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# taz.de -- Eurokolumne: Tückische Exportstärke
> Nicht nur die EU rüffelt Deutschland für den gigantischen
> Außenhandelsüberschuss. Dabei könnten von einer Korrektur alle
> profitieren.
Bild: Container ins Ausland, so weit das Fischauge sieht: der Hamburger Hafen.
Der Streit um Deutschlands Exportplus nimmt fortgeschritten ritualisierte
Züge an. Und ein bisschen pathologische auch. So wie vergangene Woche, als
die EU-Kommission erstmals sozusagen amtlich anmahnte, wir sollten unseren
Überschuss abbauen. Industrieverbände und andere Gralshüter polterten
reflexartig vom Angriff auf „unsere“ Exportstärke. Fertig.
Erstaunlich, wie stoisch viele nach wie vor am eigentlichen Kern der seit
Jahren geäußerten Kritik vorbeidenken. Dabei könnten von einer
Kurskorrektur alle profitieren. Natürlich gibt es ökonomisch keinen
triftigen Grund, die Höhe von Exporten per se einzuschränken. Nur: Darum
geht es ja gar nicht. Entscheidend ist, dass wir sehr viel weniger bei
anderen einkaufen als wir dort verkaufen.
Man könnte auch sagen: Gemessen an unseren Exporten importieren wir zu
wenig. Und das ist auf Dauer ein Problem, auch für uns. Durch seine
Exportorientierung ist Deutschland nämlich mittlerweile gefährlich abhängig
von der Konjunktur anderer Länder. Die Verkäufe im Ausland entsprechen
heute mehr als der Hälfte dessen, was hierzulande erwirtschaftet wird, 2000
war es gerade einmal ein Drittel.
Da reicht eine Rezession in manchen Euroländern, und das schöne
Exportwachstum kollabiert jäh – siehe 2012/13. De facto leben Deutschlands
Exporteure damit immer auch von Ausgabenpartys anderer – mit entsprechender
Absturzgefahr.
## Exporttanz auf dem Vulkan
Wir setzen jährlich eine fünftel Billion Euro mehr im Ausland ab, als wir
dort ausgeben. Das heißt, dass der Rest der Welt sich per Saldo mit diesen
200 Milliarden verschulden muss, also mehr Geld ausgibt als er bei uns
umsetzen kann. Das ist ein Exporttanz auf dem Vulkan. Je höher das
Einnahmeplus ausfällt, desto mehr Geld sucht rund um den Globus nach
Anlagemöglichkeiten – in Ländern, die sich zunehmend verschulden.
Das führt über kurz oder lang zum Crash. Nur so lässt sich erklären, warum
es in der letzten Krise deutsche Banken so stark traf. Sie hatten über
Jahre deutsche Überschussgelder etwa in US- und spanische Immobilienmärkte
gesteckt. Es ist eher frech zu behaupten, diese Überschüsse ergäben sich
nun mal am freien Markt.
Spätestens seit der Standortpanik der 90er Jahre war es ja Ziel vieler
Akteure im Land, die Exportpotenz um jeden Preis und via Agenda 2010 zu
erhöhen. Kosten wurden gekappt: Geringere Löhne führten direkt zu
geringerer Binnen-, also Importnachfrage.
Wenn dies in so dramatisch viel mehr Exporten als Importen resultiert, ist
das kein spontanes Marktresultat, sondern Folge einer (unausgegorenen)
wirtschaftspolitischen Strategie. Eine Strategie, für die sich der Gerd und
seine Freunde immer noch gerne feiern lassen – und laut schimpfen, wenn
andere Kollateralschäden wie untragbare Exportüberschüsse beklagen.
Zu verlangen, dass die Krisenländer nun bitte ihre Wettbewerbsfähigkeit
erhöhen, bringt wenig. Das hieße ja, dass die deutschen Exporte an
Wettbewerbsfähigkeit verlieren, sonst würden die Überschüsse nicht sinken.
Der galantere Weg wäre es, viel grundlegender zu korrigieren und ein paar
Jahre lang alle wirtschaftspolitische Energie darauf zu verwenden, im
Inland für höhere Einkommen und mehr Dynamik zu sorgen. Anders als oft
beschworen, hält sich der Binnenaufschwung bislang arg in Grenzen. Für 2014
und 2015 werden weiter steigende Exportüberschüsse erwartet.
Zögernde Betriebe ließen sich dabei zu Investitionen animieren, indem man
ihnen zeitlich begrenzt Sonderabschreibungen gewährt – von der Großen
Koalition anno 2005 erfolgreich praktiziert. Und warum nicht Klimaschecks
verschicken, um so Geringverdienern Ausgleich für Kaufkraftverluste durch
steigende Energiepreise zu gewähren? Alles sinnvoller, als in
ritualisiertes Jammern darüber zu verfallen, wie böse der Rest der Welt zu
uns ist.
22 Mar 2014
## AUTOREN
Thomas Fricke
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