# taz.de -- Linker Zwist über Euro-Rettung: „An die Wand gefahren“ | |
> Die Frage, ob der Euro zu retten ist, spaltet die Linke. Nun werfen sich | |
> der Grüne Giegold, die Linke Wagenknecht und der Ökonom Flassbeck | |
> Ahnungslosigkeit vor. | |
Bild: Einigkeit besteht nur in der Frage, dass das Schlimmste erst noch kommt. | |
BERLIN taz | Wie weiter mit dem Euro? Diese Frage entzweit linke Politiker | |
und Wissenschaftler. Der Streit schwelt schon länger, aber seit etwa einer | |
Woche ist er offen ausgebrochen. | |
Den Anfang machte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold, der auf Zeit.de | |
eine Frontalattacke gegen die linke Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht | |
platzierte: Sie würde „den Knecht der AfD“ spielen und | |
„rechtspopulistischen Euro-Totengräbern“ hinterherlaufen. | |
Die Retourkutsche ließ nicht lange auf sich warten – kam aber nicht von | |
Wagenknecht, sondern von Heiner Flassbeck, einst Chefökonom der | |
UN-Organisation Unctad und jetzt Betreiber eines Blogs, der in linken | |
Kreisen breit rezipiert wird. Am Montag ließ Flassbeck dort wissen, Giegold | |
habe ein „schlimmes Stück“ geschrieben und würde die „erhebliche Mitsch… | |
leugnen, die die Grünen an der Eurokrise hätten. | |
Um Flassbeck kurz zusammenzufassen: Seit der Euroeinführung betreibt | |
Deutschland Lohndumping, indem es seine Reallöhne senkt – was nun dazu | |
führt, dass die anderen Euroländer nicht mehr mit Deutschland konkurrieren | |
können. Dieses fatale Lohndumping begann aber genau unter Rot-Grün, etwa | |
mit der Agenda 2010 und den Hartz-Reformen. Flassbeck über Giegold: „Er hat | |
all das nicht verstanden oder will es einfach nicht verstehen.“ | |
## „Popanz aufgebaut“ | |
Giegold findet diese Kritik ungerecht: „Flassbeck baut einen Popanz auf.“ | |
Er habe das deutsche Lohndumping angesprochen, „aber das war nicht das | |
Hauptthema meines Textes“. Giegold wollte den „linken Fehler der | |
Renationalisierung“ anprangern. Denn Wagenknecht und Flassbeck plädieren | |
dafür, dass die Krisenländer den Euro verlassen, wenn sich die Politik in | |
Brüssel und in Deutschland nicht bald radikal ändert. | |
Dieses „unbedachte Gerede“ von einem Euroausstieg hält Giegold für | |
verheerend: „Wer investiert denn noch in Griechenland, wenn er mit den | |
unkalkulierbaren Risiken einer Währungsumstellung von Euro auf Drachme | |
rechnen muss?“ | |
Auch bezweifelt Giegold, dass es den Krisenländern ohne Euro besser ginge, | |
denn die eigene Währung würde stark abgewertet, so dass sich Importe, etwa | |
von Öl, extrem verteuerten: „Nur noch Besserverdienende und Vermögende | |
könnten ihr Haus heizen.“ Wagenknecht und Flassbeck leugnen gar nicht, dass | |
es für die Krisenländer eine extreme Härte bedeuten würde, den Euro zu | |
verlassen. Aber sie sehen keine Alternative, wenn Deutschland bei seinem | |
Lohndumping bleibt. Die Krisenländer würden „an die Wand gefahren“. | |
## Das Kapital haut ab | |
Wagenknecht und Flassbeck glauben, dass der Euroaustritt einzelner | |
Krisenländer beherrschbar wäre – wenn man Kapitalverkehrskontrollen | |
einführte. Giegold hält diese Hoffnung für abwegig: Es würde eine | |
„Kapitalflucht unvorstellbaren Ausmaßes“ einsetzen. „Da würden auch die | |
Kapitalverkehrskontrollen von Frau Wagenknecht nicht helfen. Denn bis diese | |
greifen würden, gäbe es längst kein Kapital in den Krisenländern mehr, das | |
sich kontrollieren ließe.“ | |
Giegold plädiert dafür, die Krisenländer zu entschulden, indem man die | |
Steuerflucht bekämpft. „Allein in Europa gehen jährlich 1.000 Milliarden | |
Euro verloren, weil Steuern hinterzogen werden.“ Auch Flassbeck ist für | |
höhere Steuern. Nur bleibt er dabei: Deutschlands Lohndumping ist das | |
größte Problem, weil es nicht nur die Krisenländer aus dem Euro drängt – | |
sondern auch Frankreich. | |
Bei allem Streit gibt es aber eine Gemeinsamkeit zwischen Giegold, | |
Flassbeck und Wagenknecht: Sie sind alarmiert oder gar verzweifelt. Die | |
meisten Deutschen glauben, die Eurokrise sei unter Kontrolle, doch diese | |
drei fürchten, dass das Schlimmste noch kommt. | |
25 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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