| # taz.de -- AfD vor der Europawahl: Identitätspopulisten greifen an | |
| > Die Eurokritiker bedienen sich gängiger Chauvinismen. Gefährlich werden | |
| > sie durch ihre Logik wirtschaftlicher Konkurrenz. | |
| Bild: Bernd Lucke im Kampf gegen die „betrügerischen Olivenländer“ | |
| Entsteht in Deutschland eine rechtspopulistische Partei, dann wird diese | |
| von einem starken, polarisierenden Volkstribun angeführt werden. So lautete | |
| eine beliebte Prognose. Es ist deshalb schon Ironie, dass es sich, als die | |
| Alternative für Deutschland (AfD) gegründet wurde, mit dem asketisch | |
| wirkenden Bernd Lucke doch ganz anders verhielt. | |
| Jener Lucke repräsentiert als habilitierter Ökonom jedoch wichtige Teile | |
| der Partei. Unter ihren Erstunterstützern befinden sich viele | |
| Wirtschaftsprofessoren, im Europawahlkampf stehen mit ihm und Hans-Olaf | |
| Henkel zwei Wirtschaftswissenschaftler an der Spitze. Es ist bemerkenswert, | |
| dass diesen personellen Besonderheiten bislang nur wenig Aufmerksamkeit | |
| geschenkt wurde. | |
| Was bringt die Ökonomen zur AfD, und welche Rolle spielen sie für die | |
| Partei? In der Tat sind die Ökonomen in der Partei ein entscheidender | |
| Faktor. Denn die ökonomische Vernunft verleiht der AfD eine argumentative | |
| Stoßrichtung, die sie merklich von ihren politischen Mitbewerbern | |
| unterscheidet. | |
| Sicher, als Repräsentantin des Grolls der rechten Mitte agitiert die Partei | |
| fraglos populistisch. Wenn sich dieser Populismus mitunter auch gängiger | |
| Chauvinismen bedient, bezieht er seine Schlagkraft doch aus der stringenten | |
| Logik wirtschaftlicher Konkurrenz. Der Populismus der AfD ist ein | |
| Wettbewerbspopulismus. | |
| ## Ökonomen liefern Programm | |
| Ein Beispiel hierfür ist die Forderung nach Auflösung der Eurozone. Für die | |
| AfD-nahen Ökonomen gilt die „Eurokrise“ schließlich als Folge der | |
| unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeiten der Staaten in der Währungsunion. | |
| Folgerichtig wird im Europawahlprogramm „eine Währungsordnung, in der sich | |
| die Währungen den unterschiedlichen Ökonomien anpassen können“, gefordert. | |
| Auch der vermeintliche Gegensatz zwischen einer Quotierung der Einwanderung | |
| und einem Wegfall der Residenzpflicht für Asylsuchende wirkt aus | |
| Perspektive der wirtschaftlichen Konkurrenz zwangsläufig. Deutschland | |
| entsteht durch hoch qualifizierte Zuwanderer ein Wettbewerbsvorteil – | |
| Asylsuchende werden wirtschaftlich selbst für sich verantwortlich und | |
| entlasten hierdurch die öffentlichen Haushalte. | |
| Kann sich die Partei somit, wie sie selbst betont, ganz des Vorwurfs des | |
| Rechtspopulismus entledigen? Wohl kaum. Denn erst der Wettbewerbspopulismus | |
| ermöglicht das Bündnis zwischen chauvinistischen Rechtsaußen und | |
| bürgerlicher Mitte. Die Ökonomen stellen hierfür die strukturelle Basis | |
| bereit, indem sie der AfD mit der Ökonomie den argumentativen Motor, ja ihr | |
| Programm liefern. | |
| Gerade in Deutschland, das als medial stilisierter „Exportweltmeister“ | |
| überlebensgroß wirkt, lässt sich die Logik des ökonomischen Wettbewerbs mit | |
| identitätspopulistischen Positionierungen verkoppeln, die das Andere | |
| (kulturell) abwerten. | |
| ## Betrügerische „Olivenländer“ | |
| In der Eurokrise lässt sich gerade Deutschland durch seine relative | |
| wirtschaftliche Stärke als anderen Staaten überlegen darstellen. | |
| Wettbewerbsfolgen können so mit grundsätzlichen Dominanzvorstellungen | |
| verschmelzen. Deutschland erhält alle positiven Zuschreibungen, ist, wie in | |
| Henkels Büchern, der überlegene Wettbewerber, der seinen Vorteil durch | |
| Disziplin und Einfallsreichtum erarbeitet habe. | |
| Die „Olivenländer“ Südeuropas, wie es rechts außen heißt, versuchten | |
| hingegen, sich gewieft und betrügerisch einem fairen Wettbewerb zu | |
| entziehen. Die Wettbewerbslogik stellt somit gerade für den heutigen | |
| ideologisch flexiblen Populismus der rechten Mitte erhebliche | |
| Anknüpfungspunkte bereit. | |
| Die rigide Systematik der Ökonomie liefert zusätzlich weitere elementare | |
| Bestandteile für den Populismus der rechten Mitte. Durch den Verweis auf | |
| die ökonomische Vernunft ist es nämlich möglich, handelnde Politiker als | |
| korrupte Eliten auszuweisen. | |
| Würde die Politik nur auf die ökonomischen Experten hören, so glaubt man, | |
| wäre es gar nicht erst zur Krise gekommen. Somit liefern die | |
| Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie die Basis für den Vorwurf, „die Politiker�… | |
| verstießen gegen die Interessen der Bürger. | |
| ## Die Euro-Mafia | |
| Um die Probleme zu lösen, rät man folglich, streng der wirtschaftlichen | |
| Vernunft zu folgen – und zementiert damit die klare Front gegen die so | |
| titulierten „Altparteien“. Schließlich lassen sich durch die professorale | |
| Expertise in der Partei doch eigene, einer vermeintlich objektiven | |
| Wissenschaft entstammende Vorschläge als unideologisch und frei von | |
| verzerrenden politischen Interessen rahmen. | |
| Weil handelnde Politiker nicht gänzlich dem volkswirtschaftlichen Lehrbuch | |
| folgen können, ja das verwinkelte politische Tagesgeschäft geradezu als | |
| Gegenentwurf zur Stringenz der Ökonomie wirkt, scheint die AfD so eine | |
| sprichwörtliche „Alternative“ zu „Berufspolitikern“ in Bundestag oder | |
| Europaparlament zu verkörpern. | |
| Von hier aus ist es nur ein kurzer Sprung zu sinistren Überlegungen über | |
| die Interessen „der Politiker“. Hans-Olaf Henkel jedenfalls beschreibt eine | |
| „französische Euro-Mafia“, in der IWF-Präsidentin Christine Lagarde als | |
| „Sarkozys ’Trojanisches Pferd‘ “ das französische Interesse sichere, | |
| „endlich auch über eine ’harte Währung‘ wie die alte Deutsche Mark verf… | |
| zu können“. | |
| Freilich konnte die AfD nur in Deutschland entstehen. Mit dem | |
| Wettbewerbspopulismus lässt sich nur im hegemonialen Land der Eurozone | |
| reüssieren. Die AfD antizipierte dies taktisch durchaus nicht unklug: Ihr | |
| Slogan zur Europawahl lautet „Mut zu D-EU-tschland“. Trotz dieser | |
| Unappetitlichkeiten wird der Verweis auf die populistische Hässlichkeit der | |
| AfD oder der gängige Rechtspopulismusvorwurf nicht ausreichen, um sich | |
| politisch mir ihr auseinanderzusetzen. | |
| Wie andere populistische Parteien vor ist auch die AfD ein Indikator dafür, | |
| dass etwas nicht stimmt zwischen „Volk“ und Regierenden. Ihrem flexiblen | |
| Wettbewerbspopulismus wird indes schwerer beizukommen sein als vergangenen | |
| dumpf nationalistischen Versuchen. Man darf hierüber in Sorge geraten. | |
| 4 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| David Bebnowski | |
| Julia Förster | |
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