# taz.de -- Protestforscher Grottian über Eurokrise: „Wenig Menschen auf den… | |
> Im Mai wollen „Blockupy“-Aktivisten wieder gegen die europäische | |
> Krisenpolitik demonstrieren. Die Forderungen seien zu abstrakt, meint | |
> Protestforscher Peter Grottian. | |
Bild: Zur Europawahl im Mai soll wieder kräftig protestiert werden. | |
taz: Herr Grottian, im Mai soll es wieder „Blockupy“-Proteste geben. Sie | |
scheinen davon etwas genervt zu sein. Warum? | |
Peter Grottian: An den Blockupy-Protesten nervt mich gar nichts. Die | |
Vorbereitungen für die Proteste im Mai und die Blockade der Europäischen | |
Zentralbank im Herbst sind auf einem guten Weg. Ich plädiere nur dafür, | |
dass man den abstrakten Protest von Blockupy gegen die europäische | |
Austeritätspolitik konkreter macht. | |
In Frankfurt arbeiten AktivistInnen aus sehr verschiedenen Bereichen seit | |
Jahren daran, Großproteste und Straßenblockaden gegen die Krisenpolitik zu | |
etablieren. Sie finden, diese Strategie geht nicht auf? | |
Die Kritik von Blockupy an der EU und der Troika ist völlig zutreffend. | |
Aber sie bringt bislang zu wenige Menschen auf die Straße. Jede soziale | |
Bewegung, wenn sie als linkes Projekt startet, muss sich bemühen, bis in | |
die Mitte der Gesellschaft vorzudringen, ohne an Radikalität zu verlieren. | |
Blockupy sollte die konkreten Nöte der Bürger und Bürgerinnen mit dem | |
Bankensystem stärker in seine Konzeption integrieren. | |
Was heißt das konkret? | |
Man sollte sich zum Beispiel mit den Sorgen der Bankkunden befassen. Da | |
sind die hohen Dispozinsen eine ganz besondere Schweinerei und ein großes | |
Ärgernis für die Kunden. Die deutschen Banken setzen mit der | |
Dispozins-Abzocke ein Volumen von 39 Milliarden Euro im Jahr um. Sie leihen | |
sich bei der Europäischen Zentralbank das Geld mit einem Zinssatz von 0,25 | |
Prozent, um dann von ihren Kunden Dispozinssätze in Höhe von 8 bis 17 | |
Prozent zu verlangen. Wer seinen normalen Disporahmen überzieht, bekommt | |
dann nochmal 5 bis 7 Prozent Strafzins obendrauf – eine gigantische | |
Sauerei. Tagtäglich sind davon 12 bis 15 Millionen Menschen in Deutschland | |
betroffen. Deswegen rufe ich ergänzend zu den Blockupy-Protesten im Mai | |
dazu auf, diese Banken mal mit einigen Kunden besuchen zu gehen. | |
Was haben die Dispozinsen mit der EU-Krisenpolitik zu tun? | |
Sie zeigen, wie rigide das Bankensystem und die Bankenpolitik mit Menschen | |
– übrigens ihren eigenen Kunden – umgehen. Es ist ja für den Normalbürger | |
nicht leicht zu verstehen, was das Basel-III-Abkommen oder | |
Einlagensicherungsfonds sind. Aber was passiert, wenn man in den | |
Dispozinsbereich gelangt, das kann jeder in einer Sekunde als eine | |
Schweinerei begreifen. Von dieser Dispozins-Abzocke sind Menschen auf | |
vielfältige Weise betroffen. | |
Wie denn genau? | |
Ich kenne einen kleinen Mittelständler, der für sein Hutgeschäft seine | |
Sommerkollektion einkaufen will und diese über den Dispo vorfinanzieren | |
muss. Das ist für ihn ein echtes Problem. Statt auch ihn von niedrigen | |
Zinsen profitieren zu lassen, machen die Banken mit solchen Leuten noch | |
Profite. | |
Und was lernen Sie daraus? | |
Ich habe als alter Aktivist gelernt: Nichts ist wirkungsvoller als eine | |
Reputationsschädigung von Banken. Wir wollen ergänzend zu den | |
Blockupy-Aktionstagen im Mai in mindestens 15 Städten diejenigen Banken, | |
die die höchsten Dispozinsen verlangen, zunächst hübsch schmücken und mit | |
neuen Markenzeichen versehen: „Erste Abzocker-Bank der Stadt“. Das ist kein | |
klassisches linkes Projekt, sondern soll ein BürgerInnenprojekt sein, dem | |
sich Verbraucherzentralen, Erwerbsloseninitiativen, | |
Schuldnerberatungsstellen und Bürgerrechtsgruppen anschließen können. Dann | |
gehen wir in die Banken hinein und lassen uns von den Chefs erklären, warum | |
sie uns so ausnehmen. Ich bin gespannt auf die Antworten. | |
14 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
Peter Grottian | |
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