# taz.de -- Eurokolumne: Die Ebbe und die Niedrig-Inflation | |
> Was wenig Geldentwertung und wenig Wasser gemein haben. Und warum sich so | |
> an der Flaute in Euroland wenig ändern wird. | |
Bild: Wenig Wasser ist so wie wenig Inflation: ganz schön doof. | |
Es gibt ein neues Wort: „Niedrig-Inflation“. Der Ausdruck erinnert an | |
Niedrigwasser – und funktioniert nach derselben Logik: Bei Ebbe ist kaum | |
Wasser zu sehen, bei einer Niedrig-Inflation kaum Preisauftrieb. | |
Auch auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in | |
Washington wird die europäische „Niedrig-Inflation“ derzeit mit | |
Sorgenfalten debattiert. Denn: „Niedrig-Inflation“ ist nur ein hübscheres | |
Wort für: Fast-Deflation. Deflationen sind jedoch gefürchtet, weil sie in | |
die Rezession führen. Bei sinkenden Preisen halten sich die Konsumenten | |
zurück, da sie hoffen, dass die Waren noch billiger werden. Gleichzeitig | |
investieren die Unternehmer nicht mehr, weil sie fürchten, dass die Umsätze | |
fallen und sie Kredite nicht zurückzahlen können. | |
Aber wie verhindert man eine Deflation? Der IWF war noch nie um Ratschläge | |
verlegen. Auf dem Treffen in Washington empfahl er den Europäern erneut, | |
ihre Geldpolitik zu lockern und „unkonventionelle Maßnahmen“ zu erwägen. | |
Damit ist gemeint: Die Europäische Zentralbank soll breitflächig | |
Staatsanleihen aufkaufen, um die langfristigen Zinsen nach unten zu drücken | |
und so die Kreditvergabe zu erleichtern. | |
Die EZB scheint dies ähnlich zu sehen – und sogar eigene Modellrechnungen | |
anzustellen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete kürzlich, die | |
Notenbanker hätten schon simuliert, was passieren würde, falls die EZB | |
innerhalb von einem Jahr Staatsanleihen im Wert von einer Billion Euro | |
erwerben würde, die bisher bei den Banken lagern. Ergebnis: Die | |
Inflationsrate würde um 0,2 bis 0,8 Prozentpunkte steigen. | |
## Nachfrage an Darlehen | |
Die Zentralbank hat den Bericht nie bestätigt, aber das Fazit dürfte | |
zutreffen: Selbst eine Billion Euro würde kaum reichen, um die | |
Inflationsraten in der Eurozone nennenswert nach oben zu treiben. | |
Geldpolitik hat nämlich eine Schwäche: Sie ist Angebotspolitik. Sie kann | |
zwar Geld in die Banken spülen und deren Kredite billiger machen – aber | |
dies heißt nicht, dass die Nachfrage nach Darlehen tatsächlich steigt. | |
In den Krisenländern ist dies offensichtlich: Viele Privathaushalte und | |
Firmen sind hier überschuldet. Sie können sich keine neuen Kredite leisten, | |
selbst wenn die Zinsen spottbillig sind. Sogar in robusten Staaten wie | |
Deutschland stellt sich die Frage, warum Unternehmer deutlich mehr Kredite | |
aufnehmen sollten. Investitionen lohnen sich nur, wenn die Nachfrage | |
zunimmt. Bisher steigen die deutschen Reallöhne jedoch kaum. | |
Zudem steckt die Eurozone in einem Teufelskreis fest: Da die Inflation hier | |
niedriger liegt als in den USA, wertet der Euro zum Dollar auf. Damit | |
werden die Einfuhren für die Europäer billiger, so dass die Deflation auch | |
noch importiert wird. Die Geldpolitik der EZB kann keine Inflation | |
erzeugen. Dazu ist nur ein anderer Akteur fähig: der Staat, indem er | |
Konjunkturpolitik betreibt. Ein kleines Gedankenexperiment: Man stelle sich | |
vor, die EZB würde eine Billion Euro nicht an die Banken vergeben – sondern | |
direkt an die Staaten, auf dass sie in ihre Infrastruktur investieren. | |
Die Wirtschaft würde boomen. Die Löhne würden steigen, was wiederum die | |
Preise nach oben treiben würde, so dass die Gefahr einer Deflation gebannt | |
wäre. Diese Lösung ist jedoch verboten. Es gehört zu den ehernen Leitsätzen | |
der Eurozone, dass sich Banken grenzenlos verschulden dürfen – aber nicht | |
die Staaten. Die „Niedrig-Inflation“ wird uns also erhalten bleiben. | |
11 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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