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# taz.de -- Abgang von Hans-Peter Friedrich: Rücktritt mit Verzögerung
> Agrarminister Friedrich muss wegen seiner Indiskretion im Fall Edathy
> gehen. Beendet er so die Glaubwürdigkeitskrise der Koalition?
Bild: Einst Innenminister, dann Landwirtschaftsminister, nun Nichtmehrminister
BERLIN taz | Eigentlich schien Hans-Peter Friedrich vorerst gerettet zu
sein. Die Kanzlerin hatte am Morgen mit ihm telefoniert und ihm die Leviten
gelesen, auch CSU-Chef Horst Seehofer besprach mit Vertrauten die Causa –
alle einigten sich, dass Friedrich vorerst Landwirtschaftsminister bleiben
dürfe. „Ich war davon überzeugt, dass ich politisch wie rechtlich richtig
gehandelt habe“, verkündete Friedrich am Freitagmittag. Er werde sein Amt
nur zur Verfügung stellen, falls die Staatsanwaltschaft ermittle.
Schon am späten Nachmittag war diese gewagte Lesart überholt. Um 17 Uhr
trat Friedrich persönlich vor die Kameras. Er wiederholte, dass er sich
unschuldig fühle. Aber der Druck sei so groß geworden, dass er seine
Aufgaben nicht mehr „mit Ruhe, Konzentration und politischer Unterstützung
ausüben“ könne.
Nach kaum einer Minute trat er vom Pult: „Ich komme wieder.“ Wenig später
gab die Kanzlerin ihre knappe Erklärung ab. Sie habe sein Rücktrittsgesuch
„mit großem Respekt und Bedauern“ angenommen. Mit diesem Schritt stelle er
seine aufrechte Haltung unter Beweis, weil er eigenes hinter allgemeines
Interesse stelle.
Das warme Lob täuscht nicht darüber hinweg: Friedrich tritt
gezwungenermaßen zurück. Zu brüchig war der von ihm errichtete
Verteidigungswall, zu schwer waren die Vorwürfe, er habe ein
Dienstgeheimnis verraten – und zu nachvollziehbar die Rücktrittsforderungen
der Opposition. Einen Nachfolger präsentierte Merkel nicht. Seehofer werde
ihr „zeitnah einen Vorschlag unterbreiten“, sagte sie. Die dpa nennt
Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär (CSU) als mögliche Nachfolgerin
(CSU).
Die Vorgeschichte dieser Demission spielt im Oktober. Damals, während der
Verhandlungen der Großen Koalition, gab Friedrich SPD-Chef Sigmar Gabriel
einen folgenschweren Hinweis. Er berichtete ihm im Vertrauen, dass der Name
Sebastian Edathy bei internationalen Ermittlungen des Bundeskriminalamts
auf einer Namensliste aufgetaucht sei. Wegen der „politischen Dimension“
des Falls habe er Gabriel warnen wollen, begründete das Friedrichs
Sprecher. Edathy [1][steht im Verdacht], sich Nacktbilder von Kindern
besorgt zu haben.
## Vom Einzelfall zur Glaubwürdigkeitskrise
Wegen dieser Indiskretion entwickelte sich der Einzelfall zu einer
Glaubwürdigkeitskrise der Regierung. Über die Weitergabekette der Interna
verbreiteten wichtige Köpfe verschiedene Versionen: Friedrich und
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann widersprachen sich, auch BKA-Chef Jörg
Ziercke spielt eine ungeklärte Rolle.
Der Chef der Staatsanwaltschaft Hannover sagte gestern mit Blick auf
Friedrichs Info an Gabriel: „Wir sind fassungslos.“ FDP-Chef Christian
Lindner fühlte sich an „Szenen aus amerikanischen Politthrillern“ erinnert.
So geht es vielen.
Der verzögerte Rücktritt Friedrichs ist der Versuch, die Krise einzudämmen.
Der 56-jährige Oberfranke ist einer der schwächeren Minister des Kabinetts.
In seiner Zeit als Innenminister von Schwarz-Gelb agierte er oft
ungeschickt; legendär, wie der CSUler während der NSA-Affäre von einem
„Supergrundrecht Sicherheit“ fabulierte. Nach der Wahl musste er mit dem
Landwirtschaftsministerium vorliebnehmen, was einer Degradierung gleichkam.
Auch in seiner knapp zweimonatigen Amtszeit als Agrarminister setzte
Friedrich kaum Akzente. In der Diskussion über die Zulassung des Anbaus von
gentechnisch verändertem Mais – die erste seit 15 Jahren – konnte er sich
nicht gegen die Kanzlerin durchsetzen. Er wollte, dass die Bundesregierung
am vergangenen Dienstag im EU-Rat gegen die Pflanze „1507“ stimmt. Merkel
setzte aber eine Enthaltung durch – was wegen der Verfahrensregeln einer
Zustimmung gleichkam.
## Friedrich ist nicht allein
Ansonsten plante Friedrich, den agrarindustriefreundlichen Kurs seiner
Vorgängerin Ilse Aigner fortzuführen. Er wollte Pestizide auf Flächen
erlauben, die die Bauern – im Gegenzug für Subventionszahlungen – ab 2015
laut EU-Recht „im Umweltinteresse“ nutzen müssen.
Es ist fast ungerecht, dass sich in dem verworrenen Fall Edathy alles auf
Friedrich konzentriert. Auch andere geben ein schlechtes Bild ab. Die
Bundespressekonferenz am Freitagmittag, in der Seibert und die Sprecher
aller Ministerien Journalistenfragen beantworteten, geriet zu einem
Theaterstück, bei dem es nicht um Aufklärung, sondern um Verschleierung
ging.
Da wäre zum Beispiel die Rolle von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Der
hatte am Donnerstag den Aufschlag zur Affäre gemacht. Per Pressemitteilung
erklärte er, Friedrich habe in seiner Auskunft an SPD-Chef Gabriel erklärt,
es werde „möglicherweise zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen“ im Fall
Edathy kommen. Friedrich ließ bestreiten, diesen Satz gesagt zu haben.
Erinnert sich hier jemand falsch? Oder lügt einer von dreien: Friedrich,
Gabriel oder Oppermann? Und warum informierte Friedrich nur den SPD-Chef
über einen Vorgang, der ihm brisant zu sein schien – und nicht CDU und CSU?
Die Geschichte kann also auch für andere Protagonisten noch sehr unangenehm
werden.
14 Feb 2014
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## AUTOREN
Ulrich Schulte
Jost Maurin
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