| # taz.de -- Eurokolumne: Politik statt starrer Regeln | |
| > Die Lösungen der EU für die Eurokrise sind zutiefst undemokratisch. | |
| > Dagegen helfen nur Technokraten und demokratische Regeln. | |
| Bild: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ sagt man im letzten Jahrhunder… | |
| Wettbewerbspakt, Freihandelsabkommen – werden sie doch noch abgefangen, so | |
| kurz vor dem Ziel? Hayek wird sich im Grab umdrehen! Die Protagonisten des | |
| Neoliberalismus, die Marktgläubigen aller Länder, die Verehrer des | |
| Wettbewerbs auf allen denkbaren und undenkbaren Gebieten meinten, es doch | |
| fast geschafft zu haben, Europas Märkte gegen jegliche demokratische | |
| Korrektur zu immunisieren. | |
| Für das meist schwierige Verhältnis von (Neo-)Liberalismus und Demokratie | |
| gibt es viele Beispiele. Nicht zuletzt die Suche von Bundeskanzlerin Angela | |
| Merkel (CDU) danach, wie die „parlamentarische Mitbestimmung marktkonform“ | |
| gestaltet werden könne. | |
| Im sogenannten freien Spiel der Marktkräfte gibt es häufig Verluste: Wenn | |
| etwa Millionen von Menschen Arbeit und Einkommen verlieren, wenn | |
| Finanzinstitutionen zuerst gigantische Profite einfahren und anschließend | |
| gigantische Verluste auf Steuerzahler und Steuerzahlerinnen abwälzen | |
| können. Oder wenn Produkte unter die Leute gebracht werden, die | |
| gesundheitsschädlich sind oder ökologische Risiken bergen, von deren | |
| Folgekosten die Hersteller nichts wissen wollen. | |
| In einer funktionierenden Demokratie wird sich die Bevölkerung so etwas | |
| nicht lange gefallen lassen. Die Menschen werden verlangen, der Freiheit | |
| des Marktes Grenzen zu setzen. Dieses Potenzial von Mehrheiten war für | |
| Hayek ein Ärgernis. Statt Demokratie wollte er einen elitären „Rat der | |
| Weisen“. Handverlesene „reife“ Frauen und Männer sollten sagen, wo es | |
| langgeht. Zusätzlich sollten die Herrlichkeiten von Markt und Wettbewerb in | |
| allen Köpfen fest verankert werden. | |
| ## Regeln müssen her | |
| Damit das auch im Fall von Kollateralschäden der Marktwirtschaft so bleibt, | |
| müssen Regeln her: ein Stabilitäts- und Wachstumspakt, Grundfreiheiten des | |
| Binnenmarktes, Vergaberichtlinien, ein Euro-Plus-Pakt, ein Fiskalpakt. | |
| Verbleibende politische Handlungsspielräume sind dadurch zu minimieren, | |
| dass man Entscheidungen in sogenannte Expertengremien verlagert. Gegen | |
| Demokraten helfen nur Soldaten, hieß es im vorletzten Jahrhundert. Die | |
| moderne Version könnte lauten: Gegen Demokraten helfen Technokraten. | |
| In der EU ist es gelungen, langsam gewachsene demokratische Strukturen | |
| durch Regelbindung auszubremsen. Zivilgesellschaftlicher Widerstand war | |
| bisher auf supranationaler Ebene schwach. Gewerkschaften und andere | |
| Organisationen haben noch nicht oft medienwirksam europapolitische Akzente | |
| setzen können. Mit der Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“ hat | |
| es zuletzt geklappt. Meistens aber lief die Verregelung wie geschmiert: Was | |
| auf nationaler Ebene Widerstand hervorrufen würde, geht in der EU durch und | |
| kommt über diesen Umweg dann doch in den einzelnen Ländern an. Brüssel ist | |
| ja weit weg, und die Europa-Abgeordneten kennt sowieso kaum jemand. | |
| ## Kein Grund zum Zurücklehnen | |
| Das scheint sich nun zu ändern. Nach dem Erfolg der Wasserinitiative ist | |
| Merkel kürzlich mit dem Wettbewerbspakt vorerst gescheitert. Die | |
| zunehmenden Proteste haben offenbar Regierungen davor zurückschrecken | |
| lassen, ohne Weiteres zuzustimmen. Und nun rudert die EU-Kommission auch | |
| noch beim transatlantischen Freihandelsabkommen mit den USA zurück. | |
| Grund zum Zurücklehnen gibt es aber noch lange nicht. Nur für eins der | |
| umstrittensten Details des Abkommens gibt es eine vorläufige | |
| Verhandlungspause: dem Klagerecht von Investoren, das politische | |
| Entscheidungen sehr teuer machen könnte. Davon, dass der gesamte | |
| Verhandlungsgegenstand und die relevanten Dokumente transparent gemacht | |
| werden, ist bisher nicht die Rede. Aber das wäre ja wohl das Mindeste in | |
| einer Demokratie. Also dranbleiben! | |
| 23 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Sabine Reiner | |
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