| # taz.de -- Eurokolumne: Bitte nicht mehr Hurra! | |
| > Kein Grund zur Euphorie: Hinter Meldungen zum Wirtschaftswachstum steht | |
| > häufig eine Absicht. Zum Beispiel: Lohnkürzungen rechtfertigen. | |
| Bild: Es steht viel auf dem Spiel: Die Feindseligkeit zwischen Nehmer- und Gebe… | |
| Bei Hurrameldungen sollte man immer ein zweites Mal hingucken. Manchmal | |
| reicht sogar schon ein erster Blick, sie als Propaganda, bestenfalls | |
| Euphemismus zu entlarven. So kündigte Spanien unlängst an, die | |
| Eurorettungspolitik zahle sich endlich in Wirtschaftswachstum aus. | |
| Die griechische Regierung jubelte ähnlich über ein ebenfalls leichtes | |
| Wachstum nach sechs Jahren Rezession. 0,6 Prozent sollen es in diesem Jahr | |
| sein, schätzen EU-Kommission und Troika, die bislang vor allem damit | |
| aufgefallen waren, dass sie sich ver- und die Folgen ihrer Auflagenpolitik | |
| komplett unterschätzten. | |
| Wirklich erschreckend ist, dass der griechische Premier auch noch die | |
| Rückkehr an die Kapitalmärkte ankündigte. Gleichzeitig steht ja die | |
| Forderung nach einer dritten Tranche der Kredithilfe von mehr als 10 | |
| Milliarden Euro im Raum. Völlig vergessen scheint, dass Rettungsfonds und | |
| EZB die Spekulanten aus gutem Grund aus dem Euroraum verbannt hatten. | |
| ## Keine kritische Bewertung | |
| Die Absicht ist klar: Das Freudengeschrei soll die unerbittlichen Eingriffe | |
| in staatliche Haushalte, die Erhöhung von Massensteuern, die Privatisierung | |
| öffentlichen Vermögens und die Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst | |
| legitimieren. Fast schon logisch: Eine kritische Bewertung der | |
| Rettungsdiktate sowie eine Neuausrichtung der künftigen Politik kommen | |
| leider auch im Berliner Koalitionsvertrag nicht vor. | |
| Wie aber sieht die Wirklichkeit aus? In Griechenland sinkt die | |
| gesamtwirtschaftliche Produktion seit 2008. Von diesem Tiefstniveau aus | |
| sind positive Wachstumsraten leicht zu erzeugen. Andersherum: Das | |
| Miniwachstum ist Ausdruck des Absturzes, zumal die Realeinkommen um 37 | |
| Prozent sanken. Das lässt noch eine lang anhaltende tiefe Krise der | |
| Binnenwirtschaft erwarten. Die Arbeitslosigkeit erreichte in Griechenland | |
| Ende 2013 die Rekordmarke von 28,7 Prozent. | |
| Ähnlich in Spanien, auch hier ist mehr als jeder zweite Jugendliche ohne | |
| Job. Die Standards der Europäischen Grundrechtscharta gelten nicht mehr – | |
| dies zeigt auch die Streichung von Beihilfen für Krebsmedikamente. Den | |
| Etats hat der Sparkurs wenig genützt: In Athen sind die Staatsschulden, | |
| bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, Ende 2013 auf 176,2 Prozent | |
| gestiegen. Das Ziel, bis 2022 auf 110 Prozent zu kommen, wird unerreichbar. | |
| Also ist genau das eingetreten, wovor Kritiker der Austeritätspolitik | |
| gewarnt hatten. Die logische Lösung wäre: alles zurück auf Null, in die | |
| Zeit vor dem Maastrichter Vertrag. Obwohl sich die teilnehmenden Staaten | |
| schon in den 90er Jahren ungünstigerweise unterschiedlich entwickeln, | |
| verstärkte er diese Divergenz noch durch die Einheitswährung mit | |
| einheitlichem Steuerungszins. Dieser Gründungsfehler muss korrigiert | |
| werden. Die schwachen Länder brauchen eine Wirtschaftsstruktur, die auf | |
| Export ausgerichtet ist, im Gegenzug muss Deutschland endlich seine | |
| außenwirtschaftliche Dominanz abbauen und die Binnennachfrage ausbauen. | |
| ## Schuldenschnitte sind nötig | |
| Außerdem benötigen wir Schuldenschnitte zulasten der Gläubiger von | |
| Staatsanleihen oder einen EU-Schuldentilgungsfonds, der per Vermögensabgabe | |
| finanziert wird. Schließlich brauchen wir endlich Eurobonds, um die | |
| Schuldenpolitik zu vergemeinschaften. Es ist schlicht Unsinn, dass sich die | |
| Krisenländer mit hohen Kapitalmarktzinsen nationalstaatlich finanzieren | |
| müssen. | |
| Im Jahr der Wahlen zum EU-Parlament steht viel auf dem Spiel: Die | |
| Feindseligkeit zwischen Geber- und Nehmerländern nimmt gefährliche Ausmaße | |
| an, nationalistische Parolen haben Konjunktur. Noch gruseliger: die | |
| Forderungen nach nationalen Währungen oder Währungsverbünden. Der Euro als | |
| Währungsbasis einer sozialen und ökologischen Ökonomie muss bleiben. Sonst | |
| droht, und da hat Angela Merkel recht, ein Scheitern Europas. | |
| 17 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Hickel | |
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