# taz.de -- Debatte um Europa: Für die Herrschaft des Rechts | |
> Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, erklärt, | |
> warum sich sein Gericht in die EU-Währungspolitik einmischt. | |
Bild: Im Clinch mit der Europäischen Zentralbank und ihren Anleihenkäufen in … | |
FREIBURG taz | Das Bundesverfassungsgericht schützt das Recht in Europa. | |
Das ist die Botschaft, die der Präsident des Gerichts, Andreas Voßkuhle, am | |
Donnerstagabend in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft | |
verkündete. Er verteidigte dabei den Karlsruher Vorstoß gegen die | |
Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). | |
Anfang Februar hatte das Bundesverfassungsgericht erstmals einen Fall an | |
den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg überwiesen. Es geht dabei um die | |
Frage, ob die EZB Staatsanleihen in unbeschränkter Höhe aufkaufen darf, um | |
irrationale Zinsaufschläge der Finanzmärkte zu neutralisieren. Das | |
Bundesverfassungsgericht glaubt, dass die EZB dabei ihre Kompetenzen | |
überschreitet. Die Rettung der gemeinsamen Währung sei nicht ihre Aufgabe, | |
nur die Sicherung stabiler Preise. Das Argument der EZB, dass beides | |
zusammenhänge, halten die Verfassungsrichter für falsch. | |
In den kommenden Monaten muss nun der Europäische Gerichtshof entscheiden, | |
ob die Zentralbank die EU-Verträge eingehalten oder gebrochen hat. Keine | |
leichte Aufgabe. Denn einerseits war schon die bloße Ankündigung der EZB | |
ein großer Erfolg, weil sie die Spekulation gegen einzelne Euro-Staaten | |
beruhigte. Anderseits hat das Bundesverfassungsgericht unverhohlen seine | |
Erwartung geäußert, dass der EuGH gegen die EZB einschreitet – sonst | |
müssten deutsche Staatsorgane versuchen, die EZB zu stoppen. Das wäre nicht | |
nur eine große Krise in Europa, auch die EZB könnte ohne Beteiligung der | |
deutschen Bundesbank ihre Euro-Rettungspolitik kaum wirksam fortführen. | |
In dieser Situation muss sich Voßkuhle nun gegen zwei Vorwürfe verteidigen. | |
Euro-Skeptiker hielten dem Verfassungsgericht vor, es habe sich dem EuGH | |
„unterworfen“. Voßkuhle weist dies laut Vortragsmanuskript zurück. Der Eu… | |
lege nur das EU-Recht aus, während Karlsruhe für das nationale | |
Verfassungsrecht zuständig bleibe. Also habe Karlsruhe weiter das letzte | |
Wort. | |
## Zwei Vorwürfe stehen im Raum | |
Auf der anderen Seite muss sich das Verfassungsgericht von Europafreunden | |
„Amtsanmaßung“ vorwerfen lassen. Ein nationales Verfassungsgericht könne | |
nicht die Auslegung des EU-Rechts durch den EuGH kontrollieren. Voßkuhle | |
beruft sich aber auf die gewagte Konstruktion des Gerichts, dass | |
Kompetenzüberschreitungen der EU-Organe die Rechte jedes deutschen Bürgers | |
verletzen. Denn solche „ausbrechenden“ Rechtsakte würden die demokratische | |
Einflussmöglichkeit unterlaufen, die den Bürgern durch das Wahlrecht im | |
Grundgesetz gewährt werde. | |
Voßkuhle, der selbst Mitglied der Akademie ist, nutzte seinen Vortrag, um | |
für die Herrschaft des Rechts auch in der Eurokrise zu werben. | |
Grundsätzlich sei die EU im Wesentlichen eine Rechtsgemeinschaft. Weil man | |
sich aufgrund unterschiedlicher kultureller und politischer Traditionen | |
nicht intuitiv aufeinander einstellen könne, schaffe erst das gemeinsame | |
Recht „Orientierungssicherheit“. Wenn das Recht – inklusive der | |
Kompetenzregeln – auch in der Krise gewahrt werde, entstehe so besonders | |
großes Vertrauen, so Voßkuhle. „Vernachlässigen wir das Recht, gefährden | |
wir auch alles andere, was unser gemeinsames Europa ausmacht“, schloss der | |
Verfassungsrichter. | |
Fragt sich nur, wer bestimmt, was „das Recht“ im Einzelfall besagt, das | |
Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof? | |
7 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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