktionierende Institution in der Eurokrise ist. Und dass Draghis Drohung | |
| der alles entscheidende Befreiungsschlag war. Lieber halten sie den Mythos | |
| aufrecht, das Kürzen von Sozialleistungen und das Drücken von Löhnen habe | |
| den Euro gerettet. Und noch lieber verstecken sie sich hinter der | |
| Bundesbank und dem Bundesverfassungsgericht, die beide eindeutig gegen den | |
| aktuellen EZB-Kurs sind. Der deutsche Sonderweg geht also weiter, | |
| jedenfalls in Berlin. | |
| 14 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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